Weißbuch „Digitale Daseinsvorsorge stärken“ – Wer profitiert von den Daten kommunaler Betriebe?

Weißbuch „Digitale Daseinsvorsorge stärken“ – Wer profitiert von den Daten kommunaler Betriebe?

Wenn Bürger den öffentlichen Nahverkehr nutzen, oder zuhause das Licht anmachen, entstehen Daten. Anonymisiert werden sie von kommunalen Unternehmen für innovative Leistungsangebote, automatisierte Geschäftsprozesse oder die Errichtung von Smart Regions  genutzt. Künftig sollen nach EU-Vorgaben Daten des öffentlichen Sektors verpflichtend mit privaten Unternehmen geteilt werden. Sollen diese Daten per Datengesetz bei Google landen oder von kommunalen Stadtwerken vertrauensbildend bewirtschaftet werden? Wer soll von Daten kommunaler Unternehmen profitieren?  Die Quadriga Hochschule ist dieser Frage in Kooperation mit dem Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) nachgegangen.

Die Datenwirtschaft boomt

Daten entwickeln sich zu einem wichtigen und wertvollen Wirtschaftsgut. Die Menge an ihnen erfährt durch Internet der Dinge (IoT) und Smart City einen deutlichen Zuwachs und wird sich weiter steigern. Bis zu 739 Milliarden Euro sollen innerhalb der europäischen Datenwirtschaft umgesetzt werden, erwartet die Europäische Kommission für dieses Jahr. Das würde mehr als drei Prozent des europäischen Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Um diese Entwicklung zu fördern, strebt die EU eine europäische Datenwirtschaft als wichtigen Binnenmarktgedanken an.

Öffentliche Betriebe sollen Daten kostenlos veröffentlichen, fordert die PSI-Richtlinie der EU

Mit der „Richtlinie über Open Data und zur Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors“ (PSI-Richtlinie) hat die EU im vergangenen Jahr dafür den Grundstein auf europäischer Ebene gelegt. Öffentliche Betriebe sollen Daten kostenlos veröffentlichen und Potenziale gehoben werden. Aktuell sieht die Umsetzung der PSI-Richtlinie lediglich Regelungen und Pflichten für öffentliche Stellen vor. Bis Juli 2021 muss diese Novellierung in Deutschland in nationales Recht überführt werden und erhöht den Druck auf öffentliche Betriebe, ihre Daten zu teilen. Bisher waren diese ausgenommen und konnten sie nutzen, um im Wettbewerb mit privaten Akteuren zu bestehen.

Sollen Amazon und Google von der PSI-Richtlinie profitieren?

Kommunale Unternehmen verfügen über unzählige Daten, die für ihre Aufgabenerfüllung wesentlich sind. Sie werden für innovative Leistungsangebote und die Digitalisierung der Daseinsvorsorge am Bürger genutzt. Doch der gegenwärtige Rechtsraum für kommunale Unternehmen ist unsicher, teils widersprüchlich und steht einer modernen, datenbasierten Daseinsvorsorge entgegen. Neben dem Gemeindewirtschaftsrecht, ist die Richtlinie für die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (PSI-Richtlinie) Hauptgrund dafür. Im Wettbewerb mit privaten Akteuren sehen sich die öffentlichen Unternehmen benachteiligt, da sie zur einseitigen Weitergabe von Daten verpflichtet werden könnten. Entwicklungen wie in Berlin, wo der US-Konzern Google Verkehrsdaten der BVG gegenleistungslos für die Anreicherung von Verkehrsdaten bezieht, werden dann zum Regelfall für eine Füllen an Sektoren und Daten.

Die Erhebung und Bewirtschaftung von Daten ist für öffentliche Unternehmen kostspielig. Eine verpflichtende kostenlose Weitergabe hemmt daher die Anreize öffentlicher Unternehmen innovativ voranzuschreiten und die Daten überhaupt zu erheben. Die digitale Transformation der Daseinsvorsorge anzugehen wird dadurch ebenso gefährdet wie eine Reihe von bestehenden Geschäftsmodellen öffentlicher Unternehmen.

