Der Thüringer CDU-Landtagsfraktionschef Voigt im Interview mit der Thüringer Allgemeinen und OTZ über verschiedene Kategorien von Flüchtlingen und ein Bundespflichtjahr.

Was ist der Unterschied zwischen einer afghanischen Familie, die vor den Taliban flieht und einer ukrainischen Familie, die vor Putins Truppen Asyl sucht?

Als Christ sind für mich alle Menschen gleichwertig. Aber um es mit Joachim Gauck zu sagen: Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich. Mit Ihrer Frage versuchen Sie, die Flüchtlingssituation im Jahr 2015 mit der von heute zu vergleichen. Da sehe ich schon einen Unterschied.

Nein. Meine Frage zielt darauf, dass Sie das Aufnahmeprogramm für afghanische Flüchtlinge aus dem Etat gekürzt haben – und nun ukrainische Flüchtlinge begrüßen.

Thüringen wird jetzt – genauso wie 2015 und in den Jahren danach – selbstverständlich seinen Beitrag im Rahmen eines europäischen und nationalen Mandats leisten. Dazu hat die CDU immer gestanden. Was wir ablehnen, ist ein Aufnahmeprogramm als ideologischer Versuch von Rot-Rot-Grün, einen Thüringer Sonderweg gegen den Bund zu betreiben. Im Gegensatz zu 2015 haben wir jetzt aber einen brutalen Eroberungskrieg mitten in Europa. Und wir stehen in der Pflicht, unseren Miteuropäern zu helfen. Klick um zu Tweeten Das ist schon etwas anderes…

… als bei den Mitmenschen 2015?
Es geht darum, Europäern im Krieg zu helfen. 2015 hatte ich die Erstaufnahmeeinrichtung Thüringens in meinem Wahlkreis: Ich weiß genau, wie es damals zuging.

Was wollen Sie damit sagen?
Aktuell erwarten wir vor allem Frauen und Kinder direkt aus einem Kriegsgebiet, das mitten in Europa liegt. Die Männer bleiben zumeist zurück, um für die Freiheit ihres Landes zu kämpfen, auch unsere Freiheit. 2015 habe ich auch andere Erfahrungen gemacht: Es kamen überwiegend junge, männliche Migranten aus Drittländern. Dennoch habe ich aus humanitärer Überzeugung immer Angela Merkels Politik unterstützt. Grundgesetz und die Flüchtlingskonvention gelten uneingeschränkt für alle.

Warum meinten Sie dann, dass das jetzt„etwas anderes“ sei als 2015?
Ganz einfach: Alle Ukrainer besitzen ein gültiges Visum für 90 Tage, das auf 180 Tage verlängert werden kann. Deshalb sollten sie auch nicht im Erstaufnahmelager in Suhl untergebracht werden. Wir geben ihnen Unterkunft und sie sollten hier eine generelle Arbeitserlaubnis bekommen. Als europäische Mitbürger müssen die Menschen aus der Ukraine Vorrang genießen.

Auch bei der finanziellen Unterstützung?
Wir fordern, dass alle freien Mittel im Etat des Migrationsministeriums gebündelt werden, um Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen und zu unterstützen. Wenn das Geld nicht reichen sollte, sind wir im Landtag zu Gesprächen bereit.

Weil wir gerade über Geld reden: Die Bundesregierung will die Bundeswehr deutlich besser finanzieren, mit zusätzlich 100 Milliarden Euro. Einverstanden?
Ja. Es ist gut, dass SPD und Grüne ihre moralisierende Außen- und Sicherheitspolitik an die Wirklichkeit anpassen.

Wie bitte? Wurden nicht Bundeskanzlerin, Verteidigungsminister und oft auch Finanzminister 16 Jahre von der Union gestellt?
Und der Wehretat ist auch wieder gewachsen seit 2014. Dennoch hat sich die SPD gegen die Nato-Vereinbarung gewehrt, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Aber ich will in dieser Situation keine Parteipolitik machen . . .

Ach ja?
Es ist doch so: Wir müssen uns jetzt alle gemeinsam auf die wirklich wichtigen Dinge besinnen und sollten keine Minderheits- und Nischendebatten führen. Klick um zu Tweeten

Welche Debatten meinen Sie denn?
Nebendiskussionen um das dritte Geschlecht oder linke Identitätspolitik nehmen aus meiner Sicht einen viel zu breiten Raum ein.

Wann hat denn diese Diskussion zum Beispiel im Thüringer Landtag stattgefunden?
Zu oft. Wir müssen wieder mehr über Infrastruktur, Bildung, Sicherheit reden.

Auch über die Rückkehr der Wehrpflicht?
Ich bin für ein Gesellschaftsjahr für jede junge Frau und jeden jungen Mann.

Gesellschaftsjahr? Sie meinen ein Bundespflichtjahr, entweder bei der Bundeswehr oder zivil?
Ein Jahr Dienst für das Gemeinwohl schadet niemandem. Aufgaben gibt es genug: Bundeswehr, Naturschutz, Soziales. Klick um zu Tweeten Am Ende muss aber auch über Versorgungssicherheit in der Energie geredet werden, beispielsweise über die Verlängerung der Laufzeiten der Kohle- und Kernkraftwerke.

Sie wären für beides? Längere Laufzeiten Kohle und Atom?
Wir brauchen jedenfalls eine offene gesellschaftliche Debatte darüber, ohne ideologische Scheuklappen. Wir müssen die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen beenden.
Das ist eine Bundesdebatte. Sie könnten auch im Land dafür etwas tun: Zum Beispiel Ihre Haltung bei der Windenergie ändern – der „Freiheitsenergie“, wie FDP-Chef Christian Lindner sagte.
Der Begriff ist absurd, genauso wie das Denken in Flächen statt in Energieleistung. Oftmals ist ein Repowering, also eine Modernisierung der bestehenden Anlagen, deutlich effizienter und schafft keine zusätzlichen Belastungen für die Anwohner. Darauf sollten wir uns erst einmal konzentrieren.

Und bis dahin wollen Sie amerikanisches Fracking-Gas per Dieseltanker importieren?
Uns wird gar nichts anderes übrigbleiben, als auf einen Energiemix zu setzen und Brückentechnologien zu erhalten, wenn Energie bezahlbar bleiben soll. Im Zweifel steht die Versorgungssicherheit über dem Klimaschutz. Der Glaube, dass wir in den nächsten Jahren allein mit erneuerbaren Energien den Ausfall der russischen Energielieferungen ausgleichen können, ist völlig naiv.

Sie sagten vorhin, dass sich die Politik jetzt gemeinsam auf die wirklich wichtigen Dinge besinnen sollte. Heißt das, dass die CDU im Thüringer Landtag jetzt die rot-rot-grüne Landesregierung bis 2024 stützt? Oder wird das Spiel der Mal-so-mal-so-Tolerierung fortgesetzt?
Die CDU ist neu aufgestellt und Reformmotor für Thüringen. Das haben wir beim Haushalt für 2022 bewiesen: im Gesundheitssystem, beim Kommunalen Finanzausgleich oder für den ländlichen Raum. Wir sind Antreiber einer Landesregierung, die… Klick um zu Tweeten Jetzt müssen wir sehen, ob Rot-Rot-Grün sich diesmal an die Beschlüsse hält oder wieder die von uns initiierten Vorhaben behindert oder ignoriert.

so erschienen in der Thüringer Allgemeinen und Ostthüringer Zeitung am 3.3.2022

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