Entscheidung über Gebietsreform den Bürgern überlassen

Entscheidung über Gebietsreform den Bürgern überlassen

OTZ- Interview mit Mario Voigt. Er ist zutiefst überzeugt, dass die geplante Gebietsreform schlecht ist für Thüringen. „Als CDU brauchen wir einen kühlen Kopf und ein heißes Herz für unser Gesamthandeln: Im Landtag politische Alternativen aufzeigen, die juristische Prüfung der Koalitionsschritte, und als drittes der intensive Dialog mit den Bürgern im Land, der ihnen von der Landesregierung verweigert wird.“

Ihre Abgeordneten-Kollegen von Rot-Rot-Grün haben diese Woche im Landtag ein Gesetz vorgestellt, das direkte Mitbestimmung in Kommunen erleichtern soll. Wird es helfen, das Interesse der Bürger an kommunalen Angelegenheiten auch in künftigen Großgemeinden wachzuhalten?
Nein, und ich wundere mich, dass die Verbindung zur beabsichtigten Gebietsreform überhaupt gezogen wird. Vermutlich geht es der Koalition um etwas ganz anderes.

Nämlich worum?
Wer die Abwahl von Bürgermeistern vor Ende einer Wahlperiode erleichtert, der will mehr Unruhe und politische Instabilität in unseren Dörfern und Städten. Aus meiner Sicht ist das ein weiterer Angriff von Rot-Rot-Grün auf den ländlichen Raum. So wie es schon der geplante Wassercent war, die Erhöhung der Grunderwerbsteuer oder eben die Gebietsreform. Nichts davon ist gut für den zum großen Teil ländlich geprägten Freistaat. 

Wenn Thüringen aber immer weniger Geld vom Bund und von der EU bekommt und vermutlich weiter Einwohner verliert, kann dann alles so bleiben, wie es ist?
Niemand bestreitet, dass wir die Verwaltung reformieren müssen. Das betrifft aber vor allem die des Landes. Bis heute hat die Koalition nicht vorrechnen können, welche Einsparungen es durch Großkreise und die Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften geben soll. Ich sage, eine Gebietsreform wird erhebliche Mehrkosten verursachen und das Ehrenamt schwächen. Welches ehrenamtliche Kreistagsmitglied wird sich zwei Stunden ins Auto setzen, nur um zu einer Ausschusssitzung zu kommen? Und wer wird sich noch in einem Ortschaftsrat engagieren, wenn er dort zwar den Ärger der Bürger abbekommt für alles, was nicht klappt, aber nichts ändern kann, weil er so gut wie nichts entscheiden darf?

Im Saale-Holzland-Kreis, wo Sie Ihren Wahlkreis haben, gründete sich unlängst der Verein „Selbstverwaltung für Thüringen“. Er will, sollte der Landtag das Vorschaltgesetz zur Gebietsreform beschließen, ein Volksbegehren dagegen starten. Eine gute Idee?
Ich finde ja. Der Unmut in der Bevölkerung wegen der beabsichtigten Gebiets-Zentralisierung ist mit Händen zu greifen. Fast täglich schicken mir Leute E-Mails und fragen, was man dagegen tun könnte. Und deshalb bin ich davon überzeugt, dass man für diesen Protest ein Angebot machen muss. Sollte es zu einem Volksbegehren kommen, dann werde ich persönlich die Unterschriftensammlungen unterstützen. Der CDU-Kreisverband Saale-Holzland sieht das genauso und hat sogar formell einen Beschluss dazu gefasst.

Müsste das nicht der Landesvorstand der Partei machen?
Das wird der CDU-Landesvorstand zum richtigen Zeitpunkt entscheiden und hält sich diesen Weg offen. Klar ist, die Mitglieder werden an der Basis aktiv, also in ihren Heimatorten. Und da unterstütze ich alle ausdrücklich. Im Landtag hat meine Fraktion bereits angekündigt, die Beschlüsse von Rot-Rot-Grün zur Gebietsreform gegebenenfalls verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen. Als CDU brauchen wir einen kühlen Kopf und ein heißes Herz für unser Gesamthandeln: Im Landtag politische Alternativen aufzeigen, die juristische Prüfung der Koalitionsschritte, und als drittes der intensive Dialog mit den Bürgern im Land, der ihnen von der Landesregierung verweigert wird. Ich bleibe dabei: Politik ist Kontaktsport, also ganz nah dran an den Leuten. Ein Volksbegehren ist eine gute Gelegenheit, von den Menschen zu erfahren, was sie wollen. Wenn Rot-Rot-Grün Mut hätte, würden sie die Initiative unterstützen.

Für solche direktdemokratischen Übungen gibt es genau regulierte Abläufe. Käme das Volksbegehren noch zur rechten Zeit, oder ist die Gebietsreform dann schon gelaufen?
Es wird zeitlich ziemlich eng. Dass Linke, SPD und Grüne eine so tiefgreifende Veränderung geradezu im Schweinsgalopp über die Bühne jagen, wäre allein schon Grund genug, dagegen vorzugehen. Zunächst muss freilich abgewartet werden, bis das Vorschaltgesetz verabschiedet ist und in welcher Form. Das bildet ja die Grundlage für alles, was folgen soll. Das Volksbegehren könnte dann, alle Schrittfolgen und Einspruchsfristen eingerechnet, frühestens im Frühjahr 2017 mit der eigentlichen Sammlung beginnen. Dann sind vier Monate Zeit, die nötigen Unterstützerunterschriften beizubringen. Nach Aussagen der Koalition will sie die Landrats- und Bürgermeisterwahlen 2018 schon in der zentralisierten Gebietsstruktur stattfinden lassen. 

Rund 195 000 gültige Unterschriften, das ist ordentlich viel Holz. Wäre die CDU nicht beschädigt, wenn die Sache schief geht?
Zunächst mal glaube ich nicht, dass die Sache schief geht. Aber es wird schwer. Für seine Überzeugungen muss man kämpfen. Ich bin vom Erfolg eines Volksbegehrens so überzeugt wie davon, dass die rot-rot-grünen Pläne für Thüringen falsch und schädlich sind. Und eine große Zahl von Unterschriften kann die Ramelow-Regierung auch dann nur schwerlich ignorieren, wenn das Quorum für den Erfolg eines Volksbegehrens nicht ganz erreicht würde.

