von Mario Voigt | Aug. 29, 2017 | Bund, CDU, Digital, Digitalisierung, Politik, SPD, Wahlkampf
Tür-zu-Tür und App – der Wahlkampf ist High Tech mit High touch. Ob aus dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf oder asiatischen Kampagnen sind sie bekannt: Die kleinen technischen Hilfsmittel, die Informationen zu potentiellen Wählern geben, Laufrouten optimieren oder die Kontaktaufnahme erfassen. Doch was bieten die Parteien an neuen Applikationen auf, um ihre Wahlkämpfer Tür-zu-Tür zu unterstützen?!
Praktisch alle Parteien greifen auf Apps zurück, um ihre inhaltlichen Positionen zu verbreiten. Es gibt im Bundestagswahlkampf bisher nur drei Parteien, die ihre Tür-zu-Tür Wahlkämpfer mit einer App unterstützen. Damit wird der Wahlkampf vor Ort organisiert, Zwischenstände und Anfragen zentral zurückgemeldet oder einfach nur die Botschaft des Tages in den sozialen Medien verbreitet.
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SPD: „Tür-zu-Tür-App“
Bei der SPD dominiert der laufende Fragebogen. Sie bietet Wahlkämpfern die Möglichkeit, einen Fragebogen jeweils zu Politikthemen und Kandidaten aufzurufen. Die Antworten des Bürgers können direkt an der Tür oder später eingetragen werden. Es geht nach thematischen Interessen, der SPD-Wahl-Wahrscheinlichkeit oder der Absicht, am 24.9. seine Stimme abzugeben. Es gibt zwei Möglichkeiten (Kandidaten oder Themen) mit jeweils drei Fragen. So entstehen einfache Handlungsanleitungen für das Türgespräch – ein kleiner Leitfaden.

Frage in der SPD-App
Die App ist eine responsive Internetseite; quasi „ein Online-Formular“ durch welches dann der Kandidat Informationen über den politischen Puls seiner Wahlkreisregion erhält. Im SPD-eigenen Vorwärts heißt es dazu: „Und sie werden über die Bundestagswahl hinaus gespeichert. So kann auch in künftigen Wahlkämpfen auf bestehende Informationen zurückgegriffen werden.“
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Linke: App „Partisanin“

App der Linken
Bei der Linken geht es mit der App „Partisanin“ um den Häuserkampf. Sie ist nur als Web-App verfügbar und last minute für den Bundestagswahlkampf fertig geworden. Eine native Smartphone-App soll mittelfristig in Planung sein. Herzstück ist eine Karte, wo Nutzer ihre Aktionen eintragen. So markiert man bspw. wo Wahlkampfplakate hängen oder bewertet mit Schulnoten einzelne Häuserblöcke, um die Empfänglichkeit der dort lebenden Wähler für Tür-zu-Tür-Wahlkampf zu erfassen. Perspektivisch sollen sich die Nutzer untereinander messen können und dafür Punkte erhalten.

Strassenmarkierung in der App
Der Zugang ist limitiert und erfolgt über QR-Code Scan im Wahlkampfbüro oder bei einem User, der die App schon hat. Interessant ist der OpenSource-Gedanke: der Quellcode wird veröffentlicht.
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CDU: „connect17-App“
Die CDU verknüpft in ihrer Connect17-App den Haustürwahlkampf mit digitalen Anspracheformen. Über ein Facebook-Login bedienen die Nutzer eine App, die für die TzT-Ansprache und für die Social Media Mobilisierung gedacht ist. Nutzer erfassen ihre Tür-zu-Tür Aktionen und geben Rückmeldung über positive oder reservierte Wählerkontakte. Zudem können sie datenschutzrechtlich validiert, Unterstützer erfassen oder Nachfragen von Bürgern aufnehmen. Gleichzeitig können die Nutzer Nachrichten an ihre Freunde in die relevanten sozialen Netzwerke pushen.

Apps helfen beim Wahlkampf
Die CDU setzt auf Gamification: für jedes Gespräch gibt es virtuelle Punkte. Man kann eine Ladder of Engagement erklimmen – vom Neuling zum Kanzlerinnenmacher. Der Wettbewerbscharakter wird durch unterschiedliche Missionen angespornt. Ob „Hans Dampf in allen Gassen“ (60 Türen) bis zu „Netzwerker“ (20 Social Media Shares) – jede kann entsprechend mithelfen, Angela Merkel zur Kanzlerin zu machen. Apropos, den zehn fleißigsten Helfer winkt ein Gespräch mit der Kanzlerin.
Die App kam bereits bei den Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zum Einsatz und ist somit schon wahlkampferprobt.
High tech für high touch
Big Data Wahlkampf oder Microtargeting? Viel wird über die Möglichkeiten in den USA oder UK geschrieben. In Deutschland kommen die Parteien mit den harten Datenschutz-Regeln aus und entwickeln dabei ihre eigenen Lösungsansätze. Sie identifizieren Potentialregionen (SPD, CDU), motivieren ihre Unterstützer mit App Fragen zu stellen (SPD), Wahlplakate zu erfassen (Linke) oder für die Wahl an der Tür oder in Social Media (CDU) zu werben.
