Rot-Rot-Grün will eine Radikalreform für Thüringen. Bis auf die Einwohner von Jena und Erfurt dürfen sich alle Thüringer auf einen Angriff auf ihre Gemeinden, Städte und Landkreise einstellen. Es sollen Landkreise geschaffen werden, die von der bayrischen bis zur sachsen-anhaltinische Grenze reichen und bis zu 3000 Quadratkilometer groß sind. Doch was bringt diese Veränderung? Mehr Kosten und mehr Staat.

  1. Kosten steigen 

Rot-Rot-Grün argumentiert immer mit Kostensenkungen durch größere Einheiten. Tatsächlich zeigen die Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und aus Sachsen eher das Gegenteil. Es ist eine irrige Annahme, dass Großkreise effizienter arbeiten. Dies kann man gut an den Kreisumlagen sehen. So lag Sachsen vor der Kreisgebietsreform auf einem Niveau mit Thüringen (2008: 199 € je Einwohner, bzw. 196 € je Einwohner). Nach der Kreisgebietsreform ist die Kreisumlage drastisch gestiegen und liegt mit 242 € je Einwohner nun 22 % über dem Wert von 2008. Auch die anderen Großkreis-Länder Mecklenburg-Vorpommern (259 € je Einwohner), Sachsen-Anhalt (275 € je Einwohner) und Brandenburg (364 € je Einwohner) liegen deutlich über dem Wert aus Thüringen. In all diesen Ländern ist die Kreisumlage nach der Gebietsreform deutlich angestiegen. Dies zeigt: die Thüringer Kreisstruktur arbeitet deutlich effizienter als die unserer Nachbarn und lässt auch den Städten und Gemeinden mehr Luft zum Atmen.

  1. Eine heimliche Steuererhöhung für den ländlichen Raum

Rot-Rot-Grün argumentiert, die Gebietsreform würden der Bürger gar nicht merken. Tatsächlich spüren es die Bürger unmittelbar im Geldbeutel. Ohne geänderte Leistungen verteuert sich für die Bürger und Unternehmen das Leben. Vergleicht man sich die Grundsteuer B oder die Gewerbesteuer wird dies schnell sichtbar. In der größten Stadt Thüringens, Erfurt, war die Steuer für bebauten oder unbebauten Grundbesitz zum 31.12.2013 mindestens 100 Punkte höher (490) als bei allen Thüringer Landkreisen. Auch bei der Gewerbesteuer greifen die größeren Einheiten den Unternehmen stärker in die Tasche. Erfurt oder Gera liegen mindestens 80 Punkte über dem Thüringer Durchschnitt. Es verwundert nicht, dass die Steuer-„Spitzenreiter“ bei den Landkreisen Ilmkreis, Unstrut-Hainich oder Nordhausen auch von SPD oder Linken regiert werden. Tatsächlich ist eine Gebietsreform ein heimlicher Griff in die Tasche der Bürger.

  1. Ehrenamt und Demokratie nehmen Schaden

Rot-Rot-Grün argumentiert, eine Gebietsreform hätte keine Auswirkung auf das Engagement der Bürger. Nun, bürgerschaftliche Nähe stützt nachweisbar das Ehrenamt. Je überschaubarer und persönlicher die Gemeinden, desto mehr Menschen machen mit. Das Engagement boomt in überschaubaren Regionen. Anonymität ist Gift für das soziale Kapital Thüringens. Wer Großstrukturen schaffen will, der nimmt in Kauf, dass es in vielen ehemals selbstständigen Orten keine Vertreter mehr gibt, welche die Probleme kennen und pragmatisch lösen. Das wirkt sich auf Vereine und das gemeindliche Leben aus.

Ein Blick in den Sozialstrukturatlas der ehemaligen Sozialministerin Taubert aus dem Jahr 2011 belegt, dass die Ehrenamtsquote in großen, zentralistisch Regionen Thüringens deutlich niedriger ist als in den freier, subsidiär und überschaubar organisierten Regionen. Nun mag das für manche Sozialromatik sein. Nur werden die tatsächlichen Ehrenamtler in Mecklenburg-Vorpommern mittlerweile von hauptamtlichen Bürgermeistern aus den Kreistagen verdrängt. Die ehrenamtlich Tätigen wollen sich den 100-200 Kilometer Weg bis zur Kreishauptstadt nicht mehr antun, um dann dort über Grundschulen oder Investitionen zu entscheiden, die sie selbst nicht mehr kennen. Und da ist noch nicht mal über die Auswirkungen auf Kreissportbünde, Feuerwehrverbände oder die strukturpolitische Bedeutung eines Kreissitzes mit seinen Einrichtungen vom Krankenhaus bis zur Polizeiinspektion gesprochen, die dann wegfallen.

So verschwindet die Identifikationskraft mit dem Staat, die Vereinsvorsitzende, kleine Bürgermeister oder Gemeinderäte als soziales Kapital entfalten. Das ist das Ende der kommunalen Selbstverwaltung und der falsche Weg.

  1. Schulden mehren sich

Rot-Rot-Grün argumentiert, Aufgaben würden gemeinsam effizienter erledigt werden. Tatsächlich gibt es aber keine staatliche Aufgabe weniger. Die Zwangsfusion der Gemeinden oder Landkreise spart keine Mitarbeiter, da die Zahl der Vorgänge etwa im Sozialamt nicht weniger wird. Stattdessen wächst mit größerer Distanz zu Orten und Problemen der Aufwand. Denn die konkrete Anschauung fehlt. Deswegen ist auch die Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften abzulehnen. Wir geben jährlich 5 Mio. Euro als Entschädigung für alle ehrenamtlichen Bürgermeister von Gemeinden aus, die sich innerhalb von VGs befinden. Das ist gut investiertes Geld für bürgernahe Verwaltung. Dagegen zeigt sich die fehlende Effizienz bei der Erledigung von Aufgaben bspw. bei einem Blick nach Nordrhein-Westfalen, die seit Jahrzehnten auf anonyme Großstrukturen setzen. Die Kommunen in NRW sind hochgradig verschuldet, teilweise bis zum Rand der Handlungsunfähigkeit. Blickt man hingegen Richtung Bayern, einem in weiten Teilen ländlich geprägten Bundesland, welches mit Thüringen gut zu vergleichen ist. Hier sind die effizientesten Verwaltungsstrukturen zu finden, die ausdrücklich auf eine Kleinteiligkeit setzen. Bayern hat allein 10 kreisfreie Städte unter 50.000 Einwohnern und über 20 Landkreise unter 100.000 Einwohnern. Also ganz ähnliche Strukturen, wie wir in Thüringen.

Fazit: 

Die Gebietsreform von Rot-Rot-Grün wird den Bürger teuer zu stehen kommen: es fehlt die volkswirtschaftlichen Gesamtschau, sie unterschätzt das soziale Gefüge, unterminiert die Identität der Landstriche und erhöht heimlich die steuerliche Gesamtquote. Viel wertvoller wäre doch die Debatte: Was will der Staat noch machen oder von welchen Aufgaben will er sich trennen?

Man kann für eine Gebietsreform sein – aber dann muss man auch ehrlich sagen, dass es um eine politisch motivierte Zentralisierung geht, und nicht weil es effizienter, wirtschaftlicher oder bürgernäher wäre. Hätte Rot-Rot-Grün Mut, würden sie ihre Reform zur Volksabstimmung stellen und klären, ob die Menschen in unserem Land das wollen oder nicht!

Newsletter abonnieren

%d Bloggern gefällt das: