Rot-Rot-Grün im Bund 2017? Lehren aus Thüringen

Rot-Rot-Grün im Bund 2017? Lehren aus Thüringen

Wer den Lippenbekenntnissen der Bundes-SPD und Grünen glaubt, könnte nach der Bundestagswahl 2017 in einer linken Republik aufwachen. Dafür sprechen zuviele Parallelen. Als im Dezember 2014 die SPD und Grüne den ersten Ministerpräsidenten der Linken in den Sattel hoben, konnte keine der drei Parteien einen Wählerauftrag dafür beanspruchen. Die Linkspartei legte marginal zu, verlor zugleich aber mehrere Direktmandate. Die Grünen büßten an Zustimmung ein und die SPD erhielt ein katastrophales Ergebnis, das man eben erhält, wenn kein Wähler weiß, was mit seiner Stimme geschieht. Doch ist dies nur eine Thüringer Angelegenheit oder lassen sich bundespolitische Lehren daraus ziehen?

  1. Die strategischen Motive

Vor der Wahl von Bodo Ramelow lag ein großer Fokus auf dem kleinen Land in der Mitte Deutschlands. Viele hinterfragten, warum sich die SPD und die Grünen mit den Linken verbrüderten statt in eine gemeinsame Koalition mit der CDU zu treten. Nun war dies 2014 keine ganz neue Angelegenheit. Schon 2009 hatten die drei Parteien miteinander geflirtet, aber sich am Ende gegen eine solche Ehe entschieden. 2014 war die Zeit dann reif: Die SPD tat dies vorallem aus Frust, in einer Koalition mit der CDU zwar viele ihre Ziele durchgesetzt, aber trotzdem nicht Gewinner einer solchen Koalition geworden zu sein. Zudem verflüchtigte sich die Mehrheit einer SPD der Mitte hin zu einer linken SPD, die bewußt oder unbewußt, die Linke als zweite sozialdemokratische ergo koalitionsfähige Partei anerkannte. Die Grünen wandten sich einer linken Koalition aus dem irrigen Glauben zu, über ein bürgerliches Profil Gewinner einer solchen Koalition werden zu können. Kommt einem das für die Bundestagswahl 2017 bekannt vor?

  1. Der linke Anspruch

Für die Linke geht es um mehr. Natürlich will sie zeigen, schaut her: wir stellen einen Ministerpräsidenten; wir sind eine ganz normale Partei. Aber solche machtstrategische Fragen unterschätzen den transformatorisch-revolutionären Anspruch der Partei:

„Wir setzen auf eine allmähliche Transformation, auf eine schrittweise Veränderung der Gesellschaft, wenn sie so wollen: Das Revolutionäre wird man erst in der Rückschau erkennen“, formulierte der Vordenker der Linken und Chef der Staatskanzlei, Prof. Benjamin-Immanuel Hoff Ende März 2015.

Der Leitstern des Regierungshandeln Ramelows ist der „hegemoniale Block“ (Antonio Gramsci) bestehend aus SPD+Grüne+Linke, welcher Staat und Gesellschaft formt. Zum Wesenskern der LINKEN gehören noch immer tiefe Eingriffe in den Bereich der Gesellschaft und der Wirtschaft: Ein übergriffiger Staat, der sich für klüger hält als die Einzelnen und die vielen widerstreitenden Kräfte einer pluralistischen Gesellschaft. Das unterscheidet die LINKE mit ihren kommunistischen Wurzeln übrigens deutlich von der SPD oder den Grünen – von der CDU sowieso, die den Einzelnen durch Bildung, soziale Förderung und gesicherte Rechte ermöglichen will, an den Früchten einer freien Gesellschaft und Wirtschaft Anteil zu haben.

  1. Nach Außen: Bodo, wer? Profilierung und linke Bündnisfähigkeit beweisen

In den ersten Wochen musste sich Bodo Ramelow fühlen wie das Schmuddelkind auf einem neuen Schulhof. Es stand allein in der Ecke und die anderen Kinder rissen Witze. Selbst die SPD im Bund hielt mehr als Tanzabstand und erlaubte den ersten Regierungschef von RRG nicht in Vorabstimmungsrunden zum Bundesrat von SPD und Grüne. Thüringen isoliert. Die Teilnahme musste sich erst verdient werden.

Mehr als ein Jahr später: ob durch Angriffe auf Horst Seehofer, Schlichter im Bahnstreik, in Soli-Allianz mit den anderen Ost-Ministerpräsidenten oder als omnipräsenter Flüchtlingshelfer – Ramelow profiliert sich und seine Regierung als „reinen“ sozialdemokratischen Politikentwurf und findet Platz in den Koordinations-Runden der SPD- und der Grünen-Regierungen. Dadurch werden auch diejenigen auf der Linken Teil des vereinten Deutschlands, die das nie wollten oder die den Prozess nie wollten (L.Bisky). Und gleichzeitig wird das Koordinatensystem der SPD und Grünen stärker links verortet. So regiert in Thüringen in Wahrheit eine Vier-Parteien-Koalition: Linke+SPD+Grüne+Bodo Ramelow.

Doch trotz des bundespolitischen Profilierungskurses bleibt Ramelow ein Ministerpräsident von Stasis Gnaden. Die hauchdünne Einstimmenmehrheit mit zwei ehemaligen IMs in der Fraktion beschert ihm Themen, welche die neue Regierung in die bundespolitische Isolation führen: die Ankündigung alle V-Leute abzuschaffen oder der Winterabschiebestopp.