Allen wahlkämpfenden Parteien ist der langfristige Ansatz klar. Die Bundestagswahl ist der Beginn des intensiven, direkten Wählerdialogs. Potentiale erkennen und pflegen. Technologische Lösungen wie Apps helfen zu strukturieren, Hilfestellungen zu geben oder auch durch Gamefication die Unterstützer anzuspornen. Ein App bleibt aber ein Instrument. Sie ersetzt nicht das persönliche Gespräch, den überzeugenden Kandidaten und den gewinnenden inhaltlichen Standpunkt.
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von Mario Voigt | Aug. 18, 2017 | Bund, CDU, Politik, SPD, Wahlkampf
Timing is everything. Doch wann entscheiden eigentlich die Deutschen ihre Wahl? Zwei Trends lassen sich ablesen: frühe Wähler und späte Entscheider.
Timing der Entscheidung
Das Timing der Wahlentscheidung ist für die Wahlkampfanstrengungen der Kampagnen erheblich. Es ist die landläufige Ansicht, dass die Kampagnen zum Schluss hin steigern, um dann am Wahltag erfolgreich zu sein. Darauf konzentrieren sich die Parteien in der heißen Wahlkampfphase, die üblicherweise sechs Wochen dauert. Die Kampagnen wollen eine Geschichte erzählen. Mit Broschüren, mehr Großflächen, mehr Online, mehr Veranstaltungen. Doch entscheiden sich die Deutschen erst am Wahltag?
Frühe Wähler: Kleine Parteien profitieren
Ein größerer und wachsender Teil gibt seine Stimme bereits deutlich vorher – manchmal schon vier Wochen vor dem Wahltag ab. Dies sind meist die früh festgelegten Wähler. Bei der Bundestagswahl 2013 gaben 14 % an, dass sie immer dieselbe Partei wählen würden. Zudem entschieden sich 33 % der Wähler bereits „vor längerer Zeit“. Diese Wählergruppen nutzen ihr Wahlrecht häufig sehr frühzeitig.

Zeitpunkt der Entscheidung
Die Bürger dürfen ab sechs Wochen vor dem Wahltag ihre Stimme abgeben, also per Briefwahl oder Voraus-Wahl. Davon machen immer mehr Wähler Gebrauch. Bei den Bundestagswahlen ist schon jeder vierte Wähler Briefwähler. 2013 beantragten 11,3 Millionen Bürger den Wahlschein, 10,8 Millionen gaben ihn tatsächlich auch ab. Briefwählen ist ein wachsender Trend, 2013 lag der Briefwähleranteil bei 24 Prozent – ein Rekord. Er lag fast drei Prozent höher als 2009. Bei der Wahl 2017 wird der Anteil wohl noch weiter steigen.
Für CSU, Grüne und FDP ist die frühe Wahl ein wichtiger Seismograph. Ein Drittel ihrer Wähler stimmt nicht am Wahltag ab. Champion der frühen Wähler ist die CSU, bei der mehr als jeder dritte Wähler (34,7%) postalisch oder vorher auf dem Amt abstimmt. Auch FDP (31,1 %) und GRÜNEN (28,9 %) erhalten ihre Stimmen mit dem Wahlbrief. Erstmals lagen 2013 die Volksparteien CDU und SPD im Briefwahlverhalten gleichauf. Fast jeder vierte Wähler (23,1%) gab ihnen seine Stimme per Brief. Blickt man auf die Union, dann wird die Bedeutung der frühen Wähler augenscheinlich: Am Wahltag 2013 gaben 13.597.199 Deutsche ihre Stimme der Union. Bereits in den Wochen zuvor wählten 4.568.247 Deutsche die CDU/CSU.
Im Vergleich zur Bundestagwahl 2009 wuchs der Anteil der frühen Wähler für die Union um mehr als 1 Mio. Bürger an. Zudem vergrößerte sich der Abstand zur SPD von 1,5 Mio. (2009) auf fast 2 Mio. mehr Briefwähler.
Unter ihnen gibt es recht viele, die von vorherein wissen, dass sie per Brief wählen werden. Es gibt für sie also keinen Grund zu warten – vor allem dann nicht, wenn sie zu diesem Zeitpunkt schon sicher sind, wen sie wählen wollen. Sie beantragen ihren Wahlschein sofort. Deshalb gibt es zu Anfang der Frist, in der eine Briefwahl möglich ist, gleich eine Spitze in der Teilnahme. Das Problem für die Parteien ist: Wenn die Zeit der konventionellen Wahlwerbung beginnt, haben die Wähler schon ihre Wahlbenachrichtigungskarten bekommen und fangen an zu wählen, ohne dass sie von der Wahlkampfkommunikation erreicht werden. Nach zwei Wochen flacht die Kurve der Briefabstimmungen ab. In den letzten ein, zwei Wochen vor dem Wahltag steigt sie wieder steil an. Das sind diejenigen Wähler, die am Wahltag kurzfristig etwas anderes vorhaben.
Späte Entscheider
Der große Bruder der frühen Wähler sind die späten Entscheider.
