von Mario Voigt | Jan. 23, 2018 | Bund, CDU, Digital, Digitalisierung, Politik, Statistiken, Wirtschaft
Jetzt gehen sie los die Koalitionsverhandlungen. Doch besitzen die Koalitionäre die Kraft, die Zukunftsfragen Deutschlands anzugehen? Besonders die Antworten auf die digitale Disruption wird entscheiden, ob wir eine Koalition der Mutlosigkeit oder Zukunftskoalition sehen. Fünf Punkte sind wichtig.
Was wollen Union und SPD eigentlich?
Während in Seattle gerade der erste Amazon Go Store eröffnete und Menschen vollkommen autonom shoppen, in Estland mit seiner X-Road der Bürger über 2000 Dienstleistungen direkt digital erledigen kann oder in Saudi-Arabien gerade der Roboter „Sophia“ mit KI zum Staatsbürger wurde, begrenzen sich die Wahlprogramme von Union und SPD in ihrer Phantasie:
Konkret fordert die Union:
- Die Schaffung der Position eines „Staatsministers für Digitalpolitik“ im Bundeskanzleramt und eines „Nationalen Digitalrats“
- Die Errichtung einen „Gigabit-Gesellschaft“ mit flächendeckend modernem Glasfasernetz bis 2025 und die Etablierung Deutschlands als Leitmarkt für den neuen 5G-Mobilfunk (als Schlüsseltechnologie der digitalen Transformation)
- E-Gouvernement um Behördengänge vereinfachen (elektronisches Bürgerportal und elektronisches Bürgerkonto)
- Ausbau Industrie 4.0: Start-Ups unterstützen, neue Technologien und Produktionsverfahren, neue Arbeitsplätze und Arbeitszeitmodellen (bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf), Verabschiedung eines Datengesetzes
- Digitaler Verkehr: Vernetzung des Verkehrs (Staureduzierung), autonomes Fahren
- Bildungspolitik: erforderliche Ausstattung der Schulen, Vermittlung digitaler Kompetenzen
- E-Health: Telemedizin (kürzere Wartezeiten in Arztpraxen, verbesserte und schnellere medizinische Versorgung im ländlichen Raum und gezieltere Diagnosen des Krankheitsbildes sowie optimierter Therapieansätzen)
Bei der SPD heißt es:
- Bildungspolitik: Digitale Bildung muss Gegenstand von Schul- und Unterrichtsentwicklung sein, qualitativ hochwertige Online-Lernangebote an den Hochschulen entstehen, damit das Studium zunehmend orts- und zeitflexibel möglich wird, Ausstattung der Hochschulen, offenen Kanäle für wissenschaftliche Kommunikation und Publikation fördern (Open Access)
- Arbeitsmarkt: Forderung einer Ausbildungsstrategie für die Arbeitswelt 4.0, Weiterentwicklung des Berufsbildungsgesetzes, regelmäßige Weiterbildung, mehr selbstbestimmte Arbeitszeitgestaltung
- Datenschutz: Schaffung eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes, Situation der Urheber verbessern
- Flächendeckendes schnelles Internet (Glasfaser): „Breitband für alle“ => bis 2025 eine der modernsten digitalen Infrastrukturen in Deutschland
- Für digitale Ausrüstung sollen kleine und mittlere Unternehmen einen Zuschuss erhalten
- Digitalisierung in der Verwaltung
- E-Health: Telemedizin
Die digitalen Zukunftsfelder liegen bei Digitaler Bildung, wo es Anspruch sein muss, jede Schule ans schnelle Internet anzuschließen und die Lehrpläne deutschlandweit digital fit zu machen. Sie liegen in der Gesundheitspolitik, wo wir verbesserte und schnellere medizinische Versorgung im ländlichen Raum und gezieltere Diagnosen des Krankheitsbildes sowie optimierter Therapieansätzen schaffen können. Auch der Ausbau von Industrie 4.0 mit neuen Technologien und Produktionsverfahren, veränderten Arbeitsplätze und Arbeitszeitmodellen diskutieren wir.
Doch will Deutschland im internationalen Vergleich aufholen und soll der digitale Aufbruch gelingen, sind fünf Punkte Voraussetzung:
Deutschland wird Gigabit-Gesellschaft
Deutschland steht für höchsten Technologiestandard. Beim Ausbau moderner Glasfaserverbindungen liegt Deutschland jedoch mit knapp 1 Prozent schneller Glasfaserverbindungen an allen Breitbandanschlüssen deutlich zurück. Anspruch einer Smart Nation sollte sein, dass jede Gemeinde eine gut ausgebaute Ausfahrt von der Datenautobahn erhält. Deutschland wird Gigabit-Gesellschaft durch Glasfaser und 5G mit einer erstklassigen und leistungsstarken Infrastruktur.
