Herausforderungen für Thüringen

Herausforderungen für Thüringen

Stellen Sie sich vor, Sie schreiben heute ihrem neugeborenen Kind einen Brief, den es erst an seinem 18. Geburtstag lesen darf. Mancher würde vielleicht auf die Idee kommen, die heutige Zeit und das Land zu beschreiben, in dem er lebt.

Mit Blick auf Thüringen fällt einem viel Gutes ein. Wir stehen an der Spitze der jungen Länder. Wir haben die größte Industriedichte in Deutschland, eines der national und international besten Bildungssysteme, engagierte Polizisten, die dafür sorgen, dass der Freistaat die höchste Aufklärungsquote hat, eine stabile und mittelständische Wirtschaft und mit Abstand die geringste Arbeitslosenquote in den jungen Ländern.

Macht es aber nicht viel mehr Sinn, statt dem Erreichten, die Herausforderungen und Chancen der Zukunft zu beschreiben? Denn an seinem 18. Geburtstag weiß ihr Kind ganz genau, ob es seiner Elterngeneration gelungen ist, die Herausforderungen von vor 18 Jahren zu meistern. Das ist die Spannung unserer, der heutigen Zeit. Haben wir den Mut und die Kraft, nach den erfolgreichen Aufbaujahren, Neues zu denken. Unser Mut, heute vorrausschauend zu handeln, ist die Grundlage für eine gute Zukunft unserer Kinder.

Alle Entscheidungen in unserem Land sind darauf auszurichten, wie Thüringen im Jahr 2020 eigenständig, innovativ und lebenswert sein kann. Das begründet einen politischen Perspektivwechsel. Weniger kurzfristiges Denken von einer Wahl zur nächsten Wahl, sondern nachhaltiges Handeln und Denken in langfristigen Linien müssen Maßstab für alle politische Entscheidungen der Gegenwart sein.

Die Ministerpräsidentin hat mit ihrer Jenaer Rede den Zukunftsdialog Thüringen 2020 gestartet. Damit begann ein Wettbewerb der Ideen über die langfristige Zukunft des Landes, an der sich Bürger, verschiedene gesellschaftliche Akteure aus Politik, Wirtschaft, Kirchen und Kultur gemeinsam beteiligen. Auch die CDU hat einen Zukunftsdialog Thüringen 2020 gestartet. In Zukunftswerkstätten, Zukunftsforen und Zukunftskongressen der CDU haben sich seitdem fast 3000 Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Wir freuen uns, dass auch andere Parteien sich an diesem Ideenwettbewerb mittlerweile beteiligen.

Unser Ziel ist, dass Thüringen 2020 zu den innovativsten Regionen in Deutschland und Europa gehört. Thüringen hat erhebliche Potenziale. Unser größtes Potential sind die Menschen selbst.

Will Thüringen auf dem Weg erfolgreich sein, hat es mindestens mit zwei großen Herausforderungen zu kämpfen.

1. Die Veränderung unserer Bevölkerung. Der Freistaat Thüringen wird nach den Ergebnissen der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung bis 2030 gegenüber dem Jahr 2009 Einwohner von zweimal der Größe der Stadt Erfurt verlieren.

2. Die Veränderung der öffentlichen Finanzen. Bis 2020 werden aufgrund geringerer Mittel von Bund und EU rund 1-1,5 Milliarden Euro weniger an Einnahmen zur Verfügung stehen.

Wer diese Herausforderungen meistern will, muss heute die Grundlagen für den Erfolg von morgen legen. Das heißt auch klare strategische Ziele zu haben:

· Thüringen in allen wichtigen Kernbereichen in die Spitze der Bundesländer zu führen.
· Gut bezahlte Arbeit für alle Thüringer zu bieten.
· Mit exzellent ausgebildeten Fachkräften in Handwerk und Industrie der Innovationsstandort Deutschlands zu sein.
· Bildungspolitisches Musterland zu bleiben.
· Thüringen zum Vorreiterland der Gestaltung des demographischen Wandels zu machen.
· Liebenswertes und weltoffenes Land zu sein, wo es sich für Jung und Alt zu leben lohnt.

Das sind abrechenbare Ziele, die einen klaren Fahrplan, aber auch genügend Offenheit und Bürgerbeteiligung benötigen. Denn ohne die Beteiligung der Thüringer wird das nicht gelingen. Ich bin skeptisch, ob neue Behörden oder Zukunftssekretariate da helfen. Es ist immer ein Fehler Linker gewesen, lieber über Strukturen als über die Menschen sprechen zu wollen.