Digitale Daseinsvorsorge & faire Datenbewirtschaftung

Die Gestaltung des Level playing field der Datenbewirtschaftung durch die Bundesregierung bedarf eines stärkeren Fokus auf die besondere Stellung von kommunalen Unternehmen, als gemeinwohlorientierten Versorgern und gleichzeitig Akteuren im marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Drei Empfehlungen werden in der Studie für eine datenbasierte moderne Daseinsvorsorge formuliert:

  1. Schaffung eines bundesweiten Public Data Space

Es brauch ein bundesweit zugängliches System aus Konzepten, Verfahrens- und Rechtsvorschriften, Sicherheitsvorgaben, technischen Standards sowie einer Infrastruktur, um die Nutzung von Daten für die digitale Daseinsvorsorge in einem Datenraum mit klaren Standards und Gemeinsamkeiten zu strukturieren. Diese Initiative würde die besondere Rolle kommunaler Unternehmen und ihre Funktion für die digitale Daseinsvorsorge berücksichtigen und dabei helfen Potenziale zu heben. Ein bundesweiter “Public Data Space” könnte als solche Plattform und Architekturentwurf für dezentralen Datenaustausch zwischen vertrauenswürdigen kommunalen Akteuren und möglichen privatwirtschaftlichen Unternehmen dienen, welche bereits auf kommunaler (Urban Data Spaces) oder sektoraler (z. B. International Data Spaces) Ebene digital miteinander vernetzt sind.

  1. „Public Data German Standard“ als Qualitätssiegel und moderner, kommunaler „Daten-TÜV“

In einem solchen Datenraum, könnte ein Qualitätssiegel „Public Data German Standard“ den konzeptionellen Rahmen geben, um urbane Datenräume in der deutschen und europäischen Datenwirtschaft, strategisch effektiv zu positionieren. Unter „Public Data German Standard“ ist eine grundlegende, genormte digitale Architektur zu verstehen, inklusive technischer, ökonomischer und rechtlicher Anforderungen. Einheitliche Standards „Public Data German Standard“ könnten vor allem auch kommunalen und mittelständischen Unternehmen einen Rahmen geben, in die sie ihrer Rolle als Rückgrat der Wirtschaft gerecht werden können. Einheitliche Standards senken zudem Transaktionskosten, in dem sie Unsicherheit bezüglich gesetzlicher Rahmenbedingungen und zukünftiger Investitionen in datenbasierte Projekte beseitigen.

  1. Ausgestaltung der PSI-Richtlinie in Europa und Deutschland aktiv angehen

Die Interpretation und weitere Ausgestaltung der PSI-Richtlinie durch die Bundesregierung ist zentral, damit die aktuelle Dynamik im Wettbewerb verwendet werden kann, um Standards zu nutzen und Konkretisierung des Regulierungsrahmens aktiv mitzugestalten. Daten, die die Daseinsvorsorge erschließen und den kommunalen Unternehmen wirtschaftliche Betätigung in digitalen Geschäftsfelder ermöglichen, rücken dabei in den Fokus. Eine enge Auslegung des Anwendungsbereichs der Richtlinie, in Bezug auf öffentliche Unternehmen auf europäischer Ebene, ist dabei zentral, um die konsequente Nutzung von Daten in einem gestuften Verfahren auf nationaler Ebene zu ermöglichen.

Die Studie

Die Studie „Digitale Daseinsvorsorge“ wurde von der Quadriga Hochschule Berlin im Jahr 2019 unter Leitung von Prof. Dr. Mario Voigt durchgeführt und untersucht die sinnvolle Nutzung und Hebung kommunaler Datenbestände. Sie basiert auf Analyse von Best Practice in Europa, Desk Research und Interviews mit Unternehmen, Institutionen und Verbänden in Deutschland. Im Forschungsbereich für Digital Public Affairs steht die Studie für Sie für kurze Zeit kostenlos zum Download bereit.