Aus Wahlverhaltensstudien über Spätentscheider wissen wir: Mehr als jeder dritte Wähler ist Spätentscheider. Er entscheidet sich in den letzten zehn Tagen vor der Wahl. Darunter sind klassische Parteiwechsler: tendenziell politisch interessierte Bürger, die im Laufe des Wahlkampfs die bevorzugte Partei wechseln. Wen sie wählen, hängt davon ab, wie die Kommunikation verläuft. Gut die Hälfte der Spätentscheider entscheidet sich erst am Wahltag. Dies sind sehr Unentschlossene, tendenziell Menschen, die kaum Interesse an Politik haben. Sie entscheiden darüber, ob sie überhaupt wählen – sie können also schnell zum Nichtwähler werden – und wen sie wählen.

Wen wählten Spätentscheider
Bei der Bundestagswahl 2013 fällten insgesamt 32 % der Wahlberechtigten erst in den letzten Tagen vor der Wahl eine Entscheidung über ihre Stimmabgabe. Diese rund 20 Millionen Spätentscheider sind für die Parteien ein hochinteressanter und starkumkämpfter Wählerpool, der über Sieg und Niederlage entscheiden kann.
Gründe für die späte Wahlentscheidung liegen bspw. bei den zahlreichen Erstwählern, die sich bis zum Wahltag noch eine eigene Meinung bilden und bei den taktischen Wählern, die abhängig von der letzten Prognose ihre präferierte Koalitionsoption zum Wahlsieg verhelfen wollen.
Gelänge es einer Partei die gesamte Gruppe der Spätentscheider für sich zu gewinnen, sei es mit inhaltlichen Argumenten oder durch äußere Einflüsse, würde man mit Abstand die stärkste Fraktion im neuen Bundestag stellen.
2013 konnte die CDU den größten Teil der Spätentscheider von den eigenen Inhalten überzeugen. Mit 34 % gelang ihr jedoch weitaus weniger Stimmen zu holen als beim Gesamtergebnis. Auf dem zweiten Platz folgt die SPD mit 26 %. Betrachtet man die Ergebnisse der anderen Parteien (Linke 10 %, Grüne 9 %, FDP 5 %) ergibt das ein vom amtlichen Endergebnis kaum abweichendes Bild. Wenig überraschend, handelt es sich doch um ein Drittel der Wahlberechtigten.
Der Wahlkampf und vor allem das richtige Timing werden durch Briefwähler, Nichtwähler und vor allem Spätentscheider immer komplexer. 2013 haben 47 % der Wähler ihre Entscheidung schon vor der heißen Phase des Wahlkampfes getroffen. 32 % trafen sie erst in den letzten Tagen bis zum Wahlsonntag während der Zeit von Tür-zu-Tür, Plakaten und Wahlkampfständen. Die Parteien und Kandidaten müssen bis zuletzt um jede Stimme kämpfen.
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von Mario Voigt | Aug. 10, 2017 | Bund, CDU, Politik, SPD, Statistiken, Wahlkampf, Wissenschaft
Immer mehr Deutsche tun es. Briefwahl. Mehr als jeder vierte Wähler entscheidet sich von Zuhause aus. Wie sind die Fakten und was heißt das für die Wahlkämpfer?
Der Wahlkampf nimmt an Fahrt auf. Großflächen, Plakate und Veranstaltungen beginnen. Der Grund: In diesen Tagen erhalten die Wähler ihre Wahlbenachrichtungen und können beginnen, ihre Stimmen abzugegeben. Zwar ist der Wahltermin erst am 24.9.2017. Doch immer mehr Deutsche wählen deutlich vor dem eigentlichen Wahlsonntag. Die Gründe sind vielfältig: Arbeit, Urlaub oder Gewohnheit.
Seit der Bundestagswahl im Jahr 1957 ist Briefwahl möglich. Seit fünf Jahren geht dies sogar ohne Begründung. Vorher gab es nur die Möglichkeit, mit einem Hinderungsgrund den Gang zur Urne zu vermeiden und stattdessen per Brief zu wählen. Wer krank war oder zu den Öffnungszeiten der Wahllokale arbeiten musste, konnte Briefwahl beantragen. Studien in den USA, im internationalen Vergleich und Deutschland beschäftigen sich mit den Auswirkungen.
Fünf Trends lassen sich über das Briefwahlverhalten der Deutschen anhand der repräsentativen Wahlstatistik ablesen:
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Immer mehr Deutsche tun es: Briefwahl


Anteil der Briefwähler seit 1957
Immer mehr Deutsche entscheiden sich zu einer Stimmabgabe per Brief. Fast jeder vierte Deutsche wählt per Brief vor dem eigentlichen Wahltag. Der Anteil der Briefwähler lag bei der Bundestagswahl 2013 mit 24,3 % um 2,9 Prozentpunkte höher als bei der Bundestagswahl 2009. Er erreichte den höchsten Wert seit Einführung der Briefwahl 1957. Der Trend zur verstärkten Nutzung der Briefwahl hält unvermindert weiter an. Die Steigerung von Wahl zu Wahl beträgt rund 2-3 Prozent. Insgesamt stimmten 2013 in Deutschland 10.758.677 Bürger per Brief ab.