Die Thüringer AfD hat ihre Unterstützung bereits zugesagt. Wollen Sie mit der zusammen um die Häuser ziehen?
Ich halte die AfD auf der einen und die Linke auf der anderen Seite für die politischen Hauptgegner der CDU. Gleichwohl kann ich die AfD nicht daran hindern, wenn sie ein Volksbegehren unterstützt. Das heißt aber nicht, dass man gemeinsam Unterschriften sammelt. Wichtig ist, dass wir den Menschen erklären, was unsere Motive dafür sind.

Manche unterstellen kritischen Bürgermeistern und VG-Chefs als Motiv, sie würden vor allem ihren Job retten wollen. Ihre Mutter ist VG-Vorsitzende und im Verein „Selbstverwaltung für Thüringen“ aktiv. Ist das für Sie erklärungsbedürftig?
Für mich nicht, aber wer es gern erklärt haben möchte: Meine Mutter steht für viele Mitarbeiter und Bürgermeister in den Verwaltungsgemeinschaften, die in unserem Land einen guten Job machen. Und so, wie ich ihr nicht versuchen würde vorzuschreiben, womit sie sich in ihrer Freizeit beschäftigen sollte, so gut hat sie andererseits mich dazu erzogen, ein selbstständig denkender Mensch zu sein.

Volkhardt Paczulla / 12.03.16 / OTZ

3 Gründe gegen die Gebietsreform

3 Gründe gegen die Gebietsreform

Die Gebietszentralisierung ist Teil eines langangelegten Plans von Rot-Rot-Grün den ländlichen Raum systematisch kaputt zu machen. Das Problem ist: diese Landesregierung ist vielleicht nur noch 3 Jahre da, die Menschen in ihrer Heimat ein Leben lang.

1500 Euro Beraterhonorar lässt sich Rot-Rot-Grün das wissenschaftliche Minnesängertum eines Berliner Professor kosten, um zu belegen, dass die Kleinteiligkeit Thüringer Gemeinden und die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung eine Zentralisierung notwendig mache.

Tatsächlich ist es wissenschaftlich erwiesen, dass diese angestrebte Gebietsreform die Demokratie schwächt, nichts spart sondern die Bürger kostet und eine wesentliche Stärke Thüringens gefährdet – das Ehrenamt.

Die Zentralisierung gefährdet das demokratische Mitmachen.

Die geplanten Gebietsveränderungen schwächen die Effektivität der demokratischen Kontrolle. Neueste Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die gemeindliche Organisationsform sich signifikant auf Wahlbeteiligung auswirkt: Mit zunehmender kommunaler Zentralisierung sinkt die Wahlbeteiligung. Rot-rot Grün will die Verwaltungsgemeinschaften abschaffen. Die Wissenschaft zeigt jedoch, würde man eine Verwaltungsgemeinschaft in eine Einheitsgemeinde überführen, wäre mindestens mit einer knapp 2 Prozent niedrigeren Wahlbeteiligung zu rechnen.

Das Ehrenamt sinkt und die Frustrationskosten steigen

In grossen zentralistischen Einheiten kommen die sogenannten „Frustrationskosten“ hinzu. Diese entstehen, wenn infolge größeren räumlichen Zuschnitts die Wünsche eines Teils der Bewohner einer Gebietskörperschaft systematisch keine Berücksichtigung finden. Man frage nur mal die eingemeindeten Ortschaften um Erfurt oder Jena.

Heutzutage fangen in vielen Orten Ehrenamtler Aufgaben auf, welche der Staat nicht erledigen kann oder will. Im Sportverein, bei der freiwilligen Feuerwehr oder als Gemeinderat bzw. Bürgermeister. Deren Dienst an der Gemeinschaft wird in zentralistischen Strukturen volkswirtschaftlich teuer.

Die Rechnung mal praktisch. In meinem Wahlkreis gibt es eine Verwaltungsgemeinschaften mit 12 ehrenamtlichen Bürgermeistern. Wenn wir jetzt annehmen, diese Bürgermeister leisten 10 Stunden pro Woche ab (es ist häufig deutlich mehr und die Gemeinderäte sind noch nicht mal mitgerechnet). Wenn wir diese 10 Stunden mal 4 Wochen im Monat nehmen entspricht das mindestens 3 Vollzeitstellen, welche die Bürger deutlich teurer bezahlen müssten.

Die Zentralisierung verschlechtert die Sparsamkeit und finanzielle Situation

Die Befürworter von rot-rot-grün erhoffen sich von ihrer Zentralisierung positive Kosteneffekte. Es gibt nur keine ernsthafte wissenschaftliche Studie, die diese These stützt. Im Gegenteil.

Ein Gutachten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat die von der Gemeindereform in Sachsen-Anhalt erwarteten Kostenersparnissen untersucht. Das Ergebnis spricht klar gegen die Pläne von rot-rot-grün in Thüringen: Für die Zentralisierung zu kommunalen Großeinheiten lässt sich keine Rechtfertigungen finden.

Vielmehr steht nach den wissenschaftlichen Untersuchungen zu befürchten, „dass großflächige Gemeinden im ländlichen Raum aufgrund der Siedlungsstruktur und nur begrenzten Größenvorteilen bei der kommunalen Leistungserstellung nicht nur keine wesentliche Verbesserung der Kosteneffizienz erreichen werden, sondern auch aufgrund der negativen Anreizeffekte für Bürger wie Politik und Verwaltung (bspw. geringeres bürgerschaftliches Engagement aufgrund geringerer Identifikation, fehlende Kontrolle politischer Entscheidungsträger, geringere Präferenzgerechtigkeit des Verwaltungshandelns), die solche „Riesengemeinden“ mit sich bringen, eine weitere Effizienzverschlechterung erfahren.“ Das heißt nichts anderes als, dass die Sparsamkeit und die öffentlichen Finanzen schlechter werden.

Schon heute hat THÜRINGEN in den staatlichen und kommunalen Aufgabenbereiche tendenziell eine größere Fläche je Verwaltungseinheit als im Bundesdurchschnitt. Warum muss man das jetzt zwanghaft verschlechtern? Es kann nicht um Demographie oder Finanzen gehen. Es geht rot-rot-grün um einen Angriff auf den ländlichen Raum. Dagegen gilt es sich zu wehren.

Beschäftigung jenseits der Regelaltersgrenze attraktiver gestalten

Beschäftigung jenseits der Regelaltersgrenze attraktiver gestalten

„Jeder Arbeitnehmer muss auch in Zukunft das Recht haben, beim Erreichen der Regelaltersgrenze abschlagsfrei in Rente zu gehen.“ Das hat der wirtschafts- und wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Mario Voigt, heute in Erfurt klargestellt.