 

 

 

 

Mobilisierung: Wie aktiviert man Stakeholder durch Gamification

Mobilisierung: Wie aktiviert man Stakeholder durch Gamification

Unternehmen fragen sich, wie sie ihre Mitarbeit besser motivieren können. NGOs wollen dauerhaft die Freiwilligen binden oder Parteien die gewonnenen Mitglieder aktiv zum Mitmachen bewegen. Doch wie mobilisiert man Mitarbeiter, Freiwillige oder Mitglieder dauerhaft für die gemeinsamen Ziele in Zeiten wachsender Veränderungen? Wie werden Betroffene zu Beteiligten? Mit einer neuen Serie zur Mobilisierung von Stakeholdern durch Gamification.  

Zeitalter der Engagement-Krise

Wir sind im Zeitalter der Engagement-Krise. Während unsere Gesellschaft immer vernetzter, schnelllebiger und leistungsfähiger wird, wächst die Herausforderung für Unternehmen, NGOs oder Parteien Bürger, Kunden, Angestellte, Freiwillige oder Mitglieder einzubinden. Gallup fand heraus, dass nur ein Drittel der Mitarbeiter sich aktiv in die Entwicklung ihres Unternehmens einbringen. Aktiv gegen das eigene Unternehmen engagieren sich 16 Prozent der Mitarbeiter und über die Hälfte (51 Prozent) sind einfach nur anwesend. Ähnliche Herausforderungen berichten NGOs oder Parteien. Schlechte Motivation und Engagement ist schlecht für den Erfolg. Es behindert Innovationen, beschränkt die Entwicklung des vollen Potentials der Stakeholder und schwächt den Erfolg der Organisation. 

Gerade in Zeiten der Digitalisierung und Social Media wachsen dabei die kommunikativen Herausforderungen. Schätzungen gehen davon aus, dass die meisten Menschen im Durchschnitt mehr 285 Artikel, Tweets oder Facebook Posts konsumieren, was über 54.000 Wörtern entspricht. Das ist die Länge eines typischen Romans. Doch steigt durch den Information Overload das Engagementlevel? Eher im Gegenteil. Es werden nur Informationen geteilt, die persönlich relevant und motivierend sind. Kurz gesagt: Wer das kommunikative Potential seiner Stakeholder, Mitarbeiter und Mitglieder aktiv nutzen will, muss sie zu mobilisieren wissen. 

Nur so kann Transformation gelingen. Studien über Change-Projekte in Unternehmen zeigen, dass durch Kommunikation und das aktive Engagement der Beteiligten die Transformation bis zu ein Jahr schneller gelingt und die Ziele um drei Jahre schneller erreicht werden. Um den gewünschten Wandel im Denken zu erreichen, sind unmittelbare Beteiligung und eine Identifikation mit Inhalt und Richtung der Veränderung nötig. 

Spielerisch zum Stakeholder Engagement und Mobilisierung

Es ist ein Irrglaube, dass höhere Beschäftigungsanreize und Bonuszahlungen auch mit der Verbesserung von Resultaten einhergehen. Vielmehr gewinnen mit der Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt neuartige Methoden an Bedeutung, die persönliche Motivationen der Stakeholder mit den Organisationsinteressen zu verbinden wissen. Dabei berücksichtigen sie intrinsische und extrinsische Motivationsfaktoren. Und zwar spielerisch durch Gamification.

Gamification ist die Anwendung der Psychologie des Spiels auf einen nicht spielerischen Kontext, um beispielsweise Mitarbeiter im Unternehmen oder Mitglieder von Organisationen für gewünschte Handlungen zu motivieren und zu belohnen. Es zielt darauf ab, Betroffene zu Beteiligten zu machen – auf eine spielerische Art und Weise.