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Kleine Parteien stark, große Parteien mit Reserven

Stimmen der Briefwähler nach Parteien
Für CSU, Grüne und FDP ist die Briefwahl ein wichtiger Seismograph. Ein Drittel ihrer Wähler stimmt nicht direkt am Wahltag ab. Briefwahl-Champion ist die CSU, bei der mehr als jeder dritte Wähler (34,7%) postalisch oder vorher auf dem Amt abstimmt. Auch FDP (31,1 %) und GRÜNEN (28,9 %) erhalten ihre Stimmen mit dem Wahlbrief.
Erstmals lagen 2013 die Volksparteien CDU und SPD im Briefwahlverhalten gleichauf. Fast jeder vierte Wähler (23,1%) gab ihnen seine Stimme per Brief. Blickt man auf die Union, dann wird die Bedeutung der Briefwahl augenscheinlich: Am Wahltag 2013 gaben 13.597.199 Deutsche ihre Stimme der Union. Bereits in den Wochen zuvor wählten 4.568.247 Deutsche die CDU/CSU per Brief.
Im Vergleich zur Bundestagwahl 2009 wuchs der Anteil von Briefwähler für die Union um mehr als 1 Mio. Bürger an. Zudem vergrößerte sich der Abstand zur SPD von 1,5 Mio. (2009) auf fast 2 Mio. mehr Briefwähler.
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Briefwähler unterscheiden sich nach Bundesländern
Man weiß nicht, was die Deutsche Post im Norden und Osten der Republik anders macht als im Süden oder Norden. Eines ist klar: Die Briefwahlquoten unterscheiden sich zwischen den Bundesländern deutlich. Zwischen den Bundesländern liegen 20 Prozent Unterschied bei der Briefwahl. Als generelle Faustregel darf gelten: Hoher Briefwahlanteil im Westen und Süden; geringerer Anteil an Briefwahl im Norden und Osten.

Briefwahl nach Bundesländern
Bei der Bundestagswahl 2013 lag der Briefwähleranteil insbesondere in Hamburg und Bayern mit 30,6% bzw. 35,3% deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Außerdem schnitten Berlin, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz leicht über dem Durchschnitt ab. Besonders gering fiel der Briefwähleranteil 2013 in Schleswig-Holstein (17,9%), Brandenburg (15,9%), Sachsen-Anhalt (15,2%), Sachsen (16,4%) und Thüringen (16,2%) aus. Das Wachstum des Briefwähleranteils liegt mit unter 1% von der Wahl 2009 zu 2013 in Brandenburg, Sachsen und Thüringen deutlich unter dem Bund mit 2,8%.
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Briefwähler verstärkt in den Städten
Je städtischer es ist, umso höher fällt die Briefwahl aus. Bewohner in Städten nutzen Briefwahl häufiger als im ländlichen Raum. Während in eher ländlichen Wahlkreisen der Briefwähleranteil bei durchschnittlich 23,2 Prozent lag, kamen die Wahlkreise, die Städte mit mehr 250.000 Einwohnern einschließen, auf 27,3 Prozent. Gerade die Großstädte München, Hamburg oder Köln kommen auf Werte zwischen 30 und 40 Prozent.
Und da ergeben sich auch Chancen und Herausforderungen für die Parteien. Während die Union in den größeren Städten häufig unterdurchschnittliche Gesamtergebnisse einfährt, liegt das Ergebnis bei Briefwählern besser. So schnitt die Union in den größeren Städten bei den letzten Bundestagswahlen 2009 und 2013 in der Briefwahl zwischen 3,5 und 6 Prozentpunkte höher als am Wahltag. Den gegenteiligen Trend sieht man bei der Performance der Sozialdemokraten. Ihre Ergebnisse bei der Briefwahl in den Städten war sowohl 2009 als auch 2013 2-3 Prozentpunkte hinter dem Wahltag.
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Bayrische Wahlkreise sind Briefwahl-Spitze

Besten und schlechtesten Briefwahlkreise
Die Bayern mögen das Wählen per Post. Alle zehn der Wahlkreise mit den höchsten Anteilen an Briefwähler finden sich in Bayern. An der Spitze steht der Wahlkreis 229 (Passau) mit einem Anteil von 43,2 %. Natürlich muss man die Landtagswahlen in Bayern und das Hochwasser 2013 berücksichtigen, aber dennoch gilt der Trend im Bayern auch in den Wahlen zuvor. Die zehn Wahlkreise mit den geringsten Anteilen an Briefwählern weisen Anteile zwischen 11,9 % und 13,5 % auf. Die ersten neun dieser Wahlkreise befinden sich in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Brandenburg und somit alle in neuen Bundesländern. Der Wahlkreis mit dem geringsten Briefwahlanteil aus einem der alten Bundesländer findet sich an zehnter Stelle und ist in Niedersachsen.
Nimmt man alle Wahlkreise in den Blick, so ist in über 70 Prozent der Wahlkreise mehr als jeder Fünfte Briefwähler. Dieser Wert lag bei der Bundestagswahl 2009 noch bei knapp 54 Prozent. In mehr als der Hälfte der 299 Bundestagswahlkreisen (158) lag der Wert zwischen 20-30 Prozent. In 56 Wahlkreisen machte die Briefwähler sogar mehr als ein Drittel der Wähler aus.