Um Thüringen für 2020 fit zu machen, sind für uns für die nächsten beiden Jahre 4 Schwerpunkte besonders wichtig. Erstens: Gesunde Staatsfinanzen und Vorfahrt für Zukunftsinvestitionen. Zweitens: Strukturelle Reformen mit Augenmaß. Drittens: Internationalisierung des Landes. Viertens: Stärkung des Zusammenhalts.

Wer in der Zukunft gestalten will, der braucht gesunde Staatsfinanzen. Wir haben deshalb als Union schon 2007-2009 ausgeglichene Haushalte vorgelegt. Der aktuelle Etat sieht sogar Schuldentilgung vor. Um diesen Weg zu verstetigen, macht sich die CDU für eine Schuldenbremse in der Landesverfassung stark. Zusätzlich plädiere ich für eine “Staatsbremse”. Der Landtag verpflichtet sich, bei Mehrausgaben und Leistungsgesetzen immer entsprechende Minderausgaben an anderer Stelle zu beschießen.

Weil wir wissen, dass wir 2020 deutlich weniger Geld zur Verfügung haben werden, ist Schwerpunktsetzung notwendig: Bildung, Forschung und Infrastruktur sind die Prioritäten einer klugen Investitionsstrategie. Die Investitionsquote im Landeshaushalt muss dauerhaft über 10 Prozent verstetigt werden. Wir benötigen weiter erhebliche Investitionen, die den Erfindungsgeist und die Entwicklung neuer Technologien anregen. Wir brauchen zudem parallel Investitionen, die unsere Infrastruktur weiter voranbringen. Ein Hochtechnologiestandort ist ohne vernünftige Verkehrswege und attraktive Kommunen auf Dauer nicht denkbar. Wir wissen, dass unsere gute Infrastruktur bei vielen Ansiedlungsentscheidungen eine wichtige Rolle spielt. Unternehmen und Menschen schätzen die Qualitäten der „schnellen Mitte Deutschlands“. Das muss so bleiben. Eine gute Erreichbarkeit durch dichten und schnellen Bahnverkehr, gute Straßen und ein internationaler Flughafen sind wichtige Argumente, um Unternehmen und Fachkräfte hier zu halten – oder von Thüringen zu überzeugen.

Wir verstehen uns nicht nur als Sachwalter für gesunde Staatsfinanzen, sondern auch als Reformmotor im Land. Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs, die langfristig die finanzielle Ausstattung der Kommunen auf ein solides und demographiefestes Fundament stellt, sowie die Forstreform und die Polizeireform unterstreichen diesen Anspruch. Mit Blick auf das Jahr 2020 wird es darauf ankommen, die Modernisierung der Landesverwaltung umzusetzen. Dabei geht es um weniger Bürokratie und um eine Verschlankung der Verwaltung im Land. Bis 2020 werden wir deshalb die Landesverwaltung sozialverträglich um 11.000 Stellen reduzieren. Gleichzeitig wollen wir die Chancen des digitalen Zeitalters nutzen und das e-government ausbauen. Besonders wichtig bei allen Reformprozessen sind thüringengerechte Lösungen und Reformen mit Augenmaß. Deshalb werben wir für überschaubare kommunale Einheiten, die Bürgernähe und Identität sichern. Thüringens Zukunft liegt mit Sicherheit nicht in riesigen Regionalkreisen. Vielmehr muss Thüringen auch 2020 ein Land sein, indem weiterhin die regionalen Besonderheiten und die historischen Traditionen sich in der kommunalen Struktur wiederfinden.

Der dritte wichtige Bereich ist die Internationalisierung des Landes. Internationalisierung ist ein strategischer Schlüssel, um die Sicherung unseres Wohlstandes und neues Wachstum zu erreichen. Der Anspruch muss deshalb lauten: Thüringen international. In einer globalen Wirtschaftswelt gewinnt das Land, dessen Wirtschaft international aufgestellt ist. Gerade im Bereich wertschöpfungsstarker Hochtechnologie ist der Internationalisierungsgrad zu erhöhen, sind Zuwanderungskonzepte zu entwickeln und die Fachkräftegewinnung in Deutschland und Europa zu intensivieren. Es muss gelingen, dass Thüringen – weit über seine Grenzen hinaus – als Chancenland mit dynamischen und innovativen Unternehmen wahrgenommen wird.