Gamification dient drei Hauptzwecken:

  • Änderung des Verhaltens,
  • Entwicklung von Fähigkeiten und
  • Förderung der Innovation

Gamification ist dort am besten eignet, wo man die die Ziele und Motivationen des Einzelnen mit denen der Organisation verbinden kann. Im besonderen richtet es sich an drei Zielgruppen:

1. Kunden

Kundenorientierte Gamification-Lösungen sind weit mehr als verbesserte Loyalitätsprogramme. Gamification kann verwendet werden, um das Produktangebot zu verbessern, Kundeninteraktionsmodelle zu ändern und Kundenunterstützungsnetzwerke zu ermöglichen. Im Mittelpunkt steht, dass was schätzt der Kunde und wie können wir ihn aktiv mobilisieren.

2. Mitarbeiter

Mitarbeiterorientierte Anwendungen von Gamification wachsen am stärksten. Sie bieten die größten Möglichkeiten, weil Arbeitnehmer eingebunden und aktiv für das Unternehmen mobilisiert werden. Anwendungsbeispiele reichen von Veränderung der Unternehmenskultur über Leitung von Mitarbeitern hin zu einer erfolgreichen Prozessausführung sowie Implementierung von Transformationsprogrammen. Im Mittelpunkt steht, den Mitarbeiter langfristig durch eine hohe Unternehmensbindung und -motivation zu binden und zu qualifizieren.

3. Interessengemeinschaften wie Parteien oder NGOs

Gamification ist außerdem besonders gut geeignet, um Interessengruppen an Verhaltensänderungen zu beteiligen. Was macht man mit Freiwilligen in NGOs oder Mitgliedern in Parteien, die man nicht zum Engagement zwingen kann? Im Mittelpunkt steht die Stärkung gemeinsamer Ziele und sie durch spielerische Anreize zu befördern.

Wie gelingt Gamification?

Eine neue Serie zur Mobilisierung von Stakeholdern durch Gamification zeigt wie Mitarbeiter und Kunden, Mitgliedern und Freiwilligen zu aktivem Engagement eingebunden werden.

  • Welche verhaltenspsychologischen Motive gibt es für Mitarbeiter, Kunden und Freiwillige?
  • Wie entwickelt man Gamification im Unternehmen oder NGOs?
  • Wie mobilisiert man das Engagement?
  • Wie sieht ein Design für Gamification aus?
  • Welche Chancen bietet die Digitalisierung, Anreize aktiv zu befördern?
  • Welche Praxisbeispiele waren erfolgreich?

All diese Fragen will die neue Serie beantworten. Zweimal die Woche. Hands on und mit praktischer Relevanz für Unternehmen, NGOs und gesellschaftliche Organisationen. Wer keinen Beitrag verpassen will, kann sich in den Newsletter eintragen und erhält exklusives Hintergrundmaterial und Case Studies.

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3 Gründe gegen die Gebietsreform

3 Gründe gegen die Gebietsreform

Die Gebietszentralisierung ist Teil eines langangelegten Plans von Rot-Rot-Grün den ländlichen Raum systematisch kaputt zu machen. Das Problem ist: diese Landesregierung ist vielleicht nur noch 3 Jahre da, die Menschen in ihrer Heimat ein Leben lang.

1500 Euro Beraterhonorar lässt sich Rot-Rot-Grün das wissenschaftliche Minnesängertum eines Berliner Professor kosten, um zu belegen, dass die Kleinteiligkeit Thüringer Gemeinden und die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung eine Zentralisierung notwendig mache.

Tatsächlich ist es wissenschaftlich erwiesen, dass diese angestrebte Gebietsreform die Demokratie schwächt, nichts spart sondern die Bürger kostet und eine wesentliche Stärke Thüringens gefährdet – das Ehrenamt.

Die Zentralisierung gefährdet das demokratische Mitmachen.

