Wir müssen unseren ukrainischen Freunden helfen

Wir müssen unseren ukrainischen Freunden helfen

Der Thüringer CDU-Landtagsfraktionschef Voigt im Interview mit der Thüringer Allgemeinen und OTZ über verschiedene Kategorien von Flüchtlingen und ein Bundespflichtjahr.

Was ist der Unterschied zwischen einer afghanischen Familie, die vor den Taliban flieht und einer ukrainischen Familie, die vor Putins Truppen Asyl sucht?

Als Christ sind für mich alle Menschen gleichwertig. Aber um es mit Joachim Gauck zu sagen: Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich. Mit Ihrer Frage versuchen Sie, die Flüchtlingssituation im Jahr 2015 mit der von heute zu vergleichen. Da sehe ich schon einen Unterschied.

Nein. Meine Frage zielt darauf, dass Sie das Aufnahmeprogramm für afghanische Flüchtlinge aus dem Etat gekürzt haben – und nun ukrainische Flüchtlinge begrüßen.

Thüringen wird jetzt – genauso wie 2015 und in den Jahren danach – selbstverständlich seinen Beitrag im Rahmen eines europäischen und nationalen Mandats leisten. Dazu hat die CDU immer gestanden. Was wir ablehnen, ist ein Aufnahmeprogramm als ideologischer Versuch von Rot-Rot-Grün, einen Thüringer Sonderweg gegen den Bund zu betreiben. Im Gegensatz zu 2015 haben wir jetzt aber einen brutalen Eroberungskrieg mitten in Europa. Und wir stehen in der Pflicht, unseren Miteuropäern zu helfen. Klick um zu Tweeten Das ist schon etwas anderes…

… als bei den Mitmenschen 2015?
Es geht darum, Europäern im Krieg zu helfen. 2015 hatte ich die Erstaufnahmeeinrichtung Thüringens in meinem Wahlkreis: Ich weiß genau, wie es damals zuging.

Was wollen Sie damit sagen?
Aktuell erwarten wir vor allem Frauen und Kinder direkt aus einem Kriegsgebiet, das mitten in Europa liegt. Die Männer bleiben zumeist zurück, um für die Freiheit ihres Landes zu kämpfen, auch unsere Freiheit. 2015 habe ich auch andere Erfahrungen gemacht: Es kamen überwiegend junge, männliche Migranten aus Drittländern. Dennoch habe ich aus humanitärer Überzeugung immer Angela Merkels Politik unterstützt. Grundgesetz und die Flüchtlingskonvention gelten uneingeschränkt für alle.

Warum meinten Sie dann, dass das jetzt„etwas anderes“ sei als 2015?
Ganz einfach: Alle Ukrainer besitzen ein gültiges Visum für 90 Tage, das auf 180 Tage verlängert werden kann. Deshalb sollten sie auch nicht im Erstaufnahmelager in Suhl untergebracht werden. Wir geben ihnen Unterkunft und sie sollten hier eine generelle Arbeitserlaubnis bekommen. Als europäische Mitbürger müssen die Menschen aus der Ukraine Vorrang genießen.

Auch bei der finanziellen Unterstützung?
Wir fordern, dass alle freien Mittel im Etat des Migrationsministeriums gebündelt werden, um Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen und zu unterstützen. Wenn das Geld nicht reichen sollte, sind wir im Landtag zu Gesprächen bereit.

Weil wir gerade über Geld reden: Die Bundesregierung will die Bundeswehr deutlich besser finanzieren, mit zusätzlich 100 Milliarden Euro. Einverstanden?
Ja. Es ist gut, dass SPD und Grüne ihre moralisierende Außen- und Sicherheitspolitik an die Wirklichkeit anpassen.

Wie bitte? Wurden nicht Bundeskanzlerin, Verteidigungsminister und oft auch Finanzminister 16 Jahre von der Union gestellt?
Und der Wehretat ist auch wieder gewachsen seit 2014. Dennoch hat sich die SPD gegen die Nato-Vereinbarung gewehrt, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Aber ich will in dieser Situation keine Parteipolitik machen . . .

Ach ja?
Es ist doch so: Wir müssen uns jetzt alle gemeinsam auf die wirklich wichtigen Dinge besinnen und sollten keine Minderheits- und Nischendebatten führen. Klick um zu Tweeten

Welche Debatten meinen Sie denn?
Nebendiskussionen um das dritte Geschlecht oder linke Identitätspolitik nehmen aus meiner Sicht einen viel zu breiten Raum ein.

Wann hat denn diese Diskussion zum Beispiel im Thüringer Landtag stattgefunden?
Zu oft. Wir müssen wieder mehr über Infrastruktur, Bildung, Sicherheit reden.

Auch über die Rückkehr der Wehrpflicht?
Ich bin für ein Gesellschaftsjahr für jede junge Frau und jeden jungen Mann.

Gesellschaftsjahr? Sie meinen ein Bundespflichtjahr, entweder bei der Bundeswehr oder zivil?
Ein Jahr Dienst für das Gemeinwohl schadet niemandem. Aufgaben gibt es genug: Bundeswehr, Naturschutz, Soziales. Klick um zu Tweeten Am Ende muss aber auch über Versorgungssicherheit in der Energie geredet werden, beispielsweise über die Verlängerung der Laufzeiten der Kohle- und Kernkraftwerke.

Sie wären für beides? Längere Laufzeiten Kohle und Atom?
Wir brauchen jedenfalls eine offene gesellschaftliche Debatte darüber, ohne ideologische Scheuklappen. Wir müssen die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen beenden.
Das ist eine Bundesdebatte. Sie könnten auch im Land dafür etwas tun: Zum Beispiel Ihre Haltung bei der Windenergie ändern – der „Freiheitsenergie“, wie FDP-Chef Christian Lindner sagte.
Der Begriff ist absurd, genauso wie das Denken in Flächen statt in Energieleistung. Oftmals ist ein Repowering, also eine Modernisierung der bestehenden Anlagen, deutlich effizienter und schafft keine zusätzlichen Belastungen für die Anwohner. Darauf sollten wir uns erst einmal konzentrieren.