Ziel der CDU ist es nach seinen Worten ausschließlich, „eine Beschäftigung jenseits der Regelaltersgrenze attraktiver zu gestalten, um der sich abzeichnenden Fachkräftelücke etwas entgegenzusetzen.“ Er verwies dazu auf ein im Januar 2015 von der CDU-Fraktion beschlossenes Positionspapier für einen zukunftsfähigen Arbeitsmarkt. Zugleich verdeutlichte Voigt, dass für ihn bei der Rentenbe-rechnung nicht Arbeitsjahre ausschlaggebend sind, sondern, wie im Rentenrecht üblich, sämtliche Beitrags- und Anrechnungsjahre.

Der wirtschaftspolitische Sprecher bedauert, „dass der Wirtschaft durch die Rente mit 63 zahlreiche Fachkräfte verloren gehen und der Aufbau der Beschäftigung jenseits des 55. Geburtstags einen Dämpfer erlitten hat.“ Ausdrücklich begrüßte er die von der Großen Koalition im Bund beschlossene Flexi-Rente. Diese müsse nun allerdings auch attraktiv gestaltet werden. „Wir brauchen mehr Flexibilität beim Renteneintritt“. In diesem Sinne hatte die CDU-Fraktion im Januar angeregt, verschiedene Möglichkeiten zu prüfen. So plädierte sie dafür, jenseits der Regelaltersgrenze Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung abzuschaffen und Rentenbeiträge nur dann zu erheben, wenn sie sich rentensteigernd auswirken.

Wie Voigt weiter ausführte, „ist es bei vielen Ausbildungs- und Erwerbsbiographien nicht möglich, 45 Arbeitsjahre zu erreichen. Daher fußt das Rentenrecht auf zahlreichen Anrechnungszeiten, beispielsweise für die Ausbildung, die Kindererziehungszeiten oder Zeiten der Pflege. An einem Grundsatz wird nicht gerüttelt: Wer sagt, mit der Regelaltersgrenze reicht es, der muss ohne Abschläge aufhören können. Doch wer darüber hinaus arbeiten möchte, soll es leichter können als derzeit“, schloss der Abgeordnete.

Wollen wir optimistisch in die Zukunft schauen, oder ängstliche, linke Protektionisten sein?

Wollen wir optimistisch in die Zukunft schauen, oder ängstliche, linke Protektionisten sein?

Das Leben der ärmsten Menschen der Welt wird sich in den nächsten 15 Jahren schneller verbessern als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Ein Grund dafür ist der gewachsene Freihandel. Pro investierten Dollar erhielten die armen Länder der Welt rund 3.400 Dollar durch freien Handel zurück, errechneten Experten der UN und der WTO. Das ist der höchste Wert aller „Sustainable Development Goals“.

Nun neigen Linke häufig dazu wirtschaftlichen Fortschritt zu verteufeln. So erleben wir es in diesen Tagen wieder, wenn es um CETA oder TTIP geht. Der Untergang des Abendlandes, die Chlorhühnchen und was nicht noch alles bemüht wird. Doch worum geht es?

Europa und Nordamerika streben an, die größte Freihandelszone der Welt zu schaffen – die Vision einer westlichen Wirtschaftszone. Mit einer transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA würden 50 Prozent der Weltproduktion sowie 40 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) innerhalb der Freihandelszone erwirtschaftet werden und das bei Anteil an der Weltbevölkerung von nur 12 Prozent. Die INSM schätzt ein, dass in Deutschland durch TTIP bis zu 110.000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Mehr Austausch, mehr Miteinander statt Gegeneinander – Freihandel bevorteilt einen innovativen und wettbewerbsfähigen, europäischen Wirtschaftsraum. Unsere Produkte können besser in der westlichen Welt vertrieben werden und wir haben die Chance, internationale Standards des Warenaustausches zu setzen.

Kann soetwas dem kleinen Thüringen nutzen? Natürlich. Der Freistaat setzt auf eine kleinteilige Wirtschaftsstruktur mit innovativen Unternehmen und vielen hidden champions.

Ein Manko Thüringens ist die niedrige Exportquote, die hinter gesamtdeutschen Maßstäben zurückbleibt. Als zweitwichtigster Außenhandelspartner unseres Freistaates schlummert in den Verhandlungen mit den USA zum TTIP ein großes Potenzial für die Thüringische Wirtschaft. Mit dem TTIP fallen u. a. kostenintensive Zulassungsvoraussetzungen sowie hohen Zollkosten für den Export von Gütern in die USA weg und eröffnen sich für Thüringer Unternehmen neue Absatzperspektiven. Aus diesem Umstand könnten sich laut dem Ifo-Institut mehrere tausende neue Arbeitsplätze entwickeln und unsere Wirtschaft nachhaltig stärken.

Natürlich gibt es bei Chancen auch immer Risiken, die im Rahmen der Verhandlungen minimiert werden müssen. Es gibt rote Linien, die es zu schützen gilt. Die Bereiche der Daseinsvorsorge müssen weiterhin geschützt bleiben und bei der Standardangleichung beider Wirtschaftsräume der Verbraucherschutz beachtet werden. Die Rolle der internationalen Schiedsgerichte bedarf einer intensiven und sachlichen Auseinandersetzung, um sowohl für die USA als auch für EU eine zufriedenstellende Lösung zu finden.

Die Zeiten der Nationalökonomie sind längst vorbei. Deutschland kann mit seiner mittelständischen, innovativen und umsichtigen Wirtschaft den Weltmarkt weiterhin aufmischen. In einer globalen Welt sind Ideen, Produkte und Prozesse made in Germany gefragter denn je. Das wird auch dem Land der Dichter und Denker, der Tüftler und Bastler helfen.

Wir kommen mit geballter Kraft zurück

Wir kommen mit geballter Kraft zurück

Vor dem Landesparteitag der Thüringer CDU am Sonnabend sprachen wir mit Generalsekretär Mario Voigt: Im OTZ-Interview erläutert er, wie es gelingen soll, die zerstrittene Partei zu einen.

Hat die Thüringer CDU inzwischen die Schockstarre überwunden?

Thüringen steht gut da. Wir sind, wenn es um Arbeitsmarktzahlen, gute Politik oder innere Sicherheit geht, deutschlandweit spitze. Das zeigt, dass wir 24 Jahre eine gute Politik fürs Land gemacht haben. Deshalb sind die Bürger und unsere Mitglieder verständlicherweise enttäuscht, dass wir die Regierungspolitik nicht weiter gestalten können. Machen wir uns nichts vor: Für die CDU ist es ein großer Einschnitt, nun die Oppositionsbank zu drücken. Da hilft kein Jammern, sondern nur Anpacken.