Die geplanten Gebietsveränderungen schwächen die Effektivität der demokratischen Kontrolle. Neueste Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die gemeindliche Organisationsform sich signifikant auf Wahlbeteiligung auswirkt: Mit zunehmender kommunaler Zentralisierung sinkt die Wahlbeteiligung. Rot-rot Grün will die Verwaltungsgemeinschaften abschaffen. Die Wissenschaft zeigt jedoch, würde man eine Verwaltungsgemeinschaft in eine Einheitsgemeinde überführen, wäre mindestens mit einer knapp 2 Prozent niedrigeren Wahlbeteiligung zu rechnen.

Das Ehrenamt sinkt und die Frustrationskosten steigen

In grossen zentralistischen Einheiten kommen die sogenannten „Frustrationskosten“ hinzu. Diese entstehen, wenn infolge größeren räumlichen Zuschnitts die Wünsche eines Teils der Bewohner einer Gebietskörperschaft systematisch keine Berücksichtigung finden. Man frage nur mal die eingemeindeten Ortschaften um Erfurt oder Jena.

Heutzutage fangen in vielen Orten Ehrenamtler Aufgaben auf, welche der Staat nicht erledigen kann oder will. Im Sportverein, bei der freiwilligen Feuerwehr oder als Gemeinderat bzw. Bürgermeister. Deren Dienst an der Gemeinschaft wird in zentralistischen Strukturen volkswirtschaftlich teuer.

Die Rechnung mal praktisch. In meinem Wahlkreis gibt es eine Verwaltungsgemeinschaften mit 12 ehrenamtlichen Bürgermeistern. Wenn wir jetzt annehmen, diese Bürgermeister leisten 10 Stunden pro Woche ab (es ist häufig deutlich mehr und die Gemeinderäte sind noch nicht mal mitgerechnet). Wenn wir diese 10 Stunden mal 4 Wochen im Monat nehmen entspricht das mindestens 3 Vollzeitstellen, welche die Bürger deutlich teurer bezahlen müssten.

Die Zentralisierung verschlechtert die Sparsamkeit und finanzielle Situation

Die Befürworter von rot-rot-grün erhoffen sich von ihrer Zentralisierung positive Kosteneffekte. Es gibt nur keine ernsthafte wissenschaftliche Studie, die diese These stützt. Im Gegenteil.

Ein Gutachten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat die von der Gemeindereform in Sachsen-Anhalt erwarteten Kostenersparnissen untersucht. Das Ergebnis spricht klar gegen die Pläne von rot-rot-grün in Thüringen: Für die Zentralisierung zu kommunalen Großeinheiten lässt sich keine Rechtfertigungen finden.

Vielmehr steht nach den wissenschaftlichen Untersuchungen zu befürchten, „dass großflächige Gemeinden im ländlichen Raum aufgrund der Siedlungsstruktur und nur begrenzten Größenvorteilen bei der kommunalen Leistungserstellung nicht nur keine wesentliche Verbesserung der Kosteneffizienz erreichen werden, sondern auch aufgrund der negativen Anreizeffekte für Bürger wie Politik und Verwaltung (bspw. geringeres bürgerschaftliches Engagement aufgrund geringerer Identifikation, fehlende Kontrolle politischer Entscheidungsträger, geringere Präferenzgerechtigkeit des Verwaltungshandelns), die solche „Riesengemeinden“ mit sich bringen, eine weitere Effizienzverschlechterung erfahren.“ Das heißt nichts anderes als, dass die Sparsamkeit und die öffentlichen Finanzen schlechter werden.

Schon heute hat THÜRINGEN in den staatlichen und kommunalen Aufgabenbereiche tendenziell eine größere Fläche je Verwaltungseinheit als im Bundesdurchschnitt. Warum muss man das jetzt zwanghaft verschlechtern? Es kann nicht um Demographie oder Finanzen gehen. Es geht rot-rot-grün um einen Angriff auf den ländlichen Raum. Dagegen gilt es sich zu wehren.