Alle Veränderungen in unserem Land sind nur möglich, wenn dabei niemand auf der Strecke bleibt. Die Stärkung des Zusammenhalts der Gesellschaft ist uns deshalb besonders wichtig. Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft hängt auch davon ab, dass das Leistungsprinzip weiter gilt. Wenn Menschen den Eindruck haben, dass sich Leistung nicht lohnt, findet Leistung irgendwann nicht mehr statt. Das gefährdet Wachstum und Wohlstand. Wer arbeitet, muss deshalb mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet. Unter Führung unserer Ministerpräsidentin wurde deshalb ein Mindestlohnmodell erarbeitet, welches wirtschaftliche Vernunft und sozialen Ausgleich verbindet. Es sieht vor, dass nicht die Politik, sondern eine Kommission aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern eine Lohnuntergrenze festlegt. Dieses Modell hat Vorbildwirkung für ganz Deutschland. Es ermöglicht einen parteiübergreifenden Kompromiss für mehr Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt. Es ist bedauerlich, dass die Sozialdemokraten diesen gemeinsamen Weg verlassen haben und für einen Mindestlohnkompromiss nicht mehr zur Verfügung stehen.

Die Thüringer Union wird ihren Zukunftsdialog für ein modernes Thüringen 2020 fortsetzen. Wir laden alle Bürger ein, mit uns gemeinsam Thüringens Zukunft zu gestalten. Ganz nach dem Motto: Thüringen 2020 – Wir machen es gemeinsam.

Worum es der Union gehen muss

Worum es der Union gehen muss

Das gesellschaftliche Immunsystem ist überfordert und droht zu kollabieren. Der Staat hat sich übernommen. Wir haben mehr Staat, aber immer weniger ist gerecht.

Das doppelte Versprechen:

Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft beruht auf einem doppelten Versprechen. Das Versprechen zwischen Alt und Jung: Ich verspreche, heute so verantwortungsvoll zu leben, dass ihr auch noch morgen gut leben könnt. Und das Versprechen zwischen Arbeitenden und sozial zu Unterstützenden: Ich verspreche, nur so lange Leistungen der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen wie unbedingt nötig. Auf diesen Versprechen fußt unser Generationenvertrag und die soziale Idee unseres Staates. Blickt man jedoch auf die heutige Situation, ist das gesellschaftliche Immunsystem überfordert und droht zu kollabieren.

Ungerechte Umverteilungsmaschinerie und Illusion der Vollabsicherung

Der Hauptgrund für die Überforderung des Sozialstaates ist eine riesige Umverteilungsmaschinerie. Es gibt mittlerweile in unserer Gesellschaft drei Möglichkeiten Einkommen zu erlangen: entweder durch produktive Arbeit, durch die Umverteilung staatlicher Institutionen oder durch Kapitalanlage. Nun ist die Logik simpel: je mehr Menschen ihre Aktivitäten von produktiven hin zu Umverteilungserwerb oder Spekulation verlagern, desto geringer wird die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft. Steigende Staatsquote, ausufernde Verschuldung, mangelnde Leistungsfähigkeit in vitalen Infrastrukturen – sie sind alles ein Ausfluss eines falschen Sozialversprechens. Der Staat ist heute dazu übergegangen, nicht mehr durch Recht und Gesetz zu regieren, sondern durch die Macht des Geldes und ein Vollkaskoversprechen.

Ordnungspolitisch kann man Deutschland damit heute getrost als so sozialistisch bezeichnen

Infolge politisch gewollter Leistungsausweitung, Alterung und steigender Arbeitslosigkeit ist die Quote der Sozialleistungsempfänger von 1980 bis 2008 an der Gesamtbevölkerung um 15,7 Prozent gestiegen. Die Differenz zu den Erwerbstätigen beträgt jetzt nur noch knapp drei Prozent. So wundert es nicht, dass es mittlerweile der Staat ist, der das Volksvermögen hortet: Noch nie in der deutschen Gesellschaft wurden so viel Steuern gezahlt – 500 Milliarden im Jahr. Die Staatsquote ist fast bei 40 Prozent. Vor 100 Jahren betrugen sie 10, vor 50 Jahren rund 30 Prozent. Ordnungspolitisch kann man Deutschland damit heute getrost als so sozialistisch bezeichnen, wie es sich die schlimmsten 1968er nicht haben träumen lassen. Doch der Preis dafür ist hoch.