Die Abschaffung der V-Leute bezeichneten Innenminister anderer Bundesländer als „gefährlichen Alleingang“ und führten aus, dass in bestimmten Fällen der Staat ohne den Einsatz menschlicher Quellen unmöglichen feststellen könne, welche Gefahren drohten. Dem entgegnete der stv. Linke-Vorsitzende in Thüringen, Dittes, trocken, die Erfahrung zeige vielmehr, das V-Leute-System erhöhe die Sicherheit nicht, sondern gefährde die Demokratie. Das die Strukturen des Thüringer Verfassungsschutzes neu überdacht werden müssen ist eine, durch den NSU-Skandal provozierte, durchaus berechtigte Frage. Wenn die Lösung jedoch in der Abschaffung besteht, also in der Ausgliederung und Isolierung hinsichtlich der bundesweiten Informationsbeschaffung und Verbrechensbekämpfung, dann wirft das die Frage nach einem ‚warum‘ auf.

Darin wird das Grenzgängerische, der transformatisch-revolutionäre Charakter sichtbar. In Sicht der Linken muss der Staat als Instrument für die Formung der Gesellschaft verändert werden, wenn er ggf. im Weg steht. Da für die Linken der Extremismus aus der Mitte kommt, nötigt die fehlende eigene Distanz zum extremistischen Lager am linken Rand – besonders – dem kommunistischen Block, ihnen so Änderungen in der Sicherheitsarchitektur des Staates ab.

Nicht ohne Grund ist Ramelow der erste Türöffner für die Debatte um RRG im Bund.

  1. Nach Innen: auf leisen Sohlen das Land verändern?!

Bis 2014 galt, Thüringen ist ein erfolgreiches Bundesland. Die höchste Beschäftigungsquote Deutschlands, das Bundesland mit der höchsten Aufklärungsquote in der inneren Sicherheit und die Thüringer Schüler belegen bei allen Tests Spitzenplätze. Warum also etwas ändern?

Ein vielfach intoniertes Mantra der neuen Regierung: wir wollen nicht alles anders aber vieles besser machen. Die ersten Monate schienen das zu bestätigen. Kleine sichtbare Prestigeprojekte festigten den neuen gemeinsamen Bund.

Als erstes schufen RRG das Landeserziehungsgeld ab, dem Vorläufer des Bundeserziehungsgeldes. Der Wahlfreiheit der Eltern stellte RRG die vollkommene staatliche Betreuung in öffentlichen Einrichtungen gegenüber: Man wolle damit den Einstieg in den kostenfreien Kindergarten bezahlen. Wohlgemerkt in Thüringen gehen 97 Prozent der Kinder im Vorschuljahr in den Kindergarten.

Auch das erste Gesetz amtete den Geist der Bevormundung und der Wirtschaftsfeindlichkeit. Mit einem Vorschlag zum staatlich verordneten Bildungsurlaub für Arbeitnehmer zur gesellschaftlichen Weiterbildung überzog RRG alle Thüringer Unternehmen mit mehr als 5 Mitarbeitern. Deren Arbeitnehmer sollen bis zu 5 Tage im Jahr an Seminaren zur gesellschaftlichen oder kulturellen Bildung teilnehmen; die berufliche Weiterbildung ist ausgeschlossen. Das Gesetz dient schlicht als ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für gewerkschaftsnahe Fortbildungseinrichtungen.

Der minimalinvasive Politikansatz von Rot-Rot-Grün bescherte ihnen im Sommer stabile Umfragewerte und normale Zustimmungswerte. Doch regiert wird nicht nur auf dem Sonnendeck und so zeigt sich allmählich das wahre Gesicht, welches Staat und Gesellschaft verändern soll. Es wird die Axt an eingeübte Institutionen des Landes gelegt: Gebietsreform, Finanzen, Kultur und Heimat. 

Mit einer deutlich zentralistisch geprägten Gebietsreform von Kreisen und Gemeinden sollen bürgernahe Strukturen zerschlagen und anonyme Großkreise entstehen. Dem Bürgerlichen soll im Land der Dichter und Denker durch eine Strukturreform die jahrhundertealte Theater- und Operntradition entzogen werden. Auch in der Finanzpolitik bewahrheitet sich, dass linke Regierungen lieber verteilen und nicht über das erwirtschaften nachdenken. Sie schlachten das Sparschwein der Landesfinanzen und streiten öffentlich über die Gültigkeit der Schuldenbremse. Der Doppelhaushalt bläht das Volumen um 1 Mrd. Euro im Vergleich zum letzten Haushalt der CDU-Regierung auf, die Schuldentilgung wird ausgesetzt und die Rücklage aufgelöst. Es wundert nicht, dass das Wirtschaftswachstum in Thüringen mittlerweile in den Keller gerutscht ist. Gravierende Managementfehler bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme tun ihr übriges.

Mittlerweile kursiert als Mantra der neuen Regierung: wir wollen vieles anders aber nichts besser machen.