Und bis dahin wollen Sie amerikanisches Fracking-Gas per Dieseltanker importieren?
Uns wird gar nichts anderes übrigbleiben, als auf einen Energiemix zu setzen und Brückentechnologien zu erhalten, wenn Energie bezahlbar bleiben soll. Im Zweifel steht die Versorgungssicherheit über dem Klimaschutz. Der Glaube, dass wir in den nächsten Jahren allein mit erneuerbaren Energien den Ausfall der russischen Energielieferungen ausgleichen können, ist völlig naiv.

Sie sagten vorhin, dass sich die Politik jetzt gemeinsam auf die wirklich wichtigen Dinge besinnen sollte. Heißt das, dass die CDU im Thüringer Landtag jetzt die rot-rot-grüne Landesregierung bis 2024 stützt? Oder wird das Spiel der Mal-so-mal-so-Tolerierung fortgesetzt?
Die CDU ist neu aufgestellt und Reformmotor für Thüringen. Das haben wir beim Haushalt für 2022 bewiesen: im Gesundheitssystem, beim Kommunalen Finanzausgleich oder für den ländlichen Raum. Wir sind Antreiber einer Landesregierung, die… Klick um zu Tweeten Jetzt müssen wir sehen, ob Rot-Rot-Grün sich diesmal an die Beschlüsse hält oder wieder die von uns initiierten Vorhaben behindert oder ignoriert.

so erschienen in der Thüringer Allgemeinen und Ostthüringer Zeitung am 3.3.2022

Das Comeback der CDU

Das Comeback der CDU

Wenn die CDU am kommenden Wochenende ihren dritten Bundesvorsitzenden in vier Jahren wählt, fragen sich viele: Findet die CDU wieder zurück zu alter Stärke? Wie sieht das Comeback der CDU aus?

Die Bundestagswahlen waren ein Denkzettel für die Union: Erstmals seit 1953 gaben der CDU weniger als 10 Millionen Wähler ihre Stimme. Man kann verlieren, aber ob eine Partei Zukunft und Charakter hat, zeigt sich wie sie mit Niederlagen umgeht. Und wie sie wieder aufsteht, wenn sie hingefallen ist. Der Machtverlust darf nicht zu einer Lähmung führen, sondern muss neue Ideen und Kreativität entfesseln. Die Union muss nun nicht mehr im Sinne einer Machtmaschine funktionieren, sondern kann sich einer Art Generalinspektion unterziehen.

Es klingt geradezu revolutionär und ein bisschen verrückt, aber nun besteht für die Möglichkeit, Positionen und Themen neu zu denken und sich auf Werte und Haltungen zurückzubesinnen. Für welche Punkte steht die CDU, die sie von anderen unterscheidet?

Das Comeback der CDU wird nur über programmatische Frische und Erneuerung gelingen. Für die CDU muss es um den Anspruch der geistigen Führung gehen, die eine Aufstiegs-Erzählung von ganz Deutschland mit dem Mut der Auseinandersetzung um den besten Weg verbindet. Klick um zu Tweeten

 

1. Geistige Führung eines verunsicherten Landes

Die CDU ist Opfer ihres eigenen Erfolges geworden. 16 Jahre Regierung bedeutet auch gesellschaftliche Konflikte im Regierungspragmatismus zu relativieren. Im Wahlkampf fehlte der CDU das programmatische Alleinstellungsmerkmal und die Unverwechselbarkeit. Doch will sie nicht den Weg anderer europäischer christlich-demokratischer Parteien von Italien, Frankreich oder Belgien in die Marginialisierung gehen, dann muss sie sich um die geistige Meinungsführerschaft in gesellschaftlich-politischen Debatten kümmern.

Die Zeit dafür ist reif. Gesellschaftliche Konflikte entladen sich in polarisierten und moralisierten Debatten. Während der SPD-Parteivorsitzende das Sozialdemokratische Jahrzehnt anbrechen sieht, will die AfD die Spaltung der Bürgerlichen und der Union. Deswegen muss der gesellschaftliche Interpretationskampf der CDU in der Mitte gegen die SPD/Grünen und nach rechts gegen die AfD geführt werden.

Die alte, sozialökonomische Sicht bei SPD/Grünen/Linke ist passe – sie reden dem kulturellen Wandel aus einer Position der vermeintlichen moralischen Überlegenheit das Wort. In ihrem verabsolutierten Zeitgeist unterscheiden sie zwischen legitimen und nicht legitimen Sorgen. Erlaubt ist etwa die Angst vor der Klimakatastrophe oder vor dem Atomtod. Nicht erlaubt, ist die Angst mancher Bürger in der Globalisierung die eigene Identität zu verlieren. Hier setzt die AfD an, die sich als anti-institutionelle und ausländerfeindliche Populismusbewegung radikalisiert hat.

Beide Seiten machen die gesellschaftliche Unsicherheit zum Thema. Sie stehen für unterschiedliche Schattierungen des Status quo in einer sich wandelnden Welt. Ihr Blick auf Deutschland ist geprägt von einer Gesellschaft der Opfer und Minderheiten: diskriminierte Migranten, rechte Wutbürger, linke Flüchtlingshelfer, Abgehängte, Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger…

Doch wo ist das einigende Band? Wo die einende Gegenkraft zur linken und rechten Identitätspolitik?

Politik in einem polarisierten Umfeld funktioniert langfristig nicht ohne eine eigene kraftvolle Positionierung. Die CDU kann Sicherheit und Orientierung bieten, wenn sie es versteht, zu bewahrendes mit dem neuen zu verbinden. Doch dafür muss die CDU wieder den Weg nach Normalo-Deutschland suchen (Road to Somewhere).

 

2. Aufstiegserzählung für ganz Deutschland

Es braucht eine programmatische Erneuerung der CDU. Eine starke und verbindende Erzählung muss in den Blick nehmen, was das Anliegen und die Antworten christlich-demokratischer Politik ist. Im Zentrum steht: wie wollen wir in Deutschland miteinander leben.

Die CDU muss den tatsächlichen oder vermeintlichen Konflikt zwischen den unterschiedlichen Erwartungen der eher lokal verwurzelten, in Werten wie Familie, Heimat und Nation denkenden seßhaften Normalbürgern (Somewhere) und der gut ausgebildeten, mobilen und global denkenden großstädtischen Elite (Anywheres) auflösen. Es geht um ein Zielfoto oder Vision in der „sinnentleerte Bequemlichkeitsdemokratie“ (Oberreuter), die eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne, Heimatbedürfnis und globalem Fortschritt bietet.