Lediglich Netze auf Glasfaserbasis vermögen langfristig den wachsenden Bedarf nach sehr hohen Bandbreiten jenseits der 50 Mbit/s befriedigen zu können. Der Breitbandausbau ist das wichtigste Infrastrukturprojekt der nächsten Legislaturperiode: Ein echtes Infrastrukturziel Glasfaser. Alle rechtlichen und regulatorischen Maßnahmen und auch Förderprogramme müssen auf dieses Ziel hinwirken und Investitionen in den Glasfaserausbau bis in die Wohnung und bis in die Unternehmen forcieren. Auch für ein leistungsfähiges 5G-Netz, das die Glasfaseranschlüsse bei mobiler Nutzung ergänzt, ist eine Glasfaseranbindung der Antennen unabdingbar.
Nationale Digital-Strategie statt Klein-Klein.
Internationale digitale Spitzenreiter machen es vor; man braucht einen Gesamtansatz, damit alle in die gleiche Richtung ziehen. Deutschland ist ein Land der unterschiedlichen Geschwindigkeiten: Es gibt Champions in ländlichen Regionen und städtische Schlafmützen, wie auch Smart Cities und weiße Flecken im ländlichen Raum. Es gibt wirtschaftlich starke und schwache, demographisch wachsende und schrumpfende Regionen, die munter nebeneinander existieren.
Der Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse bleibt auch in Zeiten des Megatrends Digitalisierung. Deswegen sollten wir auch nicht vergessen, wo Bürger den Staat häufig als erstes erleben – in ihrem unmittelbaren Wohn- und Arbeitsumfeld. Ob Wasser fließt, es Strom gibt, der Müll abgeholt wird, der Bus fährt – 24/7 Zuständigkeit findet in der Daseinsvorsorge statt. Die Bundesregierung sollte eine kohärente Vision für eine Smart Nation-Strategie entwickeln, die als Schwerpunkt eine Smart Region-Strategie mit Beteiligung wesentlicher Stakeholder und Fokus auf Daseinsvorsorge 4.0 enthält. Die Kompetenzen für die Digitalisierung sind sowohl bei den Bundesministerien als auch bei den Bundesbehörden zu bündeln. Überdies ist eine Verzahnung mit der lokalen Ebene zu gewährleisten. Sie kann eingebettet sein in eine fortgeschriebene digitale Agenda als Fahrplan der Bundesregierung im Bereich des digitalen Wandels.
Klare Kompetenzen und Digitalisierung ist Chefsache.
Es gibt kein digitales Spitzenland ohne klare Zuständigkeiten. Ein Chief Digital Officer koordiniert und bündelt nationale wie regionale Aktivitäten. Ausgestattet mit einem eigenen Haushalt und Ressourcen lassen sich wesentliche Maßnahmen vorantreiben. Alle Bundesministerien und entsprechend auch alle nachgelagerten Behörden, die Bundesländer und Kommunen müssen ihre Prozesse und Projekte koordiniert digitalisieren. Ein nationales CDO-Gremium tauscht sich über Fortschritte aus und ermöglicht ein kontinuierliches Monitoring und Lernen.
Digitale Standards und Datengesetz einführen.
Daten sind der Rohstoff der Zukunft. Studien sehen das volkswirtschaftliche Potenzial im Umgang damit zwischen 12,1 und 131,1 Milliarden Euro pro Jahr – je nach aktiver oder reaktiver Nutzung. Doch Deutschland fehlt es an rechtlicher und technischer Klarheit. Eine Referenzarchitektur für Vernetzung von Daten ist notwendig, die Schnittstellen, Sicherheitsanforderungen und Protokolle definiert. Damit dies nach fest definierten Standards auf einem deutschlandweit einheitlichen Markt verläuft, sollte die Bundesregierung eine Initiative unterstützen, die Deutschland zum Land eines öffentlichen Datenraums (Public Data Space) profiliert. Ziel ist es, die Daten als Bindeglied zwischen öffentlichen Leistungen, moderner Daseinsvorsorge und neuen Leistungsangeboten über Smart Services zu profilieren.