Die Mitte der Gesellschaft ist frustriert

In der breiten Mitte unserer Gesellschaft existieren eine Frustration und das Gefühl, dass unterm Strich immer weniger übrig bleibt. Die Mitte wird aufgefressen davon, dass neben Steuern und Sozialversicherung Praxisgebühr, Zusatzbeitrag, Riesterrente getreten ist. Das alles würde man noch hinnehmen, wenn man wüsste, wohin das führt. Die Mitte zahlt die Pflegekosten der Eltern, das Studium der Kinder und die eigene Riesterrente. Und das alles, ohne das jemand sagen kann, ob man in 20 Jahren selbst abgesichert ist. Es ist diese Orientierungslosigkeit gepaart mit Verlustangst, die an der Mitte zehrt. Es ist der 60jährige Landarzt, der geglaubt hat, seine Praxis ist seine Lebensversicherung, der nun merkt, das diese eben nichts mehr wert ist. Es ist der Fernsehmechaniker, der für das BWL-Studium seines Sohnes schuftet und der sich selbst hinterfragt, weil die Menschen ihre neue Flimmerkiste sowieso im media markt kaufen. Es sind die Millionen der Mittelschicht, welche die Gesellschaft tragen, sich aber von ihr zusehends weniger getragen fühlen.

Die Stützen der Gesellschaft: Die Leistungsträger des Alltags

Die Union hat es immer verstanden, unterschiedliche Schichten, Gruppen und Ideen zu integrieren. Wir waren nie nur die Partei der Armen oder Reichen, der Besserverdiener oder irgendwelcher soziologischer Sonderlinge. Wir waren Querschnitt, im besten Sinne Durchschnitt der Gesellschaft. Dabei wurde unsere Politik immer von entscheidenden Verbündeten gestützt, um deren Treue und Hilfe wir uns mehr bemühen müssen: die Leistungsträger des Alltags. Menschen, die jeden Tag früh aufstehen, sich um die gute Schulbildung ihrer Kinder sorgen und nicht nach dem Staat fragen, wenn sie durch ihren Fleiß, ihrer Arbeit, ihre Ideen und ihren Einsatz unser Land voranbringen. Sie kümmern sich um ihre Familie und ihre Identität. Die Union muss sich damit beschäftigen, wie in unserem Land wirklich gelebt wird – und nicht wie gelebt werden sollte. Wir müssen Gesellschaft als Familien begreifen. Nur so werden wir das doppelte Versprechen für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft erneuern können.

Woche der Entscheidung: Keine neuen Schulden und keine höheren Steuern

Woche der Entscheidung: Keine neuen Schulden und keine höheren Steuern

Die Koalitionsverhandlung sollen in dieser Woche beendet werden. Bei der Europa-, Familien- und Bildungspolitik zeichnen sich Kompromisse ab. Es gibt aber auch Felder, wo die Union ihr Wahlprogramm maßgeblich durchsetzen sollte. Gerade bei der Finanz- und Wirtschaftspolitik steht Deutschlands Zukunft und die Glaubwürdigkeit der Union auf dem Spiel.

Blickt man auf die Koalitionsverhandlungen fallen drei Forderungen der SPD besonders auf:

  1. Höhere Steuern
  2. Neue Schulden
  3. Flächendeckende Regulierungen (Mindestlohn). 

Die Union ist gut beraten, sich nicht auf diese Kurzsichtigkeit einzulassen.

Die Hälfte des deutschen Wachstums in den letzten Jahren resultierte aus Exporten. Der Handelsüberschuss betrug 188 Milliarden Euro, oder 7% des BIP. Das ist weltweit der höchste Wert.

Damit hat Deutschland die niedrigste Arbeitslosigkeit der letzten 20 Jahre erreicht und eine Jugendarbeitslosigkeit, die unter 8 Prozent liegt. Der europäische Durchschnitt ist dreimal so hoch.

Die drei Forderungen der SPD wären Gift für  diesen Erfolgsweg.

1. Höhere Steuern: Belasten Bürger und Unternehmen, die schon mit den Energiekosten mittlerweile am Limit schrammen. Innerhalb der letzten drei Jahre sind die Kosten um 25 Prozent gestiegen und liegen rund 40-50 Prozent über dem europäischem Durchschnitt. Deswegen ist die Forderung nach einer Neustrukturierung des EEG richtig. Und auch im Feld der Steuer- und Abgabenpolitik wird Deutschlands Zukunft nicht gebaut. Wir haben kein Einnahme- sondern ein Ausgabeproblem. Es kürzlich publizierte die EZB eine Studie über die Einkommensverteilung innerhalb der OECD.