  1. Lektionen für den Bund 2017

Mit ihrer Entscheidung, einen Ministerpräsidenten der LINKEN in den Sattel zu heben, haben die SPD und die Grünen mehr als einen taktischen Schwenk vollzogen. Sie ordnen sich einem grundsätzlich anderen Politikansatz unter. Die LINKE versteht sich als Anker in einem Dreierbündnis und bestimmt damit auch den Radius, in dem sich das Schiff der Regierungspolitik in den Strömen der Zeit zukünftig bewegen soll. Thüringen soll nicht mehr aus der politischen Mitte heraus, sondern vom linken Rand her regiert werden. Es geht um einen fundamentalen Wandel mit Ansage.

SPD-Landesvorsitzender Bausewein sieht die Positionierung der SPD in der linken politischen Mitte an der Seite der Linken und Thüringen als Trendsetter für das politische System Deutschlands. Thüringen dient den linken Parteien in Deutschland als Blaupause; als Denkschablone für eine mögliche andersartige Koalitionsoption im Bund. Bei den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern in 2016 und bei den Wahlen im Saarland 2017 sollen solche RRG Träume Wirklichkeit werden. Wackeln die Umfragen in NRW für das Frühjahr 2017 weiter, werden in der schwindenden Volkspartei SPD die Diskussion um neue Regierungsmöglichkeiten und den Ausbruch aus dem 20-Prozentturm beginnen. Auch die Grünen sind in einer Art Schaukelstuhlpolitik zwischen linkem und bürgerlichem Lager gefangen. Bei ungewissen Umfragewerten von FDP und AfD, frohlocken die Linken als potentieller Mehrheitsbeschaffer für SPD und Grüne.

Spätestens mit dem Parteitagsbeschluss der SPD im Herbst 2013 dürfte klar sein, wenn es rechnerisch möglich ist, werden SPD und Grüne 2017 mit der Linken sondieren. Dafür sprechen viele Parallelen aus Thüringen: Die SPD verhält sich im Bund wie eine Opposition in der Regierung. Die Grünen machen Lockerungsübungen für rot-rot-grüne Gespräche. Das öffnet die Grundsatzfrage für den Wahlkampf 2017: Gelingt es der CDU gut zu begründen, warum sie ein starkes Mandat für eine vierte Regierungszeit unter Führung von Angela Merkel verdient hat? Wie verändert die Anti-Establishment-Stimmung nach der Flüchtlingskrise das Wählerverhalten und wie steht es um die Mobilisierungsfähigkeiten der Parteien. Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben dafür erste Anzeichen gegeben. Und auch für die flexible Koaltionsarithmetik im deutschen Parteiengefüge.

Wie fragil ein erfolgreiches Land und wie schnell der Weg in eine linke Republik ist, kann man im Brennglas an Thüringen beobachten. Deutschland braucht ein weiteres solches Experiment nicht.

 

(so ähnlich erschienen in Bayernkurier 2015)

Nach Köln: Angst als Killervirus der Gesellschaft

Nach Köln: Angst als Killervirus der Gesellschaft

Ist sie jetzt bestätigt? Die berechtigte Angst vor dem Fremden. Unter den Augen von Polizei und Politikern, assistiert von einer schweigsamen Presse. Köln als Wendepunkt einer integrationspolitischen Naivität? Obacht ist geboten.

Was sich in Köln an einem der belebtesten Plätze an einem der belebtesten Tage abgespielt hat, ist Staats- und Medienversagen. Wenn Frauen nicht geholfen werden kann, weil das NRW-Innenministerium die angeforderten Einsatzkräfte verwehrt, versagt der Staat bei der Sicherheit seiner Bürger. Wenn die Medien nicht (oder sehr verspätet) berichten, weil sie es als volkspädagogisch verwerflich empfinden und nicht sein kann, was nicht sein darf, versagen sie in ihrer Aufgabe als verlässliche, wertungsfreie Informationsquelle.

Ein gedemütigter Staat hinterlässt Spuren im Unterbewusstsein der Leute: Das verunsichert und trifft die Menschen im Land traumatisch. Es entsteht Angst. Wo ist das Sicherheitsversprechen des Staates hin, wenn er sich nicht an seinen Grenzen, sondern in seinem Inneren als schwach und unentschlossen erwiesen hat?

Die Sehnsucht nach Sicherheit wird zur Sehnsucht nach dem Staat, die Integrationsdebatte wird zur Sicherheitsdebatte. Wie sichern wir die deutschen Lebenskultur, wenn die „zugewanderte Machokultur Nordafrikas und der arabischen Halbinsel“ versucht Platz zu greifen?