Ihre Partei vermittelt aber gerade nicht den Eindruck, dass sie anpackt.

Bis vorigen Freitag haben wir intensiv darum gerungen, Rot-Rot-Grün zu verhindern. Manche Debatte, die besser hinter verschlossenen Türen stattgefunden hätte, ist öffentlich geführt worden – einen Preis bei einer politischen Castingshow gewinnen wir damit nicht.

War Ihre Strategie in den Koalitionsverhandlungen falsch?

Die Sozialdemokraten hatten von Tag eins an die Order, Rot-Rot-Grün in Thüringen als Versuchsballon anzugehen. Mich enttäuscht das Verhalten der Grünen, die so getan haben, dass wir nicht ernsthaft an Verhandlungen interessiert gewesen seien. Wir werden die SPD und die Grünen jeden Tag daran erinnern, dass sie sich für das politische Experiment entschieden haben. Unsere Hauptgegner sind aber Ramelow und die Linke als Regierungspartei.

Ist die derzeitige Verfassung der CDU eine Steilvorlage für die Regierungskoalition?

Der Frieden bei Rot-Rot-Grün hält doch nur so lange, wie genügend Posten übrig sind. Die Zerrissenheit zeigt sich beim Umgang mit Matschie oder beim schwachen Wahlergebnis für Hennig-Wellsow. Das beweist erneut: Rot-Rot-Grün ist ein Experiment mit schwieriger Zukunft für Thüringen.

Wie lange hält die Regierung?

Wir sollten nicht darauf hoffen, dass Rot-Rot-Grün sich zu zeitig auseinander lebt. Die Partner haben sich bewusst dafür entschieden und sind deshalb auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden. Bei uns gibt es kein langes Wundenlecken und keine 100-Tage-Schonfrist. Wir leisten von Tag eins an harte Oppositionsarbeit.

Wie gelingt es der Union, sich intern wieder zu einen?

In den vergangenen Wochen haben wir nicht gerade das Bild der trauten Einigkeit abgegeben. Jeden in der Partei muss aber klar sein, dass nur ein Kurs Miteinander statt Gegeneinander gemeinsame Erfolge verspricht. Das ist notwendig, um kraftvoll in die Opposition zu starten.

Klingt nach einer „Friede, Freude, Eierkuchen“-Strategie.

Christian Carius , Christian Hirte , Mike Mohring und ich haben einen Plan vorgelegt: Wir möchten zügig zeigen, dass wir die bessere Alternative zur jetzigen Regierung sind. Aufbauend auf dem guten Fundament wollen wir in den Themenfeldern punkten, in denen uns die Menschen großes Vertrauen entgegenbringen.

Welche sind das?

In der Wirtschafts- oder Schulpolitik, wo für uns die Leistungskultur und Noten zwingend dazu gehören. Für mich ist es bezeichnend, dass im Koalitionsvertrag nicht einmal das Wort Gymnasium vorkommt, aber dafür festgehalten ist, dass öffentliche Gebäude am Christopher-Street-Day mit Regenbogen-Fahne beflaggt werden. Um die Projekte von Rot-Rot-Grün umzusetzen, muss Thüringen eine Milliarde Euro neue Schulden aufnehmen. Wir wollen nicht, dass bei einer Gebietsreform am Reißbrett in Erfurt unsere gewachsenen Strukturen zerschlagen werden. Ohne die Fesseln einer Koalition wollen wir mit „CDU pur“ deutlich machen, dass wir die echte bürgerliche Alternative sind.

Viele Wähler haben eher auf die Alternative für Deutschland gesetzt.

Wir sind die klare und führende Oppositionskraft im Landtag. Wir wollen nicht nur Fragen aufwerfen wie die AfD, sondern auch Lösungen liefern. Wir haben inhaltliche Ideen fürs Land, damit es den Menschen besser geht. Die Grünen und die SPD haben einen Linksrutsch vollzogen. Wir sind die Volkspartei der Mitte, die aber zugleich konservative Wähler für sich interessieren möchte.

Warum hat die CDU überhaupt mit der AfD verhandelt?

Im Landtag gibt es mit allen Fraktionen lose Gespräche, um den Parlaments­betrieb aufrecht zu erhalten. Das ist eine demokratische Gepflogenheit. Wir werden mit der AfD den inhaltliche Wettstreit genauso wie mit der Regierung suchen.

Nach den bekannt gewordenen Verhandlungen mit der AfD ist Mike Mohring bei der Wahl zum Bundesvorstand gescheitert. Kann er jetzt überhaupt noch Parteichef in Thüringen werden?

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Drei von vier Kandidaten, die nicht gewählt worden sind, stammen aus den neuen Bundesländern. Das ist nicht in Ordnung. Es liegt nun an uns, mit großer Geschlossenheit deutlich zu machen, dass wir die Rolle als Oppositionskraft angenommen haben. Es ist kein Betriebsunfall gewesen, dass sich Rot-Rot-Grün gefunden hat. Wir kommen nicht im Schlafwagen zurück, sondern nur mit geballter Kraft. Und als starke Mannschaft in Partei und Fraktion wird das gelingen.

Bleiben Sie Generalsekretär?

Es ist ein Vertrauensbeleg, dass mich mein Kreisverband, aber auch Mike Mohring und Christian Carius gebeten haben, als stellvertretender Landesvorsitzender zu kandidieren. Das würde ich gern machen, wenn die Basis das will. Und mit Birgit Diezel als weitere Kandidatin fürs Präsidium und mit Unterstützung von Thomas Fügmann kann es eine starke Ostthüringer Stimme sein.

Was ist Ihr erstes Ziel?

Wir haben bei der außerordentlichen Landratswahl in Nordhausen den Anspruch, diesen Landkreis als Union zurückzugewinnen. Ein Signal, dass wir die kommunale Basis stärker in die innerparteiliche Arbeit einbinden, ist, dass wir unsere kommunalen Spitzen Martina Schweinsburg und Michael Brychcy künftig in den Landes­vorstand kooptieren wollen.

OTZ, 11.12.14

2014: Erfolg unter Lieberknecht oder Experimente unter Ramelow

2014: Erfolg unter Lieberknecht oder Experimente unter Ramelow

TLZ: Herr Voigt, das Wahljahr hat begonnen, haben Sie schon einen Slogan, mit dem Sie Christine Lieberknecht wieder zur Ministerpräsidentin machen wollen?