2. Neue Schulden:  Schuldenbremse, Euro-Schuldenkrise und Niedrigzinsphase – wer generationengerechte Politik will, verzichtet auf eine Schuldenpolitik. Deutschlands Erfolg hängt von der Bewältigung der europäischen Finanzierungskrise ab. Da ist die Reform- und Konsolidierungspolitik richtig: Diese Probleme zu lösen ist Aufgabe der Politik, die dazu finanzpolitische Instrumente verwenden kann. … Die Probleme des Euroraums sind im Kern eine Zahlungsbilanzkrise. Wenn Volkswirtschaften dauerhaft erhebliche Leistungsbilanzdefizite aufweisen, kann irgendwann die Bereitschaft des Auslandes, diese zu finanzieren, abnehmen oder ganz versiegen. Die häufig in der Diskussion stehenden hohen Staatsdefizite („Euro-Schuldenkrise“) sind für diese Leistungsbilanzsalden teilweise verantwortlich, aber auch andere Sektoren der Volkswirtschaften (Unternehmen und private Haushalte) haben dazu beigetragen. Werden Leistungsbilanzdefizite über die Märkte (Banken, Wertpapiermärkte) nicht mehr finanziert, kommt es zu krisenhaften Zuspitzungen.“ 

3. Flächendeckende Regulierungen: Die SPD setzt sich für einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro ein. Nun gibt es Studien, öffentliche Einlassungen von Branchenverbänden und auch Unternehmern, die vor einer gesetzlichen Lösung warnen. Mit dem Thüringer Modell liegt ein Kompromissvorschlag vor, der einen Fehler nicht macht: zu glauben, dass der Staat der bessere Unternehmer ist.

Also, standhaft bleiben und der SPD bei diesen Forderungen die rote Karte zeigen. Deutschlands Zukunft liegt nicht in alten sozialdemokratischen Utopien, sondern in klugen Antworten, die das Land stärken – in Bereichen von Demographie, Innovation und Infrastruktur.

 

Was bei den Koalitionsverhandlungen für Thüringen wichtig ist

Was bei den Koalitionsverhandlungen für Thüringen wichtig ist

Worin sehen Sie die größte Konfliktlinie in den Koalitionsverhandlungen?

Bei der Frage nach neuen Schulden und höheren Steuern. Wir sind in den Wahlkampf gegangen mit der klaren Ansage, dass es keine neuen Schulden und keine höheren Steuern geben wird. Dazu stehen wir auch in den Koalitionsverhandlungen. Um dieses durchzusetzen, müssen wir an anderen Stellen Kompromisse eingehen.

Beim Mindestlohn etwa?

Es gibt keinen Dissens darüber, ob es einen Mindestlohn geben wird. Wir sehen den Mindestlohn als soziales Netz, als eine Absicherung nach unten. Es geht allein um die Modalitäten. Die Höhe des Mindestlohnes sollte nicht von der Politik ausgehandelt werden, sondern von den Tarifpartnern. Mit dem Lieberknecht-Modell liegt übrigens ein zwischen CDU und SPD ausverhandelter Kompromissvorschlag beschlussreif auf dem Tisch. Der ist eine Blaupause für die Berliner Koalition. Wichtig ist, der Mindestlohn darf keine Arbeitsplätze kosten.

Die Ministerpräsidentin sprach sich auch für einen Deutschlandfonds aus.

Wir sehen einen Bedarf, dass strukturschwache Gebiete auch nach dem Auslaufen des Solidarpaktes eine besondere Finanzierung erhalten. Außerdem wollen wir uns dafür einsetzen, Kommunen weniger abhängig von Gewerbesteuerschwankungen zu machen, und ein eigenständiges Förderprogramm für kleine, innovative Unternehmen auflegen. Wichtig ist uns auch der Abbau der kalten Progression: Die normale Mittelschicht muss etwas von Lohnerhöhungen haben.

Die Bewältigung des demografischen Wandels zählt zu den Themen, in denen Thüringen Vorreiter sein will. Welche Punkte gehören in den Koalitionsvertrag?

Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung ist ein Kernthema. Wir müssen die Vergütungssysteme so gestalten, dass Anreiz besteht, Praxen auf dem Land zu übernehmen. Ein anderer Ansatzpunkt ist ein Sanierungsbonus, praktisch eine „Eigenheimzulage für den ländlichen Raum“: Wir wollen damit anregen, momentan brachliegende Immobilien wieder fit zu machen. Das hilft nicht nur der Bauindustrie, sondern wirkt aktiv gegen den demografischen Wandel.