Indem wir uns zudem bekennen, was unsere offene Gesellschaft ausmacht:
  1. Klarheit in der Ansage: Schuld ist immer individuell. Egal, ob ein Deutscher, ein geflüchteter Nordafrikaner oder ein zugewanderter Araber – wer eine Straftat begeht, muss zur Rechenschaft gezogen werden. Und das bedeutet nachvollziehbarer Weise bei Asylsuchenden, wer unsere Regeln und Kultur nicht teilt, hat auch keinen Anspruch, sie schutzsuchend in Anspruch zu nehmen. Wer straffällig geworden ist, gehört abgeschoben.
  2. Ehrlichkeit in der Debatte: Unter digitalen Voraussetzungen beschleunigt sich aufgeladen mit Verschwörungstheorien das Auseinanderdriften von Publikums- und Mediensicht. Wenn nach einer Umfrage von Allensbach über die Hälfte der Deutschen den Beteiligten vor Ort mehr glauben, als den öffentlichen Medien, beginnt Vertrauen in deren Objektivität massiv zu schwinden. Das befördert ein Gefühl schleichender Political correctness, bei der man nicht mehr alles aussprechen kann, was man denkt. In einer offenen Gesellschaft darf es keine zwei Öffentlichkeiten und keine politische verordnete Schweigespirale geben.
  3. Unterscheiden und nicht Relativieren: Nur böswillige werden die Vorfälle von Köln als Argument gegen die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen nutzen. Es gibt keinen Kollektivsingular „Die Flüchtlinge“. Aber es gibt kulturelle Unterschiede und die sind klar anzusprechen. Übrigens, auch was den Islam angeht. Wer auf den Strassen von Baku wandelt, der fühlt sich im Sommer fast an den FKK-Strand der Ostsee versetzt, während eine Flugstunde weiter in Teheran die Frauen verschleiert herumlaufen. Beides sind schiitische Länder. Unterscheiden gilt auch für die Gutmenschen. Es ist nicht derjenige Deutsche gleich ein Rassist, der berechtigte Fragen zur Integration, der weiteren Aufnahmefähigkeit oder zwischen Asylsuchendem und Zuwanderer stellt.
  4. Verteidigung des Humanitären Imperatives gegen Ethno-Nationalismus: Auch nach Köln dürfen wir nicht die Zugbrücken hochziehen und sagen: lass das mal die Anderen machen. Wir haben neue zivilisatorische Standards gesetzt. Der humanitäre Imperativ: zu helfen, wenn Hilfe nötig wird, hat Deutschland zusammen mit seiner wirtschaftlichen Strahlkraft zur globalen Zufluchtshoffnung gemacht. Klar ist, wir werden nicht die 60 Mio. Flüchtlinge der Welt aufnehmen können. Aber Deutschland ist eine Metapher für Humanität geworden. Dies gilt es gegen jede Anwandlung von Ethno-Nationalismus zu verteidigen.
Die politische Mitte ist in Sorge. Nicht aus Fremdenfeindlichkeit. Sie sorgt sich um das Sicherheitsversprechen des Staates, um die kulturelle Prägung unseres Landes und sie hat Angst vor dem gesellschaftlichen und persönlichen Abstieg. Angst ist der Killervirus der freien Gesellschaft. Und Angst frisst Demokratie auf. Nach Köln gilt es die Balance zu finden, zwischen den äußeren Hoffnungen und den inneren Sicherheits- und Kulturerwartung der Bürger.
 
Die Position der Union lautet: hart aber herzlich. Wir wollen den Zustrom begrenzen; diejenigen zurückzuführen, die kein Bleiberecht haben; und die integrieren, die dauerhaft Deutschland voranbringen wollen. Das unterscheidet uns von dem Multi-kulti der linken Parteien, für die jeder Flüchtling ein Zuwanderer ist, ebenso wie von dem völkischen Ethno-Nationalimus der politischen Rechtsaußen, die alle wieder nach Hause senden wollen. Den geistig-moralischen Führungsanspruch dürfen wir nicht aufgeben. Sonst wird die Angst zum Killervirus der Gesellschaft.
Wir kommen mit geballter Kraft zurück

Wir kommen mit geballter Kraft zurück

Vor dem Landesparteitag der Thüringer CDU am Sonnabend sprachen wir mit Generalsekretär Mario Voigt: Im OTZ-Interview erläutert er, wie es gelingen soll, die zerstrittene Partei zu einen.

Hat die Thüringer CDU inzwischen die Schockstarre überwunden?

Thüringen steht gut da. Wir sind, wenn es um Arbeitsmarktzahlen, gute Politik oder innere Sicherheit geht, deutschlandweit spitze. Das zeigt, dass wir 24 Jahre eine gute Politik fürs Land gemacht haben. Deshalb sind die Bürger und unsere Mitglieder verständlicherweise enttäuscht, dass wir die Regierungspolitik nicht weiter gestalten können. Machen wir uns nichts vor: Für die CDU ist es ein großer Einschnitt, nun die Oppositionsbank zu drücken. Da hilft kein Jammern, sondern nur Anpacken.

Ihre Partei vermittelt aber gerade nicht den Eindruck, dass sie anpackt.

Bis vorigen Freitag haben wir intensiv darum gerungen, Rot-Rot-Grün zu verhindern. Manche Debatte, die besser hinter verschlossenen Türen stattgefunden hätte, ist öffentlich geführt worden – einen Preis bei einer politischen Castingshow gewinnen wir damit nicht.

War Ihre Strategie in den Koalitionsverhandlungen falsch?

Die Sozialdemokraten hatten von Tag eins an die Order, Rot-Rot-Grün in Thüringen als Versuchsballon anzugehen. Mich enttäuscht das Verhalten der Grünen, die so getan haben, dass wir nicht ernsthaft an Verhandlungen interessiert gewesen seien. Wir werden die SPD und die Grünen jeden Tag daran erinnern, dass sie sich für das politische Experiment entschieden haben. Unsere Hauptgegner sind aber Ramelow und die Linke als Regierungspartei.

Ist die derzeitige Verfassung der CDU eine Steilvorlage für die Regierungskoalition?

Der Frieden bei Rot-Rot-Grün hält doch nur so lange, wie genügend Posten übrig sind. Die Zerrissenheit zeigt sich beim Umgang mit Matschie oder beim schwachen Wahlergebnis für Hennig-Wellsow. Das beweist erneut: Rot-Rot-Grün ist ein Experiment mit schwieriger Zukunft für Thüringen.

Wie lange hält die Regierung?

Wir sollten nicht darauf hoffen, dass Rot-Rot-Grün sich zu zeitig auseinander lebt. Die Partner haben sich bewusst dafür entschieden und sind deshalb auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden. Bei uns gibt es kein langes Wundenlecken und keine 100-Tage-Schonfrist. Wir leisten von Tag eins an harte Oppositionsarbeit.

Wie gelingt es der Union, sich intern wieder zu einen?

In den vergangenen Wochen haben wir nicht gerade das Bild der trauten Einigkeit abgegeben. Jeden in der Partei muss aber klar sein, dass nur ein Kurs Miteinander statt Gegeneinander gemeinsame Erfolge verspricht. Das ist notwendig, um kraftvoll in die Opposition zu starten.

Klingt nach einer „Friede, Freude, Eierkuchen“-Strategie.

Christian Carius , Christian Hirte , Mike Mohring und ich haben einen Plan vorgelegt: Wir möchten zügig zeigen, dass wir die bessere Alternative zur jetzigen Regierung sind. Aufbauend auf dem guten Fundament wollen wir in den Themenfeldern punkten, in denen uns die Menschen großes Vertrauen entgegenbringen.

Welche sind das?

In der Wirtschafts- oder Schulpolitik, wo für uns die Leistungskultur und Noten zwingend dazu gehören. Für mich ist es bezeichnend, dass im Koalitionsvertrag nicht einmal das Wort Gymnasium vorkommt, aber dafür festgehalten ist, dass öffentliche Gebäude am Christopher-Street-Day mit Regenbogen-Fahne beflaggt werden. Um die Projekte von Rot-Rot-Grün umzusetzen, muss Thüringen eine Milliarde Euro neue Schulden aufnehmen. Wir wollen nicht, dass bei einer Gebietsreform am Reißbrett in Erfurt unsere gewachsenen Strukturen zerschlagen werden. Ohne die Fesseln einer Koalition wollen wir mit „CDU pur“ deutlich machen, dass wir die echte bürgerliche Alternative sind.

Viele Wähler haben eher auf die Alternative für Deutschland gesetzt.

Wir sind die klare und führende Oppositionskraft im Landtag. Wir wollen nicht nur Fragen aufwerfen wie die AfD, sondern auch Lösungen liefern. Wir haben inhaltliche Ideen fürs Land, damit es den Menschen besser geht. Die Grünen und die SPD haben einen Linksrutsch vollzogen. Wir sind die Volkspartei der Mitte, die aber zugleich konservative Wähler für sich interessieren möchte.

Warum hat die CDU überhaupt mit der AfD verhandelt?

Im Landtag gibt es mit allen Fraktionen lose Gespräche, um den Parlaments­betrieb aufrecht zu erhalten. Das ist eine demokratische Gepflogenheit. Wir werden mit der AfD den inhaltliche Wettstreit genauso wie mit der Regierung suchen.

Nach den bekannt gewordenen Verhandlungen mit der AfD ist Mike Mohring bei der Wahl zum Bundesvorstand gescheitert. Kann er jetzt überhaupt noch Parteichef in Thüringen werden?

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Drei von vier Kandidaten, die nicht gewählt worden sind, stammen aus den neuen Bundesländern. Das ist nicht in Ordnung. Es liegt nun an uns, mit großer Geschlossenheit deutlich zu machen, dass wir die Rolle als Oppositionskraft angenommen haben. Es ist kein Betriebsunfall gewesen, dass sich Rot-Rot-Grün gefunden hat. Wir kommen nicht im Schlafwagen zurück, sondern nur mit geballter Kraft. Und als starke Mannschaft in Partei und Fraktion wird das gelingen.

Bleiben Sie Generalsekretär?

Es ist ein Vertrauensbeleg, dass mich mein Kreisverband, aber auch Mike Mohring und Christian Carius gebeten haben, als stellvertretender Landesvorsitzender zu kandidieren. Das würde ich gern machen, wenn die Basis das will. Und mit Birgit Diezel als weitere Kandidatin fürs Präsidium und mit Unterstützung von Thomas Fügmann kann es eine starke Ostthüringer Stimme sein.

Was ist Ihr erstes Ziel?

Wir haben bei der außerordentlichen Landratswahl in Nordhausen den Anspruch, diesen Landkreis als Union zurückzugewinnen. Ein Signal, dass wir die kommunale Basis stärker in die innerparteiliche Arbeit einbinden, ist, dass wir unsere kommunalen Spitzen Martina Schweinsburg und Michael Brychcy künftig in den Landes­vorstand kooptieren wollen.

OTZ, 11.12.14

Vergangenheit und Zukunft berühren sich: Der Unrechtsstaat und die Linke

Vergangenheit und Zukunft berühren sich: Der Unrechtsstaat und die Linke

Wir stehen heute wenige Tage vor dem 25. Jahrestag des Mauerfalls. Der 9. November 1989 ist das Symbol: Die Menschen in der DDR und im gesamten Ostblock erkämpften ihre Freiheit. Die Freiheit, wählen zu dürfen, reisen zu dürfen, offen reden und denken zu dürfen. Alles so, wie man es selber will und nicht, wie es sich greise, der Welt entrückte, Funktionäre ausmalten. Dass die Welt fortan eine andere war, verdanken wir jenen, die mutig im Herbst 1989 für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen sind. Ihre Forderung nach Mitsprache, vor allem aber ihr Ruf „Wir sind das Volk!“, hat das Fundament geschaffen, auf dem unsere Demokratie heute steht.

Dass SPD und Bündnis90/Die Grünen in eine Regierung unter Führung der Linkspartei einsteigen, die am Tag des Mauerfalls noch SED hieß, hätten sich vor 25 Jahren und auch noch vor ein paar Wochen wenige Thüringer träumen lassen. Keine der drei Parteien kann für sich beanspruchen, dafür am 14. September 2014 einen Wählerauftrag erhalten zu haben. Die Linkspartei hat marginal zugelegt, zugleich aber mehrere Direktmandate verloren. Die Grünen haben an Zustimmung eingebüßt und die SPD hat ein Ergebnis erhalten, das man eben erhält, wenn kein Wähler weiß, was mit seiner Stimme geschieht. Rot-Rot-Grün hat in Summe massiv verloren. Dass diese Koalition der Wahlverlierer daraus einen Anspruch auf Politikwechsel formulieren ist mehr als kühn. Vielmehr noch: Eine rot-rot-grüne Einstimmenmehrheit im Landtag und die Tatsache, dass in der Linksfraktion zwei ehemalige Stasi-IM’s sitzen, bedeutet, dass die künftige Thüringer Regierung vom Wohlwollen dieser ehemaligen IM’s abhängt. Pointiert könnte man sagen, die Zukunft Thüringens bestimmen Stasi-IM’s. Da ist egal, ob Bodo Ramelow ausgeschlossen hat, belastete Abgeordnete zu Ministern zu machen.

Um den Schwenk zu begründen, versteigen sich jetzt Grüne und SPD in Interpretationen, wie sehr sie doch der Linken mit einer Unrechtsstaatsdebatte ihre geschichtliche Bewertung aufgezwungen hätten. In der Debatte um die Charakterisierung der DDR als Unrechtsstaat geht es jedoch nicht um die Vergangenheit, sondern um die Zukunft Thüringens. Denn die diskutierte Frage um Erinnerung, Zeitgeschichte, Politik und Recht ist lediglich ein Maßstab dafür, in welchem Umfang die LINKE die Grundlagen unseres freiheitlichen und demokratischen Gemeinwesens verinnerlicht und angenommen hat. Die geschichtliche Erfahrung des 20. Jahrhunderts spricht gegen die LINKE, die sich dazu bekennt, aus der SED hervorgegangenen zu sein. Deshalb müsste der Bruch mit der Vergangenheit umso klarer ausfallen.

Was wir stattdessen sehen, ist der mehr oder weniger durchsichtige Versuch, die von der SED errichtete Parteidiktatur auch im Nachhinein noch zu legitimieren. Das ist ein plumper Täuschungsversuch. Die Wurzel des Übels liegt nicht in der schrecklichen Herrschaftspraxis, sondern in der marxistisch-leninistischen Ideologie als deren Voraussetzung. In der Vorstellung einer in der Verfassung verankerten, in den Händen der SED monopolisierten Klassenherrschaft und in dem jeder Diskussion entzogenen uneingeschränkten Anspruch, die Gesellschaft, die Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur entlang dieser ideologischen Vorgaben auszurichten und engmaschig zu kontrollieren. Das ist etwas fundamental anderes als die auf die Volkssouveränität und den Rechtsstaat gestützte Demokratie.

Was in der Linkspartei seit Jahren geschieht, wiederholt sich in den letzten Wochen wie im Brennglas. Die Debatte über den Unrechtsstaat DDR zeigt auf bedrückende Art, dass die SED-Nachfolger sich auch heute noch weigern, Unrecht, das im Namen und im Auftrag dieser Partei begangen wurde, beim Namen zu nennen. Ina Leukefeld hat von einem „politischen Kampfbegriff“ gesprochen (und die Parteiführung der Linken hat nicht widersprochen). Leukefeld und viele andere lehnen es unmissverständlich ab, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Denn von dem, was die DDR im Kern war, wollen und können sich die SED-Nachfolger nicht distanzieren. Bodo Ramelow spielt selbst die Vereinbarung von Rot-Rot-Grün auf den Status einer Protokollnotiz herunter. Deutlicher als Gregor Gysi konnte man es nicht sagen: Was die Linke der SPD und den Grünen in den Koalitionsvertrag schreibt, ist das eine – was die Linke denkt, für richtig hält und sogar als Partei sagt, etwas völlig anderes.

Die DDR war ein Unrechtsstaat. Sie war dies, weil Unrecht vom ersten Tag ihres Bestehens Mittel der SED-Herrschaft war. Enteignung, Vertreibung und Umsiedlung, Bespitzelung, politische Haft, eingeschränkte Meinungsfreiheit. Millionen Menschen bekamen dies mit unerbittlicher Härte zu spüren. Was die Menschen von dem Versuch hielten, den Sozialismus aufzubauen, verdeutlichten sie durch massenhafte Flucht und den Volksaufstand vom 17. Juni 1953. Am Ende wusste sich die SED nur noch zu helfen, indem sie ihr Staatsvolk einmauerte. Als sich die Chance bot, 1989/90, machten die Menschen diesem Spuk ein Ende. Dieses Unrecht war kein Betriebsunfall, sondern eine Leitvorstellung der SED. Rechtsbeugung war Programm. Dies mit Verweis auf den DDR-Wohnungsbau oder die Kinderbetreuung relativieren zu wollen, klingt wie Hohn – nicht nur in den Ohren der Millionen Bürger, die Opfer politischer Verfolgung wurden oder aus der DDR geflohen sind, sondern auch für die, die in diesem Staat gelebt haben.