Der Slogan ist: Das Land ist auf dem richtigen Weg. Die Menschen können stolz sein, auf das, was sie erreicht haben und mit Zuversicht nach vorne schauen.

Doch so einprägsam. Also haben Sie noch keinen Slogan.

Doch den habe ich, aber ich werde ihn jetzt sicherlich noch nicht verraten. Aber ich sage mal eins: Die Thüringer CDU ist gut vorbereitet.

Woran machen Sie das fest?

Wir haben fast alle Landtagskandidaten bis auf zwei nominiert. Wir sind also wie keine andere Partei im Freistaat schon mit unseren Direktkandidaten unterwegs…

… und das sehen Sie als Vorteil?

Natürlich, unsere Kandidaten können schon bei den Menschen im Land für unsere Politik werben, während die Konkurrenz noch mit internen Streitigkeiten beschäftigt ist. Ein Drittel unserer Kandidaten sind Frauen, ein Drittel ist unter 40 Jahre. Das hat es noch nie gegeben. Wir sind so jung und weiblich wie noch nie, ohne auf wichtige Erfahrung zu verzichten.

  • Beim Interview mit CDU Generalsekretär Mario Voigt: Bernd Hilder und Elmar Otto von der TLZ. Foto: Peter MichaelisBeim Interview mit CDU Generalsekretär Mario Voigt: Bernd Hilder und Elmar Otto von der TLZ. Foto: Peter Michaelis

 

Ausreichend motiviert sind Sie offensichtlich. Aber die Koalition mit der SPD dümpelt dahin, gegen die Ministerpräsidentin ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Untreue. Drückt das in Ihrer Partei nicht mächtig auf die Stimmung?

Klar, könnten wir das eine oder andere Thema weniger vor der Brust haben. Ich bin froh, dass die SPD ihre Bundestagswahldepression abgelegt und die Frage um die Spitzenkandidatur geklärt hat. Das macht das Arbeiten in der Koalition wieder leichter.

Sollte es zu einer Anklage der Regierungschefin kommen, was ist Ihr Plan B?

Wir brauchen keinen Plan B. Christine Lieberknecht ist eine integre und verlässliche Ministerpräsidentin und ich habe keine Zweifel daran, dass sie rechtmäßig gehandelt hat und dass das auch bei den Ermittlungen rauskommen wird.

Wie schätzen Sie Ihren Koalitionspartner derzeit ein?

Man muss schon feststellen, dass die SPD das schlechteste und wir das beste Bundestagswahlergebnis aller Zeiten hatten, was die Regierungsarbeit zunächst erschwert hat. Aber nun steht die Sacharbeit wieder im Vordergrund. Wir sollten uns jetzt gemeinsam darauf konzentrieren, was das Land nach vorne bringt. Noch ist kein Wahlkampf.

Aber welche Themen wollen Sie denn in den verbleibenden acht Monaten wirklich noch abarbeiten?

Also die Landesregierung arbeitet sehr fleißig. Wir werden in den nächsten Wochen unser 136 Millionen Euro schweres kommunales Hilfsprogramm gemeinsam im Landtag beschließen und wollen die gemeinsam beschlossene Veraltungsreform umsetzen. Außerdem haben wir den Landesentwicklungsplan 2025 auf der Agenda. Es geht zudem um freiwillige Fusionen auf Kommunalebene oder das Verfassungsschutzgesetz.

Das klingt so, als sei Ihr nächster Traumpartner wieder die Thüringer Sozialdemokratie.

Nein, Koalitionen sind keine Träume, sondern harte Realität. Bei der Landtagswahl machen wir unser Angebot an die Thüringer Mitte und wollen so stark wie möglich werden. Und dann schauen wir, mit wem wir am besten unsere Inhalte durchsetzen können. Die SPD ist ein potenzieller Koalitionspartner.

Einer von zweien, wenn überhaupt.

Naja, nach heutigem Stand kann man feststellen, dass CDU, Linke und SPD sicher dem nächsten Thüringer Landtag angehören werden. Dann gibt es mit den Grünen und der AfD zwei Wackelkandidaten. Für die FDP, die konstant unter fünf Prozent ist, sieht es nicht gut aus.

Also bleibt für die CDU nur Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün?

Beides ist für Thüringen besser als Rot-Rot. Aber es ist müßig im Vorfeld einer Wahl über Koalitionen zu philosophieren. Man muss selber so stark sein, wie man kann um am Ende souverän den Partner auswählen zu können mit dem für Thüringen das Beste erreicht werden kann.

Aber Sie schließen doch ein Bündnis mit der AfD aus.

Richtig.

Die Linke scheidet ebenfalls aus. Mit der FDP dürfte es, selbst wenn sie knapp in den Landtag einzöge, schwer werden. Also weiß doch der Wähler in etwa, was auf Ihn zukommt. Oder träumen Sie von einer absoluten Mehrheit?

Ich träume davon, dass der Erfolg Thüringens weitergeht mit der Handschrift von Christine Lieberknecht und der CDU. Damit das gelingt, müssen wir zulegen und auch in den Wahlkreisen besser werden als 2009. Statt in 28 Wahlkreisen wie vor 5 Jahren wollen wir deutlich öfter vorn liegen. Und was eine mögliche Koalition mit der FDP angeht? Warum nicht! Im Sommer 2013 sahen uns die Demoskopen bei 43 Prozent. Wir könnten dann also auch mit unserem natürlichen Koalitionspartner FDP regieren, sollte sie die Fünf-Prozent-Hürde schaffen.

Die bürgerlichen Wähler würden Ihnen also einen Gefallen tun, wenn Sie die FDP erneut ins Parlament hieven?

Die Wähler sind glücklicherweise sehr klug und wissen, dass sie keine Stimme zu verschenken haben und werden hoffentlich CDU wählen. Es geht schließlich darum, ob Christine Lieberknecht oder Bodo Ramelow Thüringen regiert.

Sie wollen also das Duell zwischen Christine Lieberknecht und ihrer SPD-Herausforderin Heike Taubert nicht befördern?

Dieses „Duell“ ist ein Luftschloss und völlig unrealistisch. Heike Taubert ist eine nette Dame, die im Kabinett von Christine Lieberknecht arbeitet, aber ohne Chance auf das Amt der Ministerpräsidentin.

So boshaft hätten wir Sie gar nicht eingeschätzt.