Gebietsreform von Rot-Rot-Grün wird teuer

Gebietsreform von Rot-Rot-Grün wird teuer

Rot-Rot-Grün will eine Radikalreform für Thüringen. Bis auf die Einwohner von Jena und Erfurt dürfen sich alle Thüringer auf einen Angriff auf ihre Gemeinden, Städte und Landkreise einstellen. Es sollen Landkreise geschaffen werden, die von der bayrischen bis zur sachsen-anhaltinische Grenze reichen und bis zu 3000 Quadratkilometer groß sind. Doch was bringt diese Veränderung? Mehr Kosten und mehr Staat.

  1. Kosten steigen 

Rot-Rot-Grün argumentiert immer mit Kostensenkungen durch größere Einheiten. Tatsächlich zeigen die Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und aus Sachsen eher das Gegenteil. Es ist eine irrige Annahme, dass Großkreise effizienter arbeiten. Dies kann man gut an den Kreisumlagen sehen. So lag Sachsen vor der Kreisgebietsreform auf einem Niveau mit Thüringen (2008: 199 € je Einwohner, bzw. 196 € je Einwohner). Nach der Kreisgebietsreform ist die Kreisumlage drastisch gestiegen und liegt mit 242 € je Einwohner nun 22 % über dem Wert von 2008. Auch die anderen Großkreis-Länder Mecklenburg-Vorpommern (259 € je Einwohner), Sachsen-Anhalt (275 € je Einwohner) und Brandenburg (364 € je Einwohner) liegen deutlich über dem Wert aus Thüringen. In all diesen Ländern ist die Kreisumlage nach der Gebietsreform deutlich angestiegen. Dies zeigt: die Thüringer Kreisstruktur arbeitet deutlich effizienter als die unserer Nachbarn und lässt auch den Städten und Gemeinden mehr Luft zum Atmen.

  1. Eine heimliche Steuererhöhung für den ländlichen Raum

Rot-Rot-Grün argumentiert, die Gebietsreform würden der Bürger gar nicht merken. Tatsächlich spüren es die Bürger unmittelbar im Geldbeutel. Ohne geänderte Leistungen verteuert sich für die Bürger und Unternehmen das Leben. Vergleicht man sich die Grundsteuer B oder die Gewerbesteuer wird dies schnell sichtbar. In der größten Stadt Thüringens, Erfurt, war die Steuer für bebauten oder unbebauten Grundbesitz zum 31.12.2013 mindestens 100 Punkte höher (490) als bei allen Thüringer Landkreisen. Auch bei der Gewerbesteuer greifen die größeren Einheiten den Unternehmen stärker in die Tasche. Erfurt oder Gera liegen mindestens 80 Punkte über dem Thüringer Durchschnitt. Es verwundert nicht, dass die Steuer-„Spitzenreiter“ bei den Landkreisen Ilmkreis, Unstrut-Hainich oder Nordhausen auch von SPD oder Linken regiert werden. Tatsächlich ist eine Gebietsreform ein heimlicher Griff in die Tasche der Bürger.

  1. Ehrenamt und Demokratie nehmen Schaden

Rot-Rot-Grün argumentiert, eine Gebietsreform hätte keine Auswirkung auf das Engagement der Bürger. Nun, bürgerschaftliche Nähe stützt nachweisbar das Ehrenamt. Je überschaubarer und persönlicher die Gemeinden, desto mehr Menschen machen mit. Das Engagement boomt in überschaubaren Regionen. Anonymität ist Gift für das soziale Kapital Thüringens. Wer Großstrukturen schaffen will, der nimmt in Kauf, dass es in vielen ehemals selbstständigen Orten keine Vertreter mehr gibt, welche die Probleme kennen und pragmatisch lösen. Das wirkt sich auf Vereine und das gemeindliche Leben aus.