Für die CDU muss es, um Deutschland als gemeinsame Aufstiegsgesellschaft gehen – für das Land und den einzelnen. Ob Angestellter, Arbeiter oder Selbständiger, ob Ost oder West.

Es geht dabei aber nicht nur um Identität, sondern auch Gerechtigkeit. In Deutschland haben soviel Menschen Arbeit wie nie zuvor. In der breiten Mitte unserer Gesellschaft existieren aber eine Frustration und das Gefühl, dass unterm Strich immer weniger übrig bleibt und Deutschland absteigt.

Bei der Mittelschicht entspricht die gefühlte Lage auch dem tatsächlichen Bild: Schließlich haben Sozialstaatsversprechen der Politik und die Corona-Kosten das Gros der Finanzierung der Staatsausgaben bei ihr abgeladen: staatliche Ungerechtigkeiten und Eingriffe von Energiesteuern über Mietpreisbremse bis Dauerbürokratie. Es droht das „Ende der Mittelschicht“ (Daniel Goffart), wenn nicht mehr alle an der Wohlstandsgemeinschaft Deutschland beteiligt sind.

Mittlerweile arbeitet jeder Vierte im Niedriglohnsektor; im Osten sogar fast ein Drittel. Es macht sich eben der Fleiß und die Anstrengung nicht bemerkbar, wenn fast 4 Millionen Menschen vollwertig lohnabhängig beschäftigt sind und trotzdem Sozialleistung in Anspruch nehmen müssen – vom Verkäufer über den LKW-Fahrer bis zum Pfleger.

Deutschland und seine Bürger brauchen wieder den Glauben an den gemeinsamen Erfolg. Für die CDU geht es um eine Aufstiegserzählung, indem der große Teil der Deutschen wieder gemeinsam nach oben fährt und vom wirtschaftlichen und ideelen Wachstum profitiert. Klick um zu Tweeten

In dieser Diskussion um die Gesellschaft des Aufstiegs liegen alle politischen Zukunftsfelder, gesellschaftliche Konfliktlinien und Gerechtigkeitsdiskussion offen zu tage:

  • wie kann eine neue Bildungsinitiative aussehen, die Chancen für Wissen und Qualifizierung in der Digitalisierung bieten,
  • welche Politik stärkt die Familien und die Kinder wirklich und macht sie nicht nur zum Spielball wirtschaftlicher Notwendigkeiten,
  • wie beleben wir die Ordnung der sozialen Marktwirtschaft und der bürgerlichen Wettbewerbsgesellschaft gegen den linken wie rechten Staatsinterventionismus,
  • welche Rentenversprechen können wir in einer wandelnden Arbeitswelt abgeben?
  • wie kann Deutschland seine kleine Dörfer und Städte als Zukunftsmagneten entwickeln,
  • wo soll der Strompreis in zehn Jahren stehen mit einer engagierten Klimapolitik stehen und was bedeutet das für den Industriestandort Deutschland oder die Mittelschicht-Familie,
  • welche Migration wollen wir und wo sehen wir integrative Grenzen,
  • wie sieht Deutschlands Rolle in Europa und in der Welt aus,

Die CDU muss aus ihren Grundüberzeugungen des christlichen Menschenbildes moderne, wertegebundene Antworten formulieren. In einer solchen Diskussion führt die „alte Gesässgeografieführt in die Irre. Denn was, bitte schön, ist an vernünftiger Sozialpolitik links, was am klassischen Familienbild rechts? Aber es geht um den Mut zur Auseinandersetzung.

 

3. Mut zur Auseinandersetzung

Gesellschaftlich ist etwas ins Rutschen geraten. Man merkt es im Privaten, wo vielmehr über Politik gestritten und man Bekannte und Freunde neu in ihren Ansichten kennenlernt. Corona hat die Emotionen weiter hochkochen lassen. Politik wird vorgeworfen, taub für echte Probleme zusein, Menschen demonstrieren, in sozialen Medien radikalisieren sich Meinungen und Stimmen – ein Unbehagen greift Platz. Will die Volkspartei CDU für ihre Vorstellungen von Staat und Gesellschaft eine Mehrheit gewinnen, darf sie sich bei den Diskussionen nicht wegducken. Andreas Rödder beschreibt zu recht über die CDU: Eine intellektuell satisfaktionsfähige Partei kann unterschiedliche Positionen vertreten, die man mal für eher links und mal für eher rechts halten würde, aber sie darf nicht permanent nur im Kielwasser des Mainstreams fahren.

Eine Ampel aus SPD, Grüne und FDP bedeutet eine Großstadt-Koalition. Das wird die politisch-kulturelle Spaltung im Land nur vergrößern. Die Volkspartei CDU sollte sich nicht an einer falschen politischen Korrektheit beteiligen, mit der objektive Probleme verleugnet oder verschwiegen werden. Kurt Tucholsky beschrieb dies einmal so: „Der deutsche Krach unterscheidet sich von allen anderen Krachs der Welt dadurch, dass er sich niemals mit dem Einzelfall begnügt. Es wird immer gleich alles Prinzipielle miterledigt.“

Die Union sollte den Krach suchen und erklären, für welche offene Gesellschaft sie steht. Daher geht es in der Debatte nicht um Lackierarbeiten am Partei-Image, sondern um einen Kampf um die Stimmung im Land, um eine inhaltliche Schärfung und das Besetzen von Begriffe wie Respekt, Leistung, soziale Marktwirtschaft, Gerechtigkeit, Subsidarität.

Über solche Diskussionen gewinnt man auch die Deutung in ganz Deutschland. Mancher Ostdeutsche empfindet sich heute als „deutscher“ als die meisten Westdeutschen. Daraus erwächst ein Aufbegehren und eine Verteidigung der Heimat, der noch durch die Empfindung eines komplett westdeutschen Diskurses in den Medien und der Öffentlichkeit empfunden wird. Insofern überrascht es nicht, wenn ein Teil der Ostdeutschen längst abgestreifte DDR-Erfahrungen des nicht öffentlich sondern nur privat Sagbarem im Mantel von linksliberalen, westdeutschen Sprachkonventionen wiederentdecken.