Strategischer Ansatz der Parteien: Mobilisierung bevor der Wahlkampf richtig beginnt
Die Briefwahl wächst an. Die Deutschen wählen aus ganz unterschiedlichen Gründen per Brief. Arbeit, Urlaub oder ungestörtes Abstimmen von Zuhause – Umfragen aus dem Jahr 2013 legen ganz unterschiedliche Motive offen.
So gibt ein größerer Teil die Abwesenheit durch Urlaub oder einen Termin am Wahltag an. Fast ein ähnlich großer Anteil wählt aus Bequemlichkeit von Zuhause. Zudem bewegen verschiedene Wähler auch die ungestörte Abwägung über die Wahlentscheidung in den heimischen vier Wänden. Dies deckt sich mit Studien in den USA. Dort gaben Briefwähler an, gerne nochmal zuhause Wahlwerbung zu sichten, sich Zeit für die Wahlentscheidung zu nehmen oder auch nicht in den langen Schlangen an den Wahllokalen stehen zu müssen.
Für die Parteien ergeben sich strategische Fragen daraus:
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Mancher Wahlkreis wird über die Briefwahl entschieden.
Wenn es knapp zugeht, entscheidet die Performance. Und da gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Parteien bei Brief- und bei Urnenwahl. Die CSU erzielte bei Briefwahl 10,6 während sie am Wahltag 6,4 Prozent erreichte. Die CDU und die SPD errangen am Wahltag 2013 rund 2 Prozentpunkte mehr als während der Briefwahlphase. Die FDP 6,1% und die GRÜNEN 10,0% profitieren von der Briefwahl.

Unterschied zwischen Brief- und Urnenwählern
Historisch betrachtet lag bei jeder Bundestagswahl seit 1990 das Briefwahlergebnis bei der CSU über dem Wahltagsergebnis. Dagegen erzielte die CDU bei den beiden vorherigen Bundestagswahlen etwas höhere Ergebnisse bei der Brief- als bei der Urnenwahl (2005: 30,7-27,1; 2009: 28,0-27,1). Die SPD ist bei der Briefwahl beständig schlechter gewesen, verringert aber den Abstand.
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Storytelling interrupted: Unsicherer Zeitpunkt der Wahlentscheidung
Landläufig steigern die Wahlkampfkommunikatoren den Werbedruck zum Wahltag hin. Sie wollen eine Geschichte erzählen. Mit Broschüren, mehr Großflächen, mehr Online, mehr Veranstaltungen. Doch was macht man, wenn sich ein größerer Teil bereits vor dem Wahltag entscheidet und manchmal auch schon vier Wochen vor dem Wahltag. Keine choreografierte Wahlkampfgeschichte. Der Bürger hat seine Stimme schon vergeben. Studien legen ein Wahlverhalten nahe, bei dem Briefwähler bereits sehr frühzeitig ihre Stimme abgeben. Da kommen Tür-zu-Tür und digitale Mobilisierung ins Spiel. Die direkte Ansprache wirkt weit bevor der offizielle Kampagnen-Startschuss und die Sichtbarkeit hergestellt ist.
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Informieren und Applaudieren: Den Bürger unterstützen
Um Briefwähler frühzeitig zu erreichen, gehen die Parteien Tür-zu-Tür und informieren im Netz über die Möglichkeit der Briefwahl. Die CDU wirbt mit eigener recherchierbarer Datenbank unter briefwahl17.de . Auch SPD und Grüne bieten Infos. Und die unabhängige Initiative Sonntag-hab-ich-was-besseres-vor applaudiert der demokratischen Teilhabe. Studien belegen, dass Bürger die soziale Anerkennung lieben. Also, „I voted“ oder „Ich habe gewählt“ wäre in international bewegten Zeiten der richtige Applaus für die Briefwähler. Zumal in den sozialen Medien der Mobilisierungseffekt nachhallt.
Die Briefwahl ist ein wichtiger Bestandteil des Wahlkampfes geworden. Ohne eigenes Campaigning zur Briefwahl entgehen den Parteien wertvolle Stimmen – und sie zählen genauso wie am Wahltag.
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von Mario Voigt | Aug. 1, 2017 | Bund, Digital, Digitalisierung, Ohne Kategorie, Politik, Wahlkampf
Der Bundestagswahlkampf 2017 ist der erste echte digitale Wahlkampf. Die Parteien kümmern sich in einem unerbittlichen Kampf um Mehrheiten im Netz und experimentieren mit Facebook, Twitter und Co. Der Trend ist klar erkennbar, die politische Kommunikation wird zum digital campaigning. Doch was sind die ersten Erkenntnisse über den Wahlkampf im Netz?
Content ist King – oder was passiert in einer Minute online
Die direkte digitale Kommunikation produziert immer schneller neue Inhalte. Sie macht das Kommunikationsdickicht immer undurchdringlicher. Eine Internet-Minute produziert jedes Jahr sehr viel mehr Inhalte als im Vorjahr. Das Wachstum ist exponentiell, nicht linear. In 60 Sekunden gehen 150 Millionen E-Mails rund um den Globus und 21 Millionen WhatsApp-Nachrichten versandt, 2,8 Millionen YouTube-Videos angeschaut, und Google erhielt 2,4 Millionen Suchanfragen. Auf Twitter wurde 350.000-mal gezwitschert, 700.000-mal logte sich jemand bei Facebook ein, und auf Snapchat wurden 530.000 Fotos geteilt. Macht das die politische Kommunikation für Parteien einfacher?