Man muss doch mal eines festhalten- Spätestens mit den Aussagen von SPD-Chef Christoph Matschie und Frau Taubert, auch einen Linken-Ministerpräsidenten mitzuwählen, ist eines klar: Die Landtagswahl entscheidet darüber, ob der Kurs vonChristine Lieberknecht mit dem Ziel der Vollbeschäftigung fortgesetzt wird, oder ob es rot-rot-grüne Experimente unter Bodo Ramelow gibt.

Das heißt Lagerwahlkampf?

Nein, das heißt, dass die Optionen offen auf dem Tisch liegen. Die SPD ist kontinuierlich unter 20 Prozent, sie wird nicht mehr vor der Linken landen. Die CDU macht ein Angebot an die Mitte der Gesellschaft, die nicht von den Rändern definiert und regiert werden wollen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Linke die Erfolge bei Wirtschaft und Bildung gefährdet. Das wäre aber der Fall, wenn Bodo Ramelow Ministerpräsident würde.

Sie wollen allen Ernstes Bodo Ramelow als Investorenschreck hinstellen? Hat sich dieses Klischee nicht längst überlebt?

Man braucht hier keine Schreckgespenster beschwören, sondern einfach schauen, was die Thüringer in den letzten Jahren erreicht haben. Seitdem Christine LieberknechtMinisterpräsidentin ist, sind die sozialversicherungspflichtigen Jobs um fünf Prozent gewachsen. Die Löhne sind deutlich gestiegen. Seit 2004, also seit 10 Jahren, wirbt Bodo Ramelow für sich als Ministerpräsident. Seitdem ist z.B. das Bruttoinlandsprodukt um 20 Prozent gestiegen. Das haben wir nicht mit verteilen, sondern erwirtschaften geschafft. Deshalb sage ich: Ramelow führt Debatten von gestern. Und das würde Thüringen zurückwerfen.

Im vergangenen Jahr hatten Sie noch Angst davor, dass die SPD zu stark werden könnte und haben sich extra eine Strategie überlegt, damit die Linke auch wirklich vor der SPD landet.

Wie kommen Sie denn darauf?

Weil es stimmt. Auch wenn sich Ihre Überlegungen inzwischen überholt haben, aber fest steht doch, dass die ehemalige Stasi-Beauftragte Hildigund Neubert vor allem auch deshalb Staatssekretärin in der Staatskanzlei geworden ist, damit sie als Reizfigur der Postsozialisten Linke-Wähler mobilisiert, um so zu verhindern, dass es ein SPD-geführtes rot-rot-grünes Bündnis gibt.

Eine interessante, aber falsche These.

Ganz und gar nicht. Der Linksruck der SPD, die bis dahin stets ausgeschlossen hatte, eine Juniorpartnerschaft mit den Linken einzugehen, hat ihnen nur einen Strich durch Ihre Strategie gemacht.

Noch einmal. Erstens hatten wir als CDU nie Angst vor einer starken SPD und zweitens ist Frau Neubert eine exzellente Staatssekretärin. Wahlen gewinnt man nicht durch Mobilisierung des Gegners, sondern durch ein programmatisches und personelles Angebot.

Was sagen Sie ihren traditionellen Wählern, die mittlerweile hadern, weil sie der Ansicht sind, dass die CDU sich kaum noch von der SPD unterscheidet?

Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Es geht um Lieberknecht versus Ramelow. Die SPD ist nur ein Mehrheitsbeschaffer in einer linken Koalition. Die CDU will unter Führung von Christine Lieberknecht Thüringen zur Vollbeschäftigung führen und zwar mit fairen Löhnen. Bodo Ramelow verspricht 5000 staatlich bezahlte Jobs, die fast 100 Millionen Euro kosten, und bemerkt dabei nicht einmal, dass sich die Arbeitslosigkeit seit seinem ersten Spitzenkandidaten-Versuch 2004 halbiert hat. . Die Linke ist das garantierte Schuldenprogramm und Abwrackprogramm für den Wirtschaftsstandort Thüringen.

Bundes- und landesweit hat man derzeit nicht das Gefühl, dass die CDU die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessert oder die arbeitende Mittelschicht fördert, die wird im Gegenteil immer stärker belastet.

Sie müssen auch sehen, was die CDU Gott sei Dank nicht zugelassen hat: höhere Erbschaftssteuer, höhere Eigenkapitalsteuer nur ein paar Beispiele, die unsere Wirtschaft noch stärker belasten würden. Aber Sie haben Recht, es gibt hier Ungerechtigkeiten. Gerade bei den Kosten von Energie. Da müssen wir ran.

Dann belassen Sie es auch nicht nur bei Ankündigungen. Die wahrlich große Berliner Koalition hat immerhin fast eine absolute Mehrheit.

Aber wir regieren nicht allein. Und entgegen allem Gerede von der Gleichheit der Parteien, gibt es einen grundlegenden Unterschied. Die SPD setzt auf Verteilen, wir auf Erwirtschaften. Deshalb müssen wir so stark wie möglich werden, um unsere Position durchsetzen zu können.

Aber die CDU hat doch maßgeblich mit dafür gesorgt, dass die Rentenbeiträge nicht gesenkt werden und ihr Parteifreund und Gesundheitsminister Hermann Gröhemöchte jetzt auch noch die Beiträge für die Pflegeversicherung anheben.

Wir haben bei der Rente gemacht, was wir vorher gesagt haben. Wir haben die Mütterrente beworben und sie wird jetzt kommen. Das ist nur gerecht. Warum sollten wir denn die Leistung der Mütter, die ihre Kinder vor 1992 bekommen haben, weniger wertschätzen?

Warum wird der Rentenbeitrag nicht gesenkt?

Sie können doch nicht auf der einen Seite den Beitrag senken und auf der anderen quasi die Auszahlung erhöhen.

Aber was die Union nun auf den Weg bringt, belastet die, die arbeiten und Beiträge zahlen und kommt Menschen zu Gute, die nichts eingezahlt haben.

Zunächst einmal gilt doch wohl, dass jeder möchte, dass seine Mutter die gleiche Rente bekommt, egal ob sie ein Kind vor oder nach 1992 zur Welt gebracht hat. Die Mütterrente wird kommen zum 1. Juli und das ist auch richtig! Und unabhängig von Einzahlungen: Ohne die Mütter, die jetzt profitieren, bräuchten wir überhaupt nicht mehr über Renten zu diskutieren. Weil niemand Kinder geboren und großgezogen hätte.

Und was ist mit der Rente ab 63?

Hier gibt es im Detail noch Klärungsbedarf. Ich habe Sorge, dass die nun vorgestellten Pläne zu Frühverrentungen führen, weil auch bis zu 5 Jahre Arbeitslosigkeit einbezogen werden. Das können wir weder für ältere Arbeitnehmer wollen, noch kann sich der Wirtschaftsstandort es leisten, auf die Erfahrung der Älteren zu verzichten.