Der CDU gelingt das Comeback, wenn sie sich anhaltenden Auseinandersetzung, die in der ganzen Gesellschaft geführt werden, offen und ehrlich stellt, geistige Meinungsführerschaft sucht und den Weg in eine Aufstiegsgesellschaft beschreibt. Die Sehnsucht nach einer politischen Kraft, die ordnet, deutet und löst ist groß.

Ist die CDU gewillt, mit Debatten und einem neuen Grundsatzprogramm diese Aufgabe anzugehen, wird sie zur starken Mitte und führenden Partei, die das intellektuelle und moralische Rückgrat unserer pluralistischen Demokratie bildet.

Die CDU im Osten nach der Wahl

Die CDU im Osten nach der Wahl

Wahlen können nicht im Osten gewonnen werden, aber sie können im Osten verloren gehen. Nachdem Reiner Haseloff und die CDU Sachsen-Anhalt im Sommer noch mit über 37 Prozent gewann, verlor die CDU flächendenkend in den neuen Bundesländern. Von ehemals 44 gewannen noch sieben Christdemokraten ihre Mandat zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen direkt. Damit geht die Partei der deutschen Einheit geschwächt in die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. Von der Schwäche der CDU profitierte aber nicht die AfD. Sie ersetzt zwar mittlerweile die Linke als ostdeutsche Protestpartei, aber das Wahljahr zeigte ihr auch deutliche Grenzen auf. In Sachsen und Thüringen landete sie zwar auf Platz 1, doch die Zugewinne blieben aus.

Die Wahlen wurden in der Mitte entschieden und da profitierte die SPD von der Schwäche der CDU. Klick um zu Tweeten

Veränderungen der Ergebnisse zur letzten Bundestagswahl

Ergebnisse der Parteien bei den letzten Bundestagswahlen nach Ost und West

Drei Gründe erklären den Wahlausgang der Union im Osten:

Erstens, die Themen des Ostens kamen zu wenig vor.

Keine Partei konnte ein überzeugendes inhaltliches Angebot vortragen, welches die Themen im Osten aufgriff. Doch von der CDU erwarten die Bürger, dass sie Ihnen den kleinen Wohlstand sichern und ihre Sorgen ernst nimmt. Seit einiger Zeit haben uns die Leute als kleineres Übel gewählt, aber nicht weil die CDU sie vom Sitz gerissen hat. Es klingt eben nicht als Verheißung ostdeutscher Familien, wenn beide Elternteile berufstätig, auf das Auto angewiesen sind und dann der Benzinpreise auf zwei Euro zusteuert. Oder es fragt sich ein ostdeutscher Arbeitnehmer zurecht, warum nach 30 Jahren Deutscher Einheit in West und Ost unterschiedliche Löhne für die selbe Tätigkeit bezahlt werden. Wenn das tägliche Leben teurer wird, Lehrer fehlen und die Internetverbindungen lahmt, sorgen sich die Menschen in unseren Dörfern und Kleinstädten weit mehr um grundlegendere Fragen als um die Transformation zu einem klimaneutralen Industrieland.

Doch wer die Dörfer und kleinen Städte verliert, verliert das Land. Klick um zu Tweeten

Zweitens, die Pandemie der Grundrechte.

Der Wunsch nach einer Neubewertung der Coronapolitik war im Osten deutlich größer als in den Altbundesländern. Die Menschen waren nach Monaten erschöpft und sahen sich immer wieder neuen Beschränkungen ausgesetzt. Im Gegenzug sollten Auflagen fallen, wenn alle ein Impfangebot haben. Aber das passierte nicht. Im Gegenteil: Es gab jetzt neue G-Regeln und im Verordnungs-Dschungel blickt niemand mehr durch. Natürlich sorgt das für Frust. Gerade die Menschen im Osten sind sehr sensibel, wenn es um ihre Grundrechte geht. Es ist nicht gelungen, die Perspektive für die Menschen zum Ausgangspunkt der Politik zu machen. Stattdessen attestierte der oberste Interessenvertreter der Ostdeutschen in der Bundesregierung, der Ostbeauftragte, dass die Menschen hierzulande „diktatursozialisiert sind“ und „auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind“. Das sich da Menschen angegriffen fühlten, kann nicht verwundern.

Schließlich gab es (k)eine „Union“

Fast zwei Jahre gab es Personaldebatten, wer Parteivorsitzender der CDU und als Kanzler Angela Merkel nachfolgen soll. Insbesondere die Zuspitzung zwischen Marcus Söder und Armin Laschet hat Kraft gekostet, die lange im Wahlkampf fehlte. Viel zu spät – erst kurz vor dem 26. September – versammelte sich die Union hinter ihrem Kandidaten.

Für die CDU bedeutet das:

1. Die Partei der deutschen Einheit sollte eine eine ständige Ostkonferenz einrichten, welche gemeinsam die Wahl analysiert und auch die Themen der CDU von Mecklenburg-Vorpommern bis nach Thüringen selbstbewusst voranbringt.

2. Wissenschaftliche Wahlanalyse mit Auswertung von Regionen und Wählergruppen, Kommunikationsmittel und Organisationsstruktur der CDU-Parteiarbeit.

3. Eine Unterstützung der Parteiarbeit und der besonderen Strukturen demokratischen Engagements in den neuen Bundesländern durch die Bundespartei.

Es sollte wieder losgehen – umsichtig und behutsam

Es sollte wieder losgehen – umsichtig und behutsam

Es herrscht große Unsicherheit darüber, was der Weg aus der Krise ist. Es sind schwierige politische Entscheidungen, die kein Virologe oder Unternehmer abnehmen kann. Durch das resolute Handeln in der ersten Phase geht die Zahl der neu laborbestätigten positiv auf Corona getestete Personen zurück, Reproduktionszahl liegt in Deutschland aktuell bei weniger als 1 und die Zahl der Genesenen steigt stetig an. Sollte die Quarantäne fortgesetzt werden? Wenn ja, wie lange? Sollte es eine pauschale Quarantäne für alle Regionen und Altersgruppen sein? Welche Systeme müssen vorhanden sein, um sicher neu zu starten? Sollten alle Wirtschaftssektoren gleich behandelt werden?
 