Die EU hat mit der Datenschutzgrundverordnung bisherige Konzepte der Datensouveränität und -sicherheit grenzübergreifend im europäischen und internationalen Kontext weiterentwickelt. Prägend für die deutsche Datenhoheit und deren Rechtsrahmen sind Fragmentierung vor allem im Verfassungs-, Datenschutz-, Urheber- und Strafrecht. In einer digitalen Gesellschaft haben Daten einen Wert. Und ihr Mehrwert muss vor Ort sichtbar werden – sonst schwinden Akzeptanz und Vertrauen.
Nur Open Data alleinig zum Nulltarif übersieht bspw. investive Kosten in Infrastrukturen wie der Energie-, Wasser- oder Breitbandversorgung. Aus diesen Infrastrukturen entstehen vor Ort eine ungeheure Menge von Daten, deren Mehrwert auch lokal sichtbar werden sollte. Deutschland wird seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wenn wir keine Geschäftsmodelle nutzen können, die auf hochentwickelten Datenanalysen basieren. Wir sollten auf die Kraft der intelligenten Daten setzen. Aber das Potential des Datenschatzes, die Verfügbarkeit und die Anforderungen an den Datenschutz müssen zusammengebracht werden. Dafür braucht es ein Datengesetz. Deshalb brauchen wir ein Datengesetz, das Rechtssicherheit gewährleistet und die wirtschaftliche Nutzung von Daten regelt.
Smarte Gesetzgebung und Experimentierräume ermöglichen.
Die Regulatorik in Deutschland gehört auf auf den Prüfstand. Die hohe Innovationsgeschwindigkeit digitaler Geschäftsmodelle und Technologien, ihr grenzüberschreitender Charakter sowie immer stärker divergierende Nutzererwartungen stellen eine Herausforderung für klassische Regulierungs- und Rechtsdurchsetzungsansätze dar. In der Vergangenheit haben die europäischen und nationalen Gesetzgeber hierauf oft damit reagiert, dass sie entweder sehr spezifische Regelungen erlassen haben, die schnell durch technologische Entwicklungen überholt waren oder sie haben abstrakte und technikneutrale Regelungen verabschiedet. Allerdings haben diese den Nachteil, dass sie mit rechtlichen Grauzonen und Rechtsunsicherheit einhergehen. Diese sind sowohl für die Unternehmen als auch für Bürger problematisch. Auch wurde nicht immer die richtige Balance zwischen einer europäischen bzw. nationalen Rahmengesetzgebung und einer mikro-Steuerung über Bundesbehörden gefunden. In der neuen Legislaturperiode sollte verstärkt auf einen smarten Mix von Regulierungsansätzen gesetzt werden.
Diese fünf Gelingensbedingungen setzen einen Rahmen für erfolgreiche Digitalisierung und damit für eine Zukunftskoalition. Mehr dazu gibt es in unserer Studie Smart Nation.
von Mario Voigt | Dez. 11, 2017 | Digital, Digitalisierung, Ohne Kategorie, Politik, Wahlkampf
Die Quadriga Hochschule Berlin veröffentlicht die erste „Trendstudie Digital Campaigning in der Bundestagswahl 2017 – Implikationen für Politik und Public Affairs“.
Alle Parteien wurden systematisch an den Erfolgsfunktionen Information, Vernetzung, Teilhabe und Mobilisierung verglichen. Dabei fanden sich große Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien, aber auch klare Unterschiede bei Plattformen und in Schwerpunktsetzung der unterschiedlichen Erfolgsfunktionen:
- CDU informierte mit vielen Post,
- bei SPD und FDP wuchsen die Follower und Fans,
- die Grünen erreichten sehr viele Views und Likes
- die AfD mobilisierte sehr gezielt.
Die Analyse ergab weiterhin, dass digitale Werkzeuge den Wahlkampf nicht grundlegend ändern, aber die Möglichkeiten politischer Kampagnen deutlich stärken können. So sei es viel einfacher und schneller für die Bürger zu spenden, Informationen zu suchen, oder Kontakt aufzunehmen. Durch soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook oder Instagram eröffnen sich Bürgern, Parteien und Kampagnen neue Möglichkeiten sich politisch auszudrücken und ihre Inhalte unmittelbar zu teilen.
„Alle Parteien sollten sich die Analyse genau ansehen. Falls es doch zu Neuwahlen kommt, werden sie gar nicht die Zeit haben, neue Großflächen zu drucken, sondern müssen digital kommunizieren und da ist entscheidend, wer online mithalten kann“.