Das heißt, Sie fordern SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles auf, die Rente mit 63 zu stoppen?

Das bedeutet, dass ihr Vorschlag noch nicht alle Fragen beantwortet hat und dass ich Nachbesserungen einfordere. Im Moment sehe ich den Gesetzentwurf noch nicht als zustimmungsreif an, weil das Problem der Frühverrentungen nicht gebannt ist. Generell gilt in der Rentenpolitik: Wir brauchen soziale Absicherung auf der einen Seite, aber wir müssen erwirtschaften bevor wir verteilen. Das ist der substanzielle Unterschied zu den Linken. Und das werden wir auch im Landtagswahlkampf ganz deutlich machen.

Wie genau?

Neben den schon beschriebenen Unterschieden in der Wirtschaftspolitik geht es um Finanzen. Die CDU setzt auf ausgeglichene Haushalte, weil es eine Frage der Generationengerechtigkeit ist. Wir haben die zweithöchste Pro-Kopf-Schuldentilgung nach Bayern in ganz Deutschland. Die Linken versprechen viel und meinen eigentlich nur neue Schulden. Die Beispiele in Baden-Württemberg undNordrhein-Westfalen zeigen: Grün-Rot oder Rot-Grün machen dort Milliarden neue Schulden. Trotz der höchsten Steuereinnahmen, die es jemals gab, setzen die Regierungen in diesen Ländern weiter auf eine Schuldenpolitik. Damit verlassen sie den politischen Konsens, den wir mit der Schuldenbremse nach Jahrzehnten endlich parteiübergreifend gefunden haben.

Wer war noch gleich in den vergangenen 25 Jahren immer die stärkste Kraft in der Thüringer Landesregierung und hat damit maßgeblich zu den 17 Milliarden Euro Schulden in Thüringen beigetragen?

Wir liegen bei der Pro-Kopf-Verschuldung im deutschen Mittelfeld. Da wollen wir besser werden. Aber: Es war in den Jahren nach der Wiedervereinigung notwendig in Wirtschaft zu investieren, Infrastruktur aufzubauen und Bildungsstandards zu halten. Und Sie werden mit mir doch wohl übereinstimmen, dass diese Politik erfolgreich war. Wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern…

… und die niedrigsten Löhne!

Das stimmt doch gar nicht mehr. Sie leben doch in einer Welt von vor drei Jahren.

Ach ja?

Natürlich. Im Dezember vergangenen Jahres hat eine Studie den Beweis erbracht, dass die Lohnsteigerungen in Thüringen am deutlichsten sind. Seit 2009 sind die Einkommen inThüringen um zehn Prozent gestiegen.

Das mag sein, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass in Thüringen die Beschäftigten im Schnitt weiter ein Drittel weniger verdienen als der Bundesschnitt. Das hat erst in diesem Monat wieder die Bundesagentur für Arbeit vermeldet. Und genau diese Gehaltsschere führt doch dazu, dass es Unternehmen schwer fällt, Fachkräfte aus anderen Regionen anzulocken.

Niemand hat bestritten, dass wir schon am Ende des Weges sind. Natürlich wollen wir auch hier noch besser werden. Aber Sie können doch nicht ignorieren, dass unsere Politik dazu geführt hat, dass Thüringen sich inzwischen zum ostdeutschen Primus bei Wirtschaft und Finanzen entwickelt hat.

Zumindest seit Finanzminister Wolfgang Voß gegen alle Widerstände auch in der CDU – einen rigiden Sparkurs fährt, hatten wir den Eindruck, dass Thüringen beim Schuldenabbau vorankommt. Aber kaum hat das Land einen kleinen Überschuss erwirtschaftet, wird nicht mehr gespart, sondern 136 Millionen Euro werden an die Kommunen verschenkt.

Die Überschüsse gehen zum einen anteilig in die Schuldentilgung des Landes, zum anderen geben wir Geld in die kommunale Familie, um denen bei der Schuldentilgung zu helfen.

Was ist das für ein Signal? Die Gemeinden, die teilweise selbst verschuldet, ihre Haushalte nicht mehr zubekommen, müssen nur nach Landeshilfe rufen und schon gibt es Geld.

Sie können natürlich alles schlecht reden. Aber der Ansatz der Union ist immer gleich. Unsere Auffassung von Gerechtigkeit ist: Es geht um den Zugang zu Chancen. Ob bei der Bildung, der Wirtschaft, den Finanzen oder den Gemeinden. Es geht darum, dabei zu helfen, die kommunale Zukunft zu gestalten.

Traditionell beansprucht die CDU immer für sich eine hohe Wirtschaftskompetenz. Aber das Amt des Wirtschaftsministers überlassen Sie, von Bayern abgesehen, immer anderen. Das Verhältnis zur Wirtschaft gilt durch den mitunter sozialdemokratisch gefärbten Kurs der Union als belastet. Wie wollen Sie das ändern?

Ich weiß nicht, in welchem Land Sie leben. Punkt eins: Die Union ist der Sachwalter für wirtschaftspolitische Vernunft – in Thüringen wie in Deutschland. Das ist unsere Kernkompetenz. Deshalb wählen die Menschen Angela Merkel genauso wie Christine Lieberknecht …

… deshalb überlassen Sie das Wirtschaftsressort immer den Koalitionspartnern?

Nein. Punkt zwei ist: Thüringer Mittelständler, und das sage ich Ihnen, als jemand der selbst im Mittelstand gearbeitet hat, wollen keinen Wirtschaftsminister, der doppelt abkassiert, sondern einen, der sich doppelt engagiert. Es geht darum, gute infrastrukturelle Bedingungen zu schaffen und qualifizierte Fachkräfte zu haben…

… aber die Wirtschaft klagt doch über viel zu viel Bürokratie und hohe Belastungen. Und kein Politiker irgendeiner Partei hat ernsthafte Anstrengungen unternommen, hier etwas zu ändern. Im Gegenteil: Es kommt immer mehr drauf.

Ich darf mal daran erinnern, dass wir in Thüringen gerade eine große Verwaltungsmodernisierung auf den Weg bringen. Und gerade dabei hat auch die Frage des Bürokratieabbaus eine herausragende Rolle gespielt. Mit einem One-Stop-Shop werden die Unternehmen künftig für alle ihre Angelegenheiten eine zentrale Anlaufstelle haben. Auch durch die fortschreitende Digitalisierung, zum Beispiel beim E-Government, sorgt Thüringen längst für eine erhebliche Entlastung der Unternehmen. Aber natürlich wollen wir, wenn wir die Chance dazu haben, nach der Wahl wieder den Wirtschaftsminister stellen, um bestimmte Fehlentwicklungen beispielsweise in der Förderpolitik zu korrigieren.