Wie wollen Sie dem Fachkräftemangel begegnen?

Indem wir Junge und Ältere stärker fördern. Nehmen wir das Bundesprogramm „50 plus“. Es läuft 2015 aus. Wir wollen es fortsetzen, damit unter anderem durch Förderprojekte Ältere wieder in den Arbeitsmarkt hineinkommen. Dadurch trägt das Programm auch dazu bei, Altersarmut zu verhindern. Zudem ist es wichtig, den Stellenwert der dualen Ausbildung weiter zu erhöhen. Der Abschluss als Facharbeiter muss wieder mehr gesellschaftlichen Wert bekommen. Jeder Handwerker ist schon heute ein absoluter Spezialist auf seinem Fachgebiet, das verdient wirklich mehr Respekt.

Wie steht es um die Angleichung der Renten ans Westniveau?

Die Angleichung des Rentenniveaus zwischen Ost und West muss erfolgen. Und die Mütterrente muss kommen. Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren sind, dürfen bei den Rentenpunkten nicht benachteiligt werden.

Vor allem in den alten Bundesländern kam die Investition in die Infrastruktur in den vergangenen Jahren zu kurz. Sollte es ein Programm „Aufbau West“ geben?

Wir setzen uns für die Interessen Thüringens ein. Beim Netzausbau im Bereich der Internet- oder Energieversorgung haben die neuen Bundesländer Nachholbedarf. So stehen wir für Infrastrukturfonds, die über die Grenzen von Legislaturperioden hinweg finanziell ausgestattet ist. Das könnte die Planungskosten senken.

Welche Ziele stehen im Bereich der Bildung?

Die Forschungsausgaben haben sich unter Bundeskanzlerin Merkel verdoppelt. Der Bund sollte diese Leistungen weiter auf hohem Niveau halten. Aus unserer Sicht wäre es wichtig, das Kooperationsverbot im Hochschulbereich abzuschaffen. Der Bund sollte sich auch direkt engagieren dürfen. Im Kulturbereich erwarten wir, dass sich der Bund stärker beim bevorstehenden Lutherjubiläum einbringt. Nicht zuletzt streben wir an, dass der Bund künftig die Hälfte der Finanzierung der Klassik Stiftung Weimar trägt.

Die Thüringer CDU hat alle Wahlkreise gewonnen. Um welchen Ministerposten schicken Sie einen Bewerber ins Rennen?

Aus unserer Sicht hatte die Union hervorragende Köpfe in der bisherigen Regierung. Es braucht daher keinen zusätzlichen Minister aus Thüringen, obwohl wir gute Leute dafür hätten. Damit Thüringer dennoch eine starke Vertretung in der Regierung hat, wäre es gut, wenn auf Unionsseite sich mindestens ein Thüringer als parlamentarischer Staatssekretär einbringen kann. Das wäre ein guter Beleg für den Erfolg des Landesverbandes, der erstmals seit 1994 alle Wahlkreise gewonnen und trotz geringerer Einwohnerzahl mehr Stimmen erhalten hat.

Welche Ihrer Thüringer Mitstreiter verhandeln den Koalitionsvertrag mit?

Wir sind mit fünf Personen vertreten. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht , Finanzminister Wolfgang Voß für die Finanzbeziehungen, Christian Carius für die Infrastruktur,Jürgen Reinholz für den ländlichen Raum und Mike Mohring für Wirtschaftsfragen.

Drücken Sie die Daumen, dass Thüringen nach Ende der Gespräche einen neuen Wirtschaftsminister braucht?

Ohne Insider der SPD zu sein, glaube ich, dass man auch in Berlin wahrgenommen hat, dass Herr Machnig offensichtlich Doppelkassierer ist. Den Umgang mit dieser Frage kann nur die SPD unter sich klären.

Hat Deutschland vor Weihnachten eine neue Regierung?

Wenn es nach uns geht ja. Ich hoffe, die SPD hat ihre Wahlkampfdepression inzwischen abgelegt. Die Wähler haben einen Anspruch darauf, dass drei Monate nach der Bundestagswahl eine vernünftige Regierung steht. Wenn die Kanzlerin die Neujahrsansprache halten könnte, wäre das gut.

Tino Zippel 29.10.13 OTZ

via CDU-Generalsekretär Mario Voigt im Gespräch: Für Lieberknecht-Modell bei Mindestlohn | OTZ.

Newsletter abonnieren