Also im Kern: Heben wir den Stillstand des öffentlichen Lebens nach den Osterferien auf – mit dem Risiko, dass die Infektionszahlen wieder hochschnellen? Oder verlängern wir den Shutdown und nehmen in Kauf, dass die Wirtschaft weiter in die Knie geht und Arbeitsplätze wegfallen?
 
Die Corona-Krise verändert die Welt. Noch vor wenigen Wochen lebten wir unser gewohnt geschäftiges Leben. Jetzt sind Dinge, die normal und selbstverständlich erscheinen – ein Abend mit Freunden, der Schulbesuch der Kinder oder der Weg zur Arbeit – nicht mehr möglich. Es besteht Unsicherheit über morgen; über die Gesundheit und Sicherheit unserer Familien, Freunde und Angehörigen; und über unsere Fähigkeit, das Leben zu leben, das wir lieben. Gleichzeitig wächst der Wunsch nach Normalisierung.  
 
Die geplanten Lockerungen dienen dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und ermöglichen wieder mehr wirtschaftliche Entwicklung. Gesundheit und Leben der Menschen stehen dabei an erster Stelle. Versucht man die Summe als den inzwischen zahlreichen, wissenschaftlich wohlbegründeten, jedoch keineswegs übereinstimmenden Empfehlungen zu ziehen, so spricht vieles für einen behutsamen, schrittweisen Neustart mit klaren Maßnahmen und Regeln. 
 
Unsere soziale und wirtschaftliche Erholung wird davon abhängen, wie es gelingt in den nächsten Monaten die wichtigsten Aufgaben anzugehen: Bekämpfung des Virus, Rettung des Lebensunterhalts unserer Bürger und Wiederherstellung des öffentlichen Lebens. 
 

1. Gesundheit der Bevölkerung und Bekämpfung des Virus 

 
Wenn das öffentliche Leben wieder sorgsam geöffnet wird, ist mit einem Anstieg der Übertragung zu rechnen. Glücklicherweise verfügt Deutschland über ein Gesundheitssystem, das stark genug ist, um Fälle zu erkennen, darauf zu reagieren und neue Fälle zu verhindern. Unser Ziel muss sein, dieses Risiko zu minimieren und mögliche Konsequenzen beherrschbar zu halten. Folgende Punkte können dazu beitragen:
 
  • ausreichende medizinische Kapazität, insbesondere auf Intensivstationen, einschließlich ausgebildeter Ärzte, Pfleger und Betten,
  • ausreichend Schutzkleidung für Ärzte und Pfleger muss vorhanden sein,
  • eine Schnelltestinitiative für COVID-19, um infizierte und immune Menschen so gut wie möglich zu identifizieren,
  • technologische Wege zur effektiven Identifizierung und Isolierung von Fällen, einschließlich digitaler Tools für den Echtzeitaustausch kritischer Daten,
  • Aufklärung der Öffentlichkeit durch die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse,
 
Verschleppte Arztbesuche, Operationen und Krankheiten werden das konventionelles System fordern. Deswegen brauchen wir in diesem Jahr eine eigene Säule der Gesundheitsinfrastruktur: Coronaeinrichtungen, die Schwerpunktzentren für die Behandlung sind und das konventionelle System stärken. 
 
Die Gesundheitskrise ist noch nicht gebannt. Es wird eine zweite und dritte Welle geben. Der Herbst und Winter werden die Herausforderungen verschärfen und erneute Probleme mit sich bringen. Ohne einen Impfstoff oder eine wirksame prophylaktische Behandlung ist eine rasche Rückkehr zu einer zunehmenden Ausbreitung des Virus eine echte Bedrohung. Daher bedeuten die Sommermonaten wertvolle Zeit, um die Testkapazitäten und die Strukturierung des Gesundheitssystems aufzubauen.
 

2. Sicherung des Lebensunterhalts und der wirtschaftlichen Kraft

 
Ein funktionierendes Gesundheitssystem baut auf einem funktionierenden wirtschaftlichen. Vom wirtschaftlichen Weltmarktführer bis zum Friseur um die Ecken stehen Unternehmen vor der Herausforderung ihres Lebens. Mittelständler und Handwerker kämpfen um ihre Existenz, Arbeiter und Angestellten bangen um ihren Job. Ein Einbruch der Wirtschaftsleistung um zehn Prozent und eine Arbeitslosenquote von knapp sechs Prozent bei noch einmal mehr als zwei Millionen Kurzarbeitern liegen im Bereich des Möglichen. Mit allen schwerwiegenden Auswirkungen auf das gesellschaftlich leben. Diese Rezession hinterlässt deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt, bei den Selbstständigen und im Staatshaushalt. Den wirtschaftlichen Schock gilt es so weit zu verkürzen, wie es aus gesundheitlichen Gründen vertretbar ist.
 
Momentan leben wir davon, dass einige strategische Sektoren auch bei Quarantäne vollständig arbeiten – Gesundheitswesen, öffentliche Sicherheit, Lebensmittel, Medizin, Energie, Wasser, Gas und Kommunikation. Deutschland steht in vielerlei Hinsicht noch vergleichsweise gut da, doch mit jedem Tag steigt die Gefahr von irreparablen Schäden. Deswegen braucht es einen differenzierten Ansatz, der zwischen Sektoren und Regionen unterscheidet. 
 
Sektoren mit niedriger Ansteckungsgefahr müssten zuerst geöffnet werden und dann schrittweise weitere Bereiche folgen. Hochautomatisierte Fabriken, verarbeitenden Gewerbe und der Einzelhandel könnten zuerst starten, wenn sie dafür sorgen können, dass ihre Mitarbeiter und Kunden ausreichend Abstand halten. Damit die Angst nicht mitgeht in die Werkhalle, auf die Baustelle, den Laden oder in das Büro brauchen wir eine Schnelltestinitiative, die für möglichst viele möglichst schnell Sicherheit schafft
 
Auch eine Differenzierung nach Regionen scheint sinnvoll. Überall dort, wo der Infektionszeitraum stabil ist und wir bei 12 oder mehr Tagen liegen, kann man behutsam öffnen. Es spricht vieles dafür im ländlichen Raum eher zu öffnen, da das soziale Gefüge und die Bekanntheit in den Dörfern überschaubarer ist. 
 