Es gilt hellhörig zu werden, wenn die LINKE mit Blick auf ihre Vergangenheit als SED nicht zu absoluter Klarheit in der Lage ist, wenn sie ein offenbar unverlierbares Erbe hochhält. Welches denn? Es gilt hellhörig zu werden, wenn die Landesvorsitzende der LINKEN sagt, der Begriff des Unrechtsstaats beziehe sich „ausschließlich auf das Fehlen von freien Wahlen und auf die Willkür der Machthaber“. Geht der allumfassende Gestaltungsanspruch in Ordnung? Es gilt hellhörig zu werden, wenn ihr Stellvertreter, Steffen Dittes, die Kommunistische Plattform verteidigt oder bedauert, die gesellschaftspolitischen und bundespolitischen Rahmenbedingungen würden den Wandel einschränken, aber natürlich wolle man die auch verändern. Wandel mit welchem Ziel?

Hier berühren sich Vergangenheit und Zukunft. Zum Wesenskern der LINKEN gehören noch immer tiefe Eingriffe in den Bereich der Gesellschaft und der Wirtschaft: Ein übergriffiger Staat, der sich für klüger hält als die Einzelnen und die vielen widerstreitenden Kräfte einer pluralistischen Gesellschaft. Das unterscheidet die LINKE mit ihren kommunistischen Wurzeln übrigens deutlich von der SPD oder den Grünen – von der CDU sowieso, die den Einzelnen durch Bildung, soziale Förderung und gesicherte Rechte ermöglichen will, an den Früchten einer freien Gesellschaft und Wirtschaft Anteil zu haben. Der Unterschied mag in der praktischen Politik im Augenblick noch graduell sein, langfristig ist er entscheidend.

Wenn jetzt Frau Siegesmund schreibt, dass die Grünen darauf achten werden, dass die Linke sich an die Vereinbarung hält und diese preisen, dann klingt dies etwas hilflos. Schließlich haben sie sich bei der Vereinbarung mit der Linken austricksen lassen. Die führende Rolle und Verantwortung der SED, die 2009 noch klar benannt wurde, fehlt mittlerweile. Oder es sollte nur ein Placebo produziert werden, um den gesellschaftlichen und geschichtspolitischen Schwenk harmloser aussehen zu lassen.

Mit ihrer Entscheidung, einen Ministerpräsidenten der LINKEN in den Sattel zu heben, haben die SPD und die Grünen mehr als einen taktischen Schwenk vollzogen. Sie ordnen sich einem grundsätzlich anderen Politikansatz unter. Die LINKE versteht sich als Anker in einem Dreierbündnis und bestimmt damit auch den Radius, in dem sich das Schiff der Regierungspolitik in den Strömen der Zeit zukünftig bewegen soll. Thüringen soll nicht mehr aus der politischen Mitte heraus, sondern vom linken Rand her regiert werden. Es geht um einen fundamentalen Wandel mit Ansage. Ein Wandel, von dem keiner nachher sagen sollte, er hätte nicht gewusst, worauf er sich einlässt.

 

Namensartikel OTZ, 30.10.2014

Bürger hat uns knifflige Aufgabe gestellt

Bürger hat uns knifflige Aufgabe gestellt

Über die schwierige Patt-Situation im Landtag und den Willen der Union, das Bündnis mit der SPD fortzusetzen, sprach Volkhard Paczulla (OTZ 18.9.2014)

Die neue CDU-Fraktion im Landtag hat ihre erste Sitzung schon hinter sich. Wie war die Stimmung?

Gut. Nicht nur, weil wir jetzt vier Sitze mehr und den Fraktionsvorsitzenden Mike Mohring erneut nominiert haben. Vor allem unsere 13 neuen Abgeordneten freuten sich sichtlich, dass ihre Kandidatur erfolgreich war. Sie wurden in der Fraktion herzlich begrüßt.

Mal ehrlich, Herr Voigt: So richtig zufrieden können Sie nicht sein mit dem Wahlergebnis. Rot-Rot-Grün ist noch genauso möglich wie das CDU-Ziel, die Koalition mit der SPD fortzusetzen. Glimmt da kein Fünkchen Selbstkritik?

Ich darf daran erinnern, dass Rot-Rot-Grün den Umfragen zufolge einen Vorsprung von bis zu zehn Landtagssitzen hatte. Dieser Vorsprung ist dann im Sommer immer mehr zusammengeschmolzen. Die CDU ist wieder die stärkste Kraft im Parlament, und wir konnten von allen im Landtag vertretenen Parteien am stärksten zulegen. Auch in Ostthüringen ist die Union deutlich der Wahlsieger. Das ist ein klarer Gestaltungsauftrag, den uns die Wähler gegeben haben.

Aber zum Regieren wird die SPD gebraucht. Sie selbst werden mit am Tisch sitzen, wenn es jetzt in die Sondierungs­gespräche geht. Bekommen Sie den Rollenwechsel vom Wahlkämpfer zum Diplomaten so schnell hin?