Wo stehen die Parteien bei Facebook und Twitter zum Beginn des Wahlkampfes?
Digital Campaigning ist mehr als Social Media. Social Media ist aber auch ein guter Test, wo die Parteien momentan stehen. Die Meinungsumfragen spiegeln sich nicht bei den Fans der Parteien auf Facebook wider. Die Spitzenreiter mit den meisten Facebook-Fans kommen von den politischen Rändern: Die AfD kommt auf rund 330.000 Facebookfans, deutlich vor der Linken mit knapp 200.000. Die CSU blickt als drittstärkster Akteur auf circa 185.000 Facebookfans und kommt mit der Schwesterpartei CDU (137.000) dennoch nicht an der AfD vorbei. Die SPD (147.000) liegt vor der CDU und gleichauf mit den Grünen. Die FDP landet mit knapp 100.000 Facebookfans abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Follower bei Twitter aller Parteien
Genau das gegenläufige Bild zeigt sich bei Twitter. Debattenfreudige Parteien haben auch die meisten Follower beim 140-Zeichen-Kurznachrichtendienst: Die Grünen (338.000) und die SPD (308.000) liegen deutlich vor dem Mittelfeld von FDP und CDU mit rund 200.000. Danach folgen Linken um die 180.000 und die CSU um 155.000 Follower. Abgeschlagenes Schlusslicht ist bei Twitter mit 60.000 Followern die AfD.
Zwei erste Trends zeigen sich zum Start in den Sommer des Wahlkampfes.
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Mit Facebook-Videos: Politik erklären

Im Juli steigt CSU deutlich bei Facebook
Früher Primus unter den Facebook-Campaignern im Juli ist die CSU. Ihre Anhängerschaft bei Facebook wächst am stärksten und sie erzielt Interaktionen mit den Fans. Wesentlicher Treiber ihres Wachstums sind Videos. Mit 38 Videos sind Anfang Juli überflügelt sie alle anderen Parteien. Die CSU gewährt Einblick hinter die Kulissen und erklärt ihre politischen Ansichten. Auf gerade Mal die Hälfte kommt die AfD gefolgt von Linke, SPD und CDU. Am Ende rangieren Grüne und FDP.
Überraschend ist, wie wenig die AfD aus ihrer großen digitalen Anhängerschaft in den sozialen Medien macht. Der Strategiewechsel in der digitalen Kommunikation führt offensichtlich nicht zum Erfolg.
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Twittern um zu Inspirieren
Bei Twitter erwies sich die FDP im Juli als besonders erfolgreich. Trotz einer geringen Tweetanzahl erzielte sie eine hohe Anzahl von Beitragsinteraktionen. So kamen die Liberalen auf das höchste absolute Wachstum von Twitterfollowern (21.600) im Monat Juli. Ihr bester Tweet war der „Katasterfortschreibungsgebührenwiedereinführungsgesetz“. Der Launch des Dialogs zwischen Amazons Alexa und Christian Lindner vom 17.7. bekam die meisten Interaktionen. Er offenbarte auch die Strategie der FDP mit interessanten Tweets auf weiterführende Angebot hinzuweisen, die inspirieren oder lustig sind. So erhöht sich die Zeit, in den Nutzer bei der FDP verweilen („Time with Brand“).

FDP führt das Wachstum im Juli an
Das Masse nicht gleich Klasse bedeutet, sieht man an der AfD. Sie setzten fast 1000 Tweets im Juli ab und ist damit für 41% aller Tweets der Bundesparteien verantwortlich. Trotzdem landet sie nur auf dem letzten Platz aller Parteien beim Zuwachs (3516 neue Follower). SPD, Linke und CSU kamen lediglich auf je 362-285 Tweets, was jeweils etwas mehr als einem Zehntel aller Parteientweets entspricht. FDP, Grüne und CDU gingen eher sparsam mit Tweets um und setzten nur je ca 185 ab. Das entspricht je ca. 7% aller Gesamttweets. Insgesamt konnten alle Parteien zwischen 6.000-10.000 neue Follower gewinnen. Das Interesse am Wahlkampf wächst.
Erstes Fazit zum Digital Campaigning
Der Wahlkampf im Netz hat begonnen. Die Parteien probieren sich aus. Dabei sind nicht nur die Parteiseiten entscheidend, sondern auch die Kandidaten. Und hier liegen Angela Merkel bei Facebook und Martin Schulz bei Twitter deutlich vor.
Dennoch: Der Monat Juli geht an die CSU und die FDP. Doch letztlich geht es nicht um das „Noice to Action“ Verhältnis im Netz, sondern um den harten Wettbewerb der Wählerstimmen. Wenn die Briefwahl beginnt, wird interessant sein, welche Partei mit neuen Innovationen punkten kann.