Moderne Datenanalysen und Dashboards können dabei helfen, das Ausmaß der Infektionsbedrohung für gefährdete Bevölkerungsgruppen und -gebiete (Hotspots) zu verfolgen und vorherzusagen. Wichtig ist, dass wir auch in der Wirtschaft den Weg zur Öffnung mit klaren Maßgaben begleiten, um die Gesundheit der Arbeitnehmer und des Restes der Gemeinschaft zu gewährleisten. So sind Gesundheits- und Verhaltensregeln zu stärken, um das Potenzial für eine weitere Übertragung zu verringern und das Wiederauftreten neuer Fälle zu verhindern: Home-Office, hygiene- und gesundheitsorientierte Richtlinien, häufige Überwachung der Temperaturen der Menschen zur Früherkennung neuer Fälle, Meldung relevanter Informationen an die Gesundheitsbehörden und Durchsetzungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung.
 
Es geht um eine nationale Kraftanstrengung von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft, um die wirtschaftlichen Verwerfungen abzufangen.
Wir sollten diese Krise dafür nutzen, den Ballast an Bürokratie, Ideologie und Kleingeistigkeit abzuwerfen. Klick um zu Tweeten Zum Beispiel durch die vorübergehende Aussetzung belastender bürokratischen Regeln.
 
  • schnelle Bewilligung der Soforthilfen für Unternehmen bis zu 50 Mitarbeitern, 
  • Auffangprogramm für Start-ups und Azubis,
  • Sofortunterstützung und langfristigen Bürgschaften für Unter-nehmen zwischen 50 und 250 Mitarbeitern, in denen rund ein Fünftel der Thüringer Arbeitnehmer beschäftigt ist,
  • Sicherungsinitiative für Hotels und Gaststätten, sowie die Öffnung des Außenbetriebs von Gaststätten mit klaren Abstandsregeln,
  • zeitweise Vereinfachung des Vergabegesetzes, um durch zügige Auftragsvergabe der öffentlichen Hand Handwerk und Mittelstand zu stützen,
  • Sofortprogramm E-Government Thüringen, in dem alle krisenrelevanten Anträge digitalisiert, per E-Akte aufbereitet und in Datenbanken angelegt sind,
  • zügige Digitalisierung der Aufbaubank zur besseren Antragsverarbeitung,
  • Verluste des laufenden Jahres in der Steuererklärung für 2019 anrechenbar machen und so für Liquidität bei den Unternehmen sorgen. 
 

3. Das öffentliche Leben ermöglichen

 
Das öffentliche Leben muss Schritt für Schritt wieder normalisiert werden. Immer nach dem Grundsatz: So viel Freiheiten wie möglich und so viel bleibende Einschränkungen wie zur Vermeidung eines neuerlichen sprunghaften Anstiegs der Infektionszahlen erforderlich. Jeder Schritt muss in der Regierung und im Thüringer Landtag behutsam abgewogen werden.
 
 
Für die „Normalisierung“ des öffentlichen Lebens wird es zu einer gewissen Ungleichzeitigkeit kommen müssen. Die Sensibilität der Bevölkerung für besondere Hygienemaßnahmen ist auf ein hohes Niveau gestiegen. Wenn es mit Augenmaß geschieht, ist es vertretbar, Kontaktauflagen für Risikogruppen und ältere Menschen etwas später aufzuheben. Für weniger gefährdete Gruppen könnten die Einschränkungen entsprechend früher aufgehoben werden. 
 
Mit dem verminderten Risiko geht die Möglichkeit einher zu einer breiteren Immunisierung beizutragen. Schulen und Kindergärten sollten stufenweise bis Anfang Mai wieder geöffnet werden. Besonders die Prüfungsjahrgänge und die Grundschulen sollten frühzeitig beginnen. Dazu braucht es eine Entlastung für Familien in der Krisenzeit – über ein Elterngeld und Anrechnung der Arbeitszeitreduzierung.  
 
Kritische Rückfragen hat es zu der Tatsache gegeben, dass Bundesländer und Landkreise teils unterschiedliche Regeln erlassen haben. Eine bessere Koordination wäre wünschenswert. Doch sollten die Vorzüge landesspezifischer Regeln und vereinzelter kommunaler Abweichungen nicht unterschätzt werden. Für einen Ballungsraum mit Zehntausenden Pendlern sind andere Regeln nötig und möglich als für den ländlichen Raum. 
 
Die Einschränkung der Grundrechte im medizinischen Krisenfall war wichtig und fand in großer Gemeinsamkeit statt. Doch nun müssen die Parlamente einbezogen werden, bis auf die kommunale Ebene. Entsprechende Änderungen der Kommunalordnung für den Pandemiefall sind dringend erforderlich.
 
Die Funktionsfähigkeit der vielen Gemeinden und die demokratische Meinungsbildung sind entscheidend, da eine wesentliche Einnahmequelle in Form von Gewerbesteuern massiv einbrechen wird. Das hat Auswirkungen auf das Leben im Dorf oder der Stadt. Es braucht einen Rettungsschirm für die Kommunen und die Reform des kommunalen Finanzausgleichs muss sofort angegangen werden, der die strukturelle Unterfinanzierung der Haushalte der nächsten Jahre auffängt. Klick um zu Tweeten
 
Der Maßstab für die Politik muss lauten: das Land zusammenhalten und nah an den Sorgen der Bürger sein. Das ist als Politikansatz auch dann noch gefragt, wenn die unmittelbare Bedrohung gebannt ist und es ans Aufräumen geht. Die allenthalben geschnürten Hilfspakete zeigen, wir bleiben in einer Gesamthaftung: für die Menschen, deren Arbeitsplatz gefährdet sind, für die Wirtschaft als Voraussetzung unseres Wohlstandes, für die Kommunen, in denen die Bürger leben, für den großen sozialen und kulturellen Bereich, der vielfach vom Ehrenamt getragen wird. Für die enormen Kosten, die all dies verursacht.
 