Zum Beispiel?

Ich habe nichts gegen die Ansiedlung von Zalando am Erfurter Kreuz. Aber dort haben wir, um das Unternehmen hierhin zu locken, Geld investiert, das besser beim Mittelstand aufgehoben gewesen wäre. Wir stecken zu viel Geld in Logistik anstatt damit moderne innovative Unternehmen zu unterstützen.

Aber gerade Ansiedlungen wie Zalando spielen Ihnen doch in die Hände, weil sie für Beschäftigung sorgen. Und die niedrige Arbeitslosenquote haben Sie gerade noch als Ergebnis weitsichtiger CDU-Politik gelobt.

Wir haben die höchste Handwerkerdichte in ganz Deutschland. Und 90 Prozent der Unternehmen, haben weniger als 10 Mitarbeiter. Diese Mittelständler, die bereits im Land sind, müssen wir stärker unterstützen und nicht Geld für fragwürdige neue Ansiedlungen binden.

Ist dieses von Ihnen hier skizzierte Bild einer Partei der regionalen Nähe auch ein Grund dafür, warum Sie keine Landkreise zusammenlegen wollen?

Mit uns wird es keine Großkreise geben. Das haben wir in dieser Legislaturperiode oft genug deutlich gemacht und dabei bleibt es…

… aber wird eine Gebietsreform nicht der Preis sein, um mit SPD oder Grünen koalieren zu können?

Das sehe ich nicht so. Wir werden schon bei der Kommunalwahl erleben, dass die Menschen mit den Füßen abstimmen, also für die regionalen Gebietskörperschaften, in denen sie leben. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es jetzt zwar nur noch sechs Landkreise, aber keiner hat mehr einen ausgeglichenen Haushalt. In Sachsen sagen selbst SPD-Politiker, dass die Reform erst 500 Millionen Euro Anschubfinanzierung kostet. Strukturen sind kein Selbstzweck. Die zentrale Frage ist doch: Wie können die Aufgaben vor Ort am besten erledigt werden? Und da ist mein fester Glaube, dass wir Übersichtlichkeit, Nähe und Identität brauchen.

Aber die Menschen definieren sich doch nicht über Ihr Leben in Landkreisen, sondern sie leben in ihren Dörfern oder Städten.

Da widerspreche ich. Die Menschen identifizieren sich auch mit ihren Kreisen. Nehmen sie nur das Eichsfeld. Und wenn sie zu große Einheiten schaffen, haben die kleinen eingemeindeten Orte überhaupt keine Mitsprache mehr, was zu Verdrossenheit und Identitätsverlust führt. Wir wollen, dass die Menschen weiter etwas zu sagen haben. Das gilt für alle Ebenen. Deshalb sind wir gegen Monsterkreise und gegen Mindestgrößen von 12 000 Einwohnern bei Gemeinden.

Die CDU reklamiert für sich, alle wichtigen Reformen gemacht zu haben: beim Forst, dem Kommunalen Finanzausgleich und der Polizei. Vor allem bei der Polizei wird die Kritik aus den eigenen Reihen aber immer lauter, dass die innere Sicherheit durch einen zu starken Stellenabbau leidet.

Die Reform wird am Ende dazu führen, dass mehr Polizisten auf der Straße zur Verfügung stehen werden. Innere Sicherheit ist für die CDU ein wichtiges Thema. Hier werden wir keine Abstriche zulassen.

Ihr Innenminister besetzt aber vor allem gerne Themen wie Integration. Law and Order spielt bei ihm nur eine untergeordnete Rolle. Haben Sie nicht die Sorge, dass das Ihre Wähler vergrault?

Wir haben in Jörg Geibert einen exzellenten Innenminister, der sowohl für Sicherheit und Ordnung steht als auch für einen starken kommunalen Raum. Thüringen ist das Land mit der bundesweit besten Aufklärungsquote. Insgesamt haben wir die drittwenigsten Straftaten. Dabei wird es auch bleiben.

Christine Lieberknecht werden oft zu viele sozialdemokratische Gene nachgesagt. Und auch in Berlin hat man derzeit den Eindruck, die Koalition wird mehr vonSigmar Gabriel als von Angela Merkel geführt, weil die SPD-Akzente überwiegen.

Ich bin Schachspieler, deshalb weiß ich, Partien werden selten in der Eröffnungen gewonnen, sondern häufig im Endspiel. Die Legislaturperiode dauert mehr als nur drei Monate…

… das heißt, zurzeit sind Sie auch unzufrieden?

Das heißt: Wir müssen noch deutlicher machen, was unsere Schwerpunkte sind. Aber ich bin Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sehr dankbar, dass er mit unserem Bauminister Christian Carius das Thema Ausbau der digitalen Infrastruktur auf die Agenda gesetzt hat. Wir werden in Thüringen auch für eine Digitalisierungsoffensive werben.

Wie soll die aussehen?

Wir brauchen einen Technologiemix. Aber der Zugang zu schnellem Internet ist mittlerweile eine Frage von Gerechtigkeit. Wir als Union wollen, dass auch in ländlichen Regionen die Versorgung so ist, dass alle Angebote nutzbar sind. Zurzeit kann man in 97 Prozent des Landes mit nur zwei MB pro Sekunde im Netz surfen. Das reicht für die ist Entwicklung der Wirtschaft in der Fläche nicht aus.

Hermann Gröhe, Alexander Dobrindt, Andrea Nahles alle Generalsekretäre im Bund sitzen jetzt im Kabinett Merkel. Welches Ministerium werden Sie, im Fall einer erfolgreichen Landtagswahl, übernehmen?

Ich bin gerade zum zweiten Mal Vater geworden. Nach der Wahl wird mir deshalb meine Frau das Familienministerium übergeben. Ich nehme mindestens einen Monat Erziehungsurlaub, um die Eingewöhnungszeit unseres zweiten Sohnes im Kindergarten begleiten zu können.

Das heißt: Sie wollen kein Minister werden?

Ich will, dass es in Thüringen weiter voran geht und dass Christine Lieberknecht Ministerpräsidentin bleibt. Für alles andere brauchen wir keine Planspiele.

 

Interview in der TLZ vom 3.2.2014

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