In einer Miniserie „Trends im Wahlkampf: Von Tür-zu-Tür bis Digital“ gehen wir an dieser Stelle den Fragen bis zur Bundestagswahl nach.
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von Mario Voigt | Juli 27, 2017 | CDU, Digital, Politik, SPD, Wahlkampf, Wissenschaft
Der Sommer lässt in Deutschland noch auf sich warten, der Wahlkampf beginnt heißer zu werden. Weniger als 60 Tage bis zur Bundestagswahl. Doch was sind die Trends in der Wählerkommunikation?
Ganz klar: Die persönliche Ansprache ist der Wahlkampftrend 2017 – Tür-zu-Tür und Digital.
Politik ist Kontaktsport. Wer in Zeiten von Erdogan, Brexit und Fake News das Herz der Wähler gewinnen will, muss den direkten Draht suchen. Bei all den existierenden Medienkanälen findet die glaubwürdigste Kommunikation Mensch zu Mensch statt. Mit Apps, E-Mail oder Social Media verschmelzen persönliches Gespräch und digitale Ansprache. Die Mobilisierung und direkten Wähleransprache sind en vogue und nicht nur in Deutschland Trend.
International sieht Wahlkampf ähnlich aus:
USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland – direkte Wähleransprache Tür-zu-Tür und digital bestimmen die Wahlkämpfe.
Wichtige Fragen für die Mobilisierung
Bei der direkten Ansprache von Tür-zu-Tür oder der digitale Kommunikation sind verschiedene Punkte wichtig.
- Was bringt es überhaupt Wähler direkt zu kontaktieren?
- Welche praktischen Erfahrungen und Beispiele gibt es?
- Und was sagt die Wissenschaft zur direkten Wählerkommunikation?
- Was müssen Wahlkämpfer beachten?
- Gibt es bessere oder schlechter Zeitpunkte der Ansprache?
- Auf welche Daten und KPIs schielen die Wahlkämpfer bei der direkten Ansprache?
- Welche Ähnlichkeiten und welche Unterschiede lassen sich international erkennen?
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von Mario Voigt | Juli 26, 2017 | Bund, Digitalisierung, Politik, Wahlkampf, Wirtschaft
Mit „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ oder als Hashtag #fedidwgugl hat die Union ihr Regierungsprogramm jetzt vorgestellt. Digitalisierung ist in aller Munde, doch was steht in den Wahlprogrammen der Parteien? Was ist in den nächsten vier Jahren geplant und welche Parteien passen in Digitalisierungsfragen zueinander?
Hier gibt es den Schnellcheck.
Die Union geht bei der Digitalisierung in die Offensive und postuliert mit ihr eine „historische Revolution“, die es zu nutzen gilt, um die Arbeitswelt humaner zu machen, die Umwelt zu schützen, die Gesundheitsversorgung zu verbessern und die Lebensqualität zu erhöhen. Konkret fordert die Union:
- Die Schaffung der Position eines „Staatsministers für Digitalpolitik“ im Bundeskanzleramt und eines „Nationalen Digitalrats“
- Die Errichtung einen „Gigabit-Gesellschaft“ mit flächendeckend modernem Glasfasernetz bis 2025 und die Etablierung Deutschlands als Leitmarkt für den neuen 5G-Mobilfunk (als Schlüsseltechnologie der digitalen Transformation)
- E-Gouvernement um Behördengänge vereinfachen (elektronisches Bürgerportal und elektronisches Bürgerkonto)
- Ausbau Industrie 4.0: Start-Ups unterstützen, neue Technologien und Produktionsverfahren, neue Arbeitsplätze und Arbeitszeitmodellen (bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf), Verabschiedung eines Datengesetzes
- Digitaler Verkehr: Vernetzung des Verkehrs (Staureduzierung), autonomes Fahren
- Bildungspolitik: erforderliche Ausstattung der Schulen, Vermittlung digitaler Kompetenzen
- E-Health: Telemedizin (kürzere Wartezeiten in Arztpraxen, verbesserte und schnellere medizinische Versorgung im ländlichen Raum und gezieltere Diagnosen des Krankheitsbildes sowie optimierter Therapieansätzen)
Die Kernpunkte der FDP zur Digitalisierung sind:
- Einführung eines Digitalministeriums
- Digitale Infrastruktur auf dem neuesten Stand, Flächendeckendes Glasfasernetz
- Freies WLAN im öffentlichen Raum
- E-Health: Telemedizin (Ausbau digitaler Gesundheitsdienstleistungen, Ambulante Versorgung stärken)
- Digitalisierung der Bildung: 1000 EUR Technik-Investition pro Schülerin und Schüler, Medienkompetenz in die Bildungsstandards, Lebenslanges Lernen mit Online-Tools, Digitalkompetenz erweitern
- Chancen der Digitalisierung nutzen: Digitaler Binnenmarkt für Europa, Open-Data und Open-Government-Strategie, Wettbewerbsrecht fit für die Digitalisierung machen, Netzneutralität und Innovationen fördern
- Datenschutz in der digitalisierten Welt (Schutz der Privatsphäre), modernes Urheberrecht
- Moderne Arbeitswelt: Mehr Flexibilität bei der Regulierung von Arbeitszeitmodellen
- intelligente Verkehrssysteme und Mobilität 4.0