Wir wollen mit den SPD-Vertretern partnerschaftlich besprechen, wie eine künftige Zusammenarbeit aussehen kann. Ich gebe zu, dass uns die Bürger Thüringens vor eine knifflige Aufgabe gestellt haben. Wir müssen aus einer denkbar knappen Stimmenmehrheit eine stabile und verlässliche Regierung formen. Eine, die in den kommenden fünf Jahren hält und das Land weiter voranbringt. Das ist es, was die Wähler erwarten. Eine solide, verlässliche Vertretung Thüringer Interessen.

Die SPD wird wohl noch mehr Zugeständnisse erwarten als vor fünf Jahren. Wo setzen Sie das Stoppschild im Verhandlungspoker?

Ich halte nichts davon, schon am Beginn solcher Gespräche zu erklären, was auf gar keinen Fall geht oder wer welches Ministerium bekommen soll. Zunächst muss es darum gehen, eine gemeinsame inhaltliche Leitidee zu formulieren, ein gemeinsames Projekt, das die nächsten fünf Regierungsjahre ausfüllt. Es geht darum, den Freistaat zukunftsfest zu machen. Die SPD weiß, dass sie bei dieser Aufgabe in uns einen belastbaren Partner hat. Und wir alle wissen, dass wir Thüringen nicht so lange wählen lassen können, bis uns das Ergebnis besser passt.

Das Ergebnis reicht auch, um die Union auf die Oppositionsbank zu schicken. Schieben Sie den Gedanken einfach beiseite?

Die Sozialdemokraten und wir können eine Partnerschaft des Fortschritts und der Verantwortung bilden. Diese Chance sollten wir nutzen. Außerdem bieten wir auch den Grünen Gespräche an. Sie könnten vielleicht dazu beitragen, die Stimmenbasis einer soliden Politik der Nachhaltigkeit zu verbreitern. Das wäre mal eine echte Innovation im deutschen Parteiengefüge.

Die Innovation im Landtag heißt AfD, die elf Abgeordnete stellt. Wie werden Sie mit denen umgehen?

Die AfD ist nun eine parlamentarische Kraft. Das zu ignorieren, macht keinen Sinn. Wir werden uns mit ihren politischen Inhalten auseinandersetzen. Aber es sind schon viele hoch gesprungen und dann doch flach gelandet.

Kein Lagerwahlkampf, aber klar sagen, worum es geht

Kanzlerin Angela Merkel kommt heute nach Jena, obwohl sie es eilig hat, zur deutschen Nationalelf nach Brasilien zu fliegen. Wie haben Sie denn das geschafft?
Ich habe mich extra noch mal vergewissert: Die Kanzlerin kommt. Ihre Zusage steht. Das wird also die richtige „Motivation“ für unseren Wahlkampfstart und zugleich fürs WM-Finale.

Kein Delegierten-Parteitag, sondern zum ersten Mal eine „Thüringenversammlung“. Wollen Sie damit Stärke demonstrieren?
Wir sind Mitmachpartei und wollen mit denen reden, um die es geht. Nach einer Internet- und einer Postkartenaufforderung, sich mit Ideen, Anmerkungen und Vorschlägen zu beteiligen, erreichten uns knapp 1100 Rückmeldungen. Zusätzlich haben wir Vereine und Verbände gebeten, ihre Vorstellungen zur Zukunft Thüringens darzulegen. Man kann sagen, das Programm, das wir den Thüringenplan nennen, ist gemeinsam mit den Bürgern geschrieben worden. Der CDU-Landesvorstand und unsere Kreisvorsitzenden haben das Papier bereits beschlossen. Einstimmig.

Vieles darin klingt wie weiter so. Reicht das aus?
Thüringen hat sich hervorragend entwickelt. Die Leute haben Arbeit, wir sind das sicherste Bundesland und achten auf Chancen für alle. Das soll so bleiben. Unser Programm ist sehr konkret, wo andere nur schwammig bleiben, um sich nicht angreifbar zu machen. Die Thüringer Union bekennt sich klar zu einer Schuldenbremse in der Verfassung, zur gezielten Förderung von Wirtschaft, Wissenschaft und Handwerk, zu Schulnoten und der Beibehaltung von Regelschule und Gymnasium, zu Generationengerechtigkeit und Landkreisen, die wir nicht zu anonymen Großkreisen machen werden. Die Linke will Gymnasium und Regelschule schleifen und Cannabis-Klubs einführen. Das ist nicht das Thüringen, das wir uns vorstellen.

Ist es klug, nach fünf Jahren Koalition mit der SPD einen Lagerwahlkampf aufzuziehen? Wer bleibt dann als möglicher Koalitionspartner?
Kein Lagerwahlkampf, aber wir sagen klar, worum es geht. Bekannt ist doch, dass es rot-rote Geheimtreffen auf der Bundesebene gibt und ebenso geheime rot-rot-grüne Gesprächsrunden bei uns im Land. Thüringen soll offenbar als Experimentierfeld dafür herhalten, was künftig im Bund möglich ist. Wir werden am 14. September also darüber entscheiden, ob unser Land ­seine stabile Entwicklung fortsetzen kann oder zum Versuchslabor wird.. Das weiß natürlich auch Angela Merkel . Ich bin sehr froh, dass sie heute in Jena dabei sein kann.

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