Die Corona-Krise ordnet zugleich die Dinge neu. Es ist eine Notsituation, die uns zwingt, in vielen Bereichen neu nachzudenken, und neu zu organisieren. Das gilt für das Private, wenn die Schulbank ins Wohnzimmer rückt, während die Eltern in Arbeitszimmer und Küche im Home-Office arbeiten. Das gilt für die Wirtschaft, die in vielen Branchen gerade neu überlegen muss, wie sie Produktion und Vertrieb den neuen Gegebenheiten anpassen kann. Und das gilt für die Politik. Probleme, die noch gestern wichtig, echte Aufreger waren oder schienen, sind über Nacht in den Hintergrund getreten. Weil die konkreten Probleme der Bürger im Mittelpunkt stehen und nicht ideologische Nischenthemen. Das ist gut so. Es braucht einen klugen, schrittweisen Neustart mit differenzierten und klaren Regeln. 

 

Mario Voigt neuer Vorsitzender der CDU-Fraktion

Erfurt – Die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag hat einen neuen Vorstand gewählt. Neuer Fraktionsvorsitzender ist Prof. Dr. Mario Voigt. „Heute ist der erste Tag von hoffentlich besseren Zeiten und der letzte Tag von Selbstbeschäftigung. Ich wünsche mir, dass wir gemeinschaftlich neues Vertrauen gegenüber den Bürgern, aber auch untereinander aufbauen. Politik ist ein Mannschaftsspiel“, sagte Voigt nach der Fraktionssitzung am Montag. Der Ostthüringer CDU-Politiker betonte, er sehe die Rolle seiner Fraktion als „konstruktive Opposition“.

Neuer Parlamentarischer Geschäftsführer wird der bisherige Fraktionsvize Andreas Bühl. Als Voigts Stellvertreter an der Fraktionsspitze wurden Christian Tischner, Raymond Walk und Christoph Zippel gewählt. Ergänzt wird der neue Fraktionsvorstand durch die Beisitzer Beate Meißner, Jörg Kellner und Volker Emde.

Die Aufgabe der CDU-Fraktion sieht Voigt in den kommenden Wochen und Monaten vor allem darin, sich über Sachpolitik und konzentrierte parlamentarische Arbeit im Thüringer Landtag zu profilieren. „Wir wollen vor allem über politische Inhalte sichtbar werden, und für diese Themen steht unser neues Vorstandsteam: Christian Tischner für Bildung, Raymond Walk für Inneres und Kommunales und Christoph Zippel für die Gesundheitspolitik“, erklärte Voigt. Er selbst stehe für die Expertise der Fraktion in Fragen der Wirtschaft. „Unsere Abgeordneten sind durch ihre Direktmandate fest in den Regionen Thüringens verwurzelt“, so Voigt weiter. Den neuen Fraktionsvorstand sieht er mit der personellen Mischung aus jungen und erfahrenen Abgeordneten für die 7. Legislaturperiode „gut und ausgewogen aufgestellt“.

Diese Pressemitteilung der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, geschrieben von Felix Voigt, ist zuerst erschienen am 03.03.2020 unter https://www.cdu-landtag.de/aktuelles/pressemitteilungen/2020/cdu-landtagsfraktion-waehlt-neuen-vorstand

 

Die digitalste Partei Deutschlands

Die digitalste Partei Deutschlands

Digitale Kommunikation und die Zukunft der Union als Volkspartei

Die Rezo-Erfahrung schmerzt. Die Volkspartei CDU und das Internet. Eigentlich kein Neuland, da Digitalisierung in aller Munde ist. Doch wer in der digitalen Kommunikation nicht den Erfordernissen der Zeit gerecht wird, dem wird schnell die Kompetenz für die Zukunft abgesprochen. Parteien neigen zu den klassischen Wegen, allerdings muss ein Nachdenken einsetzen, wenn täglich in Deutschland rund 15 Mio. Tageszeitungen gekauft, jedoch über 44 Mio. Menschen in Social Media aktiv sind. Rund 63 Millionen Menschen nutzten 2018 in Deutschland das Internet, 2005 waren es erst 37,5 Millionen.[1]Männer und Frauen zu ungefähr gleichen Anteilen. Am Internet führt kein Weg vorbei, es ist allgegenwärtig. Denn es gilt: Alles was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert. Die Digitalisierung führt zur kommunikativen Waffengleichheit zwischen den Parteien. Wir erleben die digitale Disruption des Politischen: in der Mitgliederkommunikation, bei Wahlkämpfen oder in der politischen Kommunikation. Anspruch der CDU muss es sein, die digitalste Partei Deutschlands zu sein.

Vier Erfolgsfunktionen digitaler Kommunikation

Die Digitalisierung ändert Politik nicht, aber sie stärkt die Möglichkeiten politischer Kommunikation. Es ist viel einfacher und schneller für die Bürger Informationen zu suchen, Kontakt aufzunehmen oder zu spenden. Inhaltliche Nischen und detaillierte politischen Interessen finden genauso ihren Platz wie Netzwerkangebote auf sozialen Plattformen. Durch soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook oder Instagram eröffnen sich Bürgern, Parteien und Kampagnen neue Möglichkeiten sich politisch auszudrücken und ihre Inhalte mit der ganzen Welt, Freunden oder Nachbarn zu teilen. Parteimitglieder und Freiwillige können sich vernetzen und sich wohnortunabhängig finden. Daraus ergeben sich vier wesentliche Erfolgsfunktionen für die politische Kommunikation: mehr Informationen über Politikschaffen, politische Teilhabedurch Likes oder Views erlauben, die Vernetzung mit den Anhängern und Interessentenvertiefen und die direkte Mobilisierung und aktive Einbindungder Bürger durch digitale Kampagnen ermöglichen.[2]Alle vier Funktionen erwarten die Bürger von politischer Kommunikation.

Doch welcher Social-Media-Kanal ist der Richtige?