Im Gegensatz zu Union und FDP fällt auf, das die Digitalisierung im Wahlprogramm der SPD kein gesondert aufgeführtes Kapitel bekommen hat. Forderungen der Sozialdemokraten zur Digitalisierung finden sich trotzdem in ausreichender Form wider:
- Bildungspolitik: Digitale Bildung muss Gegenstand von Schul- und Unterrichtsentwicklung sein, qualitativ hochwertige Online-Lernangebote an den Hochschulen entstehen, damit das Studium zunehmend orts- und zeitflexibel möglich wird, Ausstattung der Hochschulen, offenen Kanäle für wissenschaftliche Kommunikation und Publikation fördern (Open Access)
- Arbeitsmarkt: Forderung einer Ausbildungsstrategie für die Arbeitswelt 4.0, Weiterentwicklung des Berufsbildungsgesetzes, regelmäßige Weiterbildung, mehr selbstbestimmte Arbeitszeitgestaltung
- Datenschutz: Schaffung eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes, Situation der Urheber verbessern
- Flächendeckendes schnelles Internet (Glasfaser): „Breitband für alle“ => bis 2025 eine der modernsten digitalen Infrastrukturen in Deutschland
- Für digitale Ausrüstung sollen kleine und mittlere Unternehmen einen Zuschuss erhalten
- Digitalisierung in der Verwaltung
- E-Health: Telemedizin
Die Digitalisierung nimmt im Wahlprogramm der Linken keine herausragende Stellung ein. Es finden sich nur wenige klare Forderungen, die im Zusammenhang zum digitalen Wandel unserer Gesellschaft stehen:
- Arbeitsmarkt: Recht auf Weiterbildung, Rechtsanspruch für Beschäftigte auf mobiles Arbeiten und Home-Office (auf freiwilliger Basis)
- Bildung: schneller und einfacher Zugang zu Bildung (durch Digitalisierung)
- Erstellung eines Rahmenkonzepts zur sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Gestaltung der Digitalisierung
Noch erschreckender als die stiefmütterliche Behandlung der Digitalisierung bei den Linken ist der Umgang mit diesem wichtigen Thema bei der AfD. Dort findet sich das Wort Digitalisierung nicht ein einziges Mal in ihrem Wahlprogramm wider. Lediglich die Forderung, dass „Haushalte sowie klein- und mittelständische Betriebe – unabhängig davon, ob diese sich in urbanen Räumen oder sich in ländlichen Regionen befinden – innerhalb von zwei Jahren an schnelle Breitbandnetze angeschlossen werden“ ist in dem Programm zu finden.
Das Vorläufige Wahlprogramm der Grünen nennt folgende Punkte zur Digitalisierung:
- neue, gute Jobs in neuen Arbeitsfeldern fördern
- Weiterbildung im Bereich digitale Kompetenzen
- ökologische Möglichkeiten für die Energie- oder Verkehrswende durch intelligente Steuerung, Automatisierung oder Vernetzung nutzen
- Investition in die Infrastruktur der Zukunft (Breitbandausbau)
- Forschungsbonus für Unternehmen
- Datenschutz
- Investition in Bildungsaufbruch (fünfjähriges Schulsanierungsprogramm und ein Modernisierungsprogramm für die Ausstattung von Hochschulen)
- Arbeitsmarkt: Recht auf Home-Office

Vergleich der Digitalisierung in den Programmen
Zusammenfassung: Die unterschiedlichen Ziele der Parteien in Deutschland lassen sich zusammenfassen auf den Ausbau von E-Gouvernement (digitale Verwaltung), die Erhebung von Digitalisierung zum Unterrichtsgegenstand, den Ausbau einer flächendeckenden digitalen Infrastruktur, der Einhaltung und Konkretisierung des Datenschutzes, dem Abbau von bürokratischen Barrieren für Unternehmen, der Förderung von Startups und Innovationen, und der Einführung eines „Internetministerium“ oder „-Ministers“. Die eigentlichen Zukunftsfragen sparen sich aber alle Parteien auf – wie schafft Deutschland als föderaler Staat wettbewerbsfähige Strukturen und Bedingungen an der kommunalen Basis und wie geht man mit permanent neuen Daten einer öffentlichen Infrastruktur um – von Energie bis zu Patientendaten.
Koalitionskompass: Die Ziele von CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne zum Thema Digitalisierung ähneln sich. Alle stehen für einen Breitbandausbau und schnelles, flächendeckendes Internet, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die Vermittlung digitaler Kompetenzen in der Schule sowie im Berufsleben. Spannend wird die Frage nach den Ausrichtrungen beim Umgang mit erhobenen Daten und dem Ausbau der Industrie 4.0. SPD und Grüne fordern mehr Regularien und setzen weniger auf die positiven Chancen der Digitalisierung. Wer Digitalisierung als Chance und Enabler sieht, der sollte auf Union und FDP setzen. Wer mehr regulatorische Eingrenzungen und weitgehenden Datenschutz, der sieht sich bei SPD und Grünen aufgehoben. Bei AfD und Linke spielt das Zukunftthema Digitalisierung einer nachrangig Rolle.
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