Ein Blick in den Sozialstrukturatlas der ehemaligen Sozialministerin Taubert aus dem Jahr 2011 belegt, dass die Ehrenamtsquote in großen, zentralistisch Regionen Thüringens deutlich niedriger ist als in den freier, subsidiär und überschaubar organisierten Regionen. Nun mag das für manche Sozialromatik sein. Nur werden die tatsächlichen Ehrenamtler in Mecklenburg-Vorpommern mittlerweile von hauptamtlichen Bürgermeistern aus den Kreistagen verdrängt. Die ehrenamtlich Tätigen wollen sich den 100-200 Kilometer Weg bis zur Kreishauptstadt nicht mehr antun, um dann dort über Grundschulen oder Investitionen zu entscheiden, die sie selbst nicht mehr kennen. Und da ist noch nicht mal über die Auswirkungen auf Kreissportbünde, Feuerwehrverbände oder die strukturpolitische Bedeutung eines Kreissitzes mit seinen Einrichtungen vom Krankenhaus bis zur Polizeiinspektion gesprochen, die dann wegfallen.

So verschwindet die Identifikationskraft mit dem Staat, die Vereinsvorsitzende, kleine Bürgermeister oder Gemeinderäte als soziales Kapital entfalten. Das ist das Ende der kommunalen Selbstverwaltung und der falsche Weg.

  1. Schulden mehren sich

Rot-Rot-Grün argumentiert, Aufgaben würden gemeinsam effizienter erledigt werden. Tatsächlich gibt es aber keine staatliche Aufgabe weniger. Die Zwangsfusion der Gemeinden oder Landkreise spart keine Mitarbeiter, da die Zahl der Vorgänge etwa im Sozialamt nicht weniger wird. Stattdessen wächst mit größerer Distanz zu Orten und Problemen der Aufwand. Denn die konkrete Anschauung fehlt. Deswegen ist auch die Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften abzulehnen. Wir geben jährlich 5 Mio. Euro als Entschädigung für alle ehrenamtlichen Bürgermeister von Gemeinden aus, die sich innerhalb von VGs befinden. Das ist gut investiertes Geld für bürgernahe Verwaltung. Dagegen zeigt sich die fehlende Effizienz bei der Erledigung von Aufgaben bspw. bei einem Blick nach Nordrhein-Westfalen, die seit Jahrzehnten auf anonyme Großstrukturen setzen. Die Kommunen in NRW sind hochgradig verschuldet, teilweise bis zum Rand der Handlungsunfähigkeit. Blickt man hingegen Richtung Bayern, einem in weiten Teilen ländlich geprägten Bundesland, welches mit Thüringen gut zu vergleichen ist. Hier sind die effizientesten Verwaltungsstrukturen zu finden, die ausdrücklich auf eine Kleinteiligkeit setzen. Bayern hat allein 10 kreisfreie Städte unter 50.000 Einwohnern und über 20 Landkreise unter 100.000 Einwohnern. Also ganz ähnliche Strukturen, wie wir in Thüringen.

Fazit: 

Die Gebietsreform von Rot-Rot-Grün wird den Bürger teuer zu stehen kommen: es fehlt die volkswirtschaftlichen Gesamtschau, sie unterschätzt das soziale Gefüge, unterminiert die Identität der Landstriche und erhöht heimlich die steuerliche Gesamtquote. Viel wertvoller wäre doch die Debatte: Was will der Staat noch machen oder von welchen Aufgaben will er sich trennen?

Man kann für eine Gebietsreform sein – aber dann muss man auch ehrlich sagen, dass es um eine politisch motivierte Zentralisierung geht, und nicht weil es effizienter, wirtschaftlicher oder bürgernäher wäre. Hätte Rot-Rot-Grün Mut, würden sie ihre Reform zur Volksabstimmung stellen und klären, ob die Menschen in unserem Land das wollen oder nicht!

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