Keine einfache Frage. Gegenfragen: Wer ist ihre Zielgruppe und was wollen sie erreichen? Für Deutschland gilt, dass Facebook mit über 32 Mio. Nutzern immer noch der Reichweitenchampion ist, der für alle Parteien eine gewichtige Rolle im Dialog mit dem Bürger spielt. Auf Youtube und Instagramengagierten sich die Parteien, um mit guten Fotos und spannenden Videos zu experimentieren und auf visuelle Art für die eigenen Inhalte zu werben. Dabei ist Instagram als Ästhetikkanal die schnellst wachsende Social Media Plattform im deutschsprachigen Raum. Twitter ist in Deutschland ein Elitenkanal der politischen Junkies. Täglich nutzen es rund 1 Mio. Menschen, um Meinungen zu machen, Unterstützer zu aktivieren oder Journalisten von der eigenen politischen Haltung zu überzeugen. WhatsApp hilft dagegen, interne Nachrichten an eine Vielzahl von Gruppen und Unterstützern schnell zu verteilen oder diese zu organisieren. Es entscheiden also Ziel und Zielgruppe, welcher der richtige Kanal ist. Und im Übrigen gilt auch, Inhalte, die auf Facebook funktionieren, erzielen auf Instagram eine ganz andere Wirkung. Apropos, Inhalte.

Die Inhalte entscheiden

Content ist King. In der digitalen Kommunikation entscheiden außergewöhnliche und authentische Inhalte, da sie im digitalen Kommunikationsdickicht durchdringen. Eine Minute im Internet produziert jedes Jahr sehr viel mehr Inhalte als im Vorjahr. Das Wachstum ist exponentiell, nicht linear.60 Sekunden digitale Kommunikation bedeuten: über 187 Millionen versendete Emails, 38 Millionen Nachrichten bei WhatsApp, 4,3 Millionen angeschaute Videos bei Youtube und 3,7 Millionen Suchanfragen bei Google.

Macht das die politische Kommunikation einfacher? Nein, denn inhaltliche Reaktionen erfolgen in Echtzeit, Veranstaltungen und Wahlkampfauftritte werden live gestreamt, Kommentierungen geschehen in kurzen Videobeiträgen und Events wie das TV-Duell werden auf unterschiedlichen Social-Media-Kanälen begleitet. Gleichzeitig schwindet die Aufmerksamkeit, der Feed wird unübersichtlicher, die Viralität der organischen Reichweite schrumpft und Parteien müssen sich Aufmerksamkeit und Penetranz ihrer Botschaft mit Geld erkaufen.

Muss man dann mehr polarisieren, um gehört zu werden? Nein, aber man muss gegenhalten. Auch in Zeiten des Wandels gilt es, Politik aus der bürgerlichen Mitte und nicht von den Rändern her zu denken. Gesellschaftlichen Eliten wird vorgeworfen, taub für echte Probleme und Sorgen zu sein. Menschen demonstrieren, in sozialen Medien radikalisieren sich Meinungen und Stimmen – ein Unbehagen greift Platz, befeuert durch digitale „Echokammern“ und „Filterblasen“. Will die Volkspartei CDU für ihre Vorstellungen von Staat und Gesellschaft eine Mehrheit gewinnen, darf sie sich bei den Diskussionen in der digitalen Welt nicht wegducken, sondern muss im gesellschaftlichen Diskurs den Kopf oben halten und den Anspruch verfolgen, modernste Partei Deutschlands zu sein. Das heißt auch optimistisch, zukunftsoffen und inspirierend zu sein. Die Sehnsucht nach einer politischen Kraft, die ordnet, deutet und löst ist groß. Diese Kraft muss die Union sein.

Die bürgernahe und moderne Volkspartei: Bierzelt 4.0

Die Bürgernähe der CDU beweist sich nicht nur am Stammtisch, sondern daran ob sich ihre Politik an entscheidenden Verbündeten orientiert, um deren Treue und Hilfe es mehr zu werben gilt: die Leistungsträger des Alltags. Menschen, die jeden Tag früh aufstehen, sich um die gute Schulbildung ihrer Kinder sorgen und nicht nach dem Staat fragen, wenn sie durch ihren Fleiß, ihrer Arbeit, ihre Ideen und ihren Einsatz unser Land voranbringen. Um deren Ideen und Vorstellungen aufzunehmen, findet der Bürgerdialog nicht nur auf der Straße, sondern auch im digitalen Raum statt.

Die Wendung der politischen Kommunikation und deren Akteure hin zur Echtzeitkommunikation auf unterschiedlichen digitalen Plattformen führt zu einer wachsenden Sichtbarkeit von politischen Debatten und Inhalten. Parteien experimentieren mit Newsroom-Konzepten, um modernes Themen- und Kommunikationsmanagement zu erreichen. Als Partei gilt es, eine vernetzte digitale Infrastruktur und Personal aufzubauen, Mitglieder und Führungsmannschaft auf die politische Kommunikation in Echtzeit einzustellen. Das Digitale wird sich zu einem nahezu synchronen Feedbackkanal entwickeln, um künftig noch stärker Stimmungen zu messen, Argumente, Positionen und Auftritte zu prüfen. Will die CDU auch zukünftig Volkspartei bleiben, müssen deren Mitglieder und die Bürger eine kommunikative Erlebniswelt (Journey) der CDU erfahren, die möglichst viele Berührungspunkte mit deren Inhalten durch möglichst viele Kommunikationskanäle wie soziale Plattformen, per Mail, auf der Großfläche oder bei der Veranstaltung beinhaltet.

Der direkte Dialog Mensch-zu-Mensch wird im Digitalen nicht verloren gehen. Doch der monatliche Stand in der Fußgängerzone, das Hinterzimmertreffen oder die Großkundgebungen in Bierzelten wird nicht mehr alleinig ausreichen. Vom Haustür-Gespräch mit Livebildern in Echtzeit und App bis zur digitalen Mitgliedersprechstunde oder dem CDU-Chatbot werden die Formate und Instrumente vielfältiger. Die Tauglichkeit im Bierzelt 4.0 ist nicht mehr nur die Nehmerqualitäten beim Maßkrugstemmen, sondern es geht um eine Art Volksnähe via Social Media. Parteiarbeit gewinnt so an Beteiligungsmöglichkeiten und öffnet sich für den dialogischen Bürgerkontakt. Das Digitale ist Teil des Politischen geworden und die CDU sollte auch die erste digitale Volkspartei sein.

[1]https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36146/umfrage/anzahl-der-internetnutzer-in-deutschland-seit-1997/

[2]Voigt und Seidenglanz (2017): Trendstudie Digital Campaigning in der Bundestagswahl 2017 – Implikationen für Politik und Public Affairs, Berlin.

 

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