Das gesellschaftliche Immunsystem ist überfordert und droht zu kollabieren. Der Staat hat sich übernommen. Wir haben mehr Staat, aber immer weniger ist gerecht.
Das doppelte Versprechen:
Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft beruht auf einem doppelten Versprechen. Das Versprechen zwischen Alt und Jung: Ich verspreche, heute so verantwortungsvoll zu leben, dass ihr auch noch morgen gut leben könnt. Und das Versprechen zwischen Arbeitenden und sozial zu Unterstützenden: Ich verspreche, nur so lange Leistungen der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen wie unbedingt nötig. Auf diesen Versprechen fußt unser Generationenvertrag und die soziale Idee unseres Staates. Blickt man jedoch auf die heutige Situation, ist das gesellschaftliche Immunsystem überfordert und droht zu kollabieren.
Ungerechte Umverteilungsmaschinerie und Illusion der Vollabsicherung
Der Hauptgrund für die Überforderung des Sozialstaates ist eine riesige Umverteilungsmaschinerie. Es gibt mittlerweile in unserer Gesellschaft drei Möglichkeiten Einkommen zu erlangen: entweder durch produktive Arbeit, durch die Umverteilung staatlicher Institutionen oder durch Kapitalanlage. Nun ist die Logik simpel: je mehr Menschen ihre Aktivitäten von produktiven hin zu Umverteilungserwerb oder Spekulation verlagern, desto geringer wird die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft. Steigende Staatsquote, ausufernde Verschuldung, mangelnde Leistungsfähigkeit in vitalen Infrastrukturen – sie sind alles ein Ausfluss eines falschen Sozialversprechens. Der Staat ist heute dazu übergegangen, nicht mehr durch Recht und Gesetz zu regieren, sondern durch die Macht des Geldes und ein Vollkaskoversprechen.
Ordnungspolitisch kann man Deutschland damit heute getrost als so sozialistisch bezeichnen
Infolge politisch gewollter Leistungsausweitung, Alterung und steigender Arbeitslosigkeit ist die Quote der Sozialleistungsempfänger von 1980 bis 2008 an der Gesamtbevölkerung um 15,7 Prozent gestiegen. Die Differenz zu den Erwerbstätigen beträgt jetzt nur noch knapp drei Prozent. So wundert es nicht, dass es mittlerweile der Staat ist, der das Volksvermögen hortet: Noch nie in der deutschen Gesellschaft wurden so viel Steuern gezahlt – 500 Milliarden im Jahr. Die Staatsquote ist fast bei 40 Prozent. Vor 100 Jahren betrugen sie 10, vor 50 Jahren rund 30 Prozent. Ordnungspolitisch kann man Deutschland damit heute getrost als so sozialistisch bezeichnen, wie es sich die schlimmsten 1968er nicht haben träumen lassen. Doch der Preis dafür ist hoch.
Die Mitte der Gesellschaft ist frustriert
In der breiten Mitte unserer Gesellschaft existieren eine Frustration und das Gefühl, dass unterm Strich immer weniger übrig bleibt. Die Mitte wird aufgefressen davon, dass neben Steuern und Sozialversicherung Praxisgebühr, Zusatzbeitrag, Riesterrente getreten ist. Das alles würde man noch hinnehmen, wenn man wüsste, wohin das führt. Die Mitte zahlt die Pflegekosten der Eltern, das Studium der Kinder und die eigene Riesterrente. Und das alles, ohne das jemand sagen kann, ob man in 20 Jahren selbst abgesichert ist. Es ist diese Orientierungslosigkeit gepaart mit Verlustangst, die an der Mitte zehrt. Es ist der 60jährige Landarzt, der geglaubt hat, seine Praxis ist seine Lebensversicherung, der nun merkt, das diese eben nichts mehr wert ist. Es ist der Fernsehmechaniker, der für das BWL-Studium seines Sohnes schuftet und der sich selbst hinterfragt, weil die Menschen ihre neue Flimmerkiste sowieso im media markt kaufen. Es sind die Millionen der Mittelschicht, welche die Gesellschaft tragen, sich aber von ihr zusehends weniger getragen fühlen.
Die Stützen der Gesellschaft: Die Leistungsträger des Alltags
Die Union hat es immer verstanden, unterschiedliche Schichten, Gruppen und Ideen zu integrieren. Wir waren nie nur die Partei der Armen oder Reichen, der Besserverdiener oder irgendwelcher soziologischer Sonderlinge. Wir waren Querschnitt, im besten Sinne Durchschnitt der Gesellschaft. Dabei wurde unsere Politik immer von entscheidenden Verbündeten gestützt, um deren Treue und Hilfe wir uns mehr bemühen müssen: die Leistungsträger des Alltags. Menschen, die jeden Tag früh aufstehen, sich um die gute Schulbildung ihrer Kinder sorgen und nicht nach dem Staat fragen, wenn sie durch ihren Fleiß, ihrer Arbeit, ihre Ideen und ihren Einsatz unser Land voranbringen. Sie kümmern sich um ihre Familie und ihre Identität. Die Union muss sich damit beschäftigen, wie in unserem Land wirklich gelebt wird – und nicht wie gelebt werden sollte. Wir müssen Gesellschaft als Familien begreifen. Nur so werden wir das doppelte Versprechen für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft erneuern können.
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