Die Studie „Trendstudie Digital Campaigning in der Bundestagswahl 2017 – Implikationen für Politik und Public Affairs“ wurde von Prof. Dr. Mario Voigt, Professor für Politik und Digitale Transformation, und Prof. Dr. Rene Seidenglanz, Vizepräsident der Quadriga Hochschule Berlin und Professor für Kommunikationswissenschaft, insb. Kommunikationsmanagement, mit Unterstützung von Union Asset Management Holding AG erstellt.
von Mario Voigt | Okt. 25, 2017 | Bund, Digital, Digitalisierung, Ohne Kategorie, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft
Deutschland steht für höchsten Technologiestandard. Eine beständig verfügbare digitale Infrastruktur bildet die Basis für viele neue Dienstleistungen, Anwendungen und Geschäftsmodelle. Darüber hinaus erhöht der Zugang zu einer modernen Internet-Infrastruktur die gesellschaftliche Teilhabe, ermöglicht neue wissenschaftliche und soziale Netzwerke und den freien Informationsfluss. Moderner Internetzugang ist eine kritische Komponente für eine demokratische Gesellschaft und kulturelle Vielfalt (OECD, 2017b).
Technologische Fragen
Unsere Infrastruktur- und Kompetenzbasis ist eine der besten der Welt. Dennoch landet die Bundesrepublik wenn es um die digitale Entwicklung geht beim Network Readiness Index des World Economic Forum nur hinter Ländern wie Singapur, Finnland, Schweiz, Schweden, Israel, den Niederlanden oder den Vereinigten Staaten auf Platz 15 von 139 verglichenen Ländern (World Economic Forum, 2016).
Deutschlands digitale Infrastruktur besteht aus einer Vielzahl von Netzwerken und Technologien. Den Aufbau prägt ein Mix aus fester und drahtloser digitaler Infrastruktur. Der Bedarf an Bandbreiten im Gigabit-Bereich für Unternehmen und Bürger wächst beständig. Beim Ausbau moderner Glasfaserverbindungen liegt Deutschland mit knapp 1 Prozent schneller Glasfaserverbindungen an allen Breitbandanschlüssen deutlich zurück. Gerade der geringe Anteil ist auch Grund dafür, dass Deutschland im internationalen Vergleich beim Ausbau der Internetgeschwindigkeit zurückfällt (Belson, 2016). Nach Berechnungen des TÜV Rheinland sind ungefähr 90 Milliarden Euro erforderlich, um Deutschland flächendeckend mit Glasfaser zu verkabeln (Parsons u.a., 2016).

Deutschland im Network Readiness Index (Quelle: WEF, 2016)
Bis zum Jahr 2021 wird der weltweite Internet-Traffic 127-mal größer sein als im Jahr 2005 (Cisco, 2017). In den nächsten fünf Jahren wird er sich im Verhältnis zu 2017 verdreifachen. Das Volumen der mobilen Breitbanddaten wächst ebenso rasant an und steigerte sich in den OECD-Ländern zwischen 2014 und 2015 um 71 Prozent (OECD, 2017a). Die Nutzer wechseln nahtlos zwischen festen und mobilen Verbindungen hin und her. Da die festinstallierte Breitbandinfrastruktur das Rückgrat für die mobilen Angebote darstellt, müssen beide Technologien gemeinsam entwickelt werden.
Nationale Unterschiede und Digitale Spaltung
Eine zentrale Gelingensbedingung für die digitale Transformation ist der flächendeckende Ausbau mit schnellem Internet in allen Landesteilen Deutschlands, das für alle zugänglich ist und dies zu wettbewerbsfähigen Preisen. Die Versorgung mit Hochgeschwindigkeitsinternet in allen Landesbereichen ist die zentrale Frage bei der Entwicklung der Gigabit-Gesellschaft. Gerade hier mangelt es Deutschland.
Häufig sehen private Unternehmen Investitionen im ländlichen Raum als weniger attraktiv an. Lange Leitungswege, eine geringe Siedlungsdichte und mangelnde Verfügbarkeit von nutzbarer Infrastruktur können zu einem negativen Deckungsbeitrag führen und erklären die derzeitigen „weißen Flecken“ auf der deutschen Breitbandkarte (Deist u.a., 2016). So ist aktuell eine Breitbandverfügbarkeit mit mehr als 50 Mbit/s im ländlichen Raum nur mit 36,2% gewährleistet. Im Vergleich ist ähnlich schnelles Breitband mit 90,3% in städtischen Gebieten vorhanden (BMVI, 2017a). Während eine Reihe von Regionen die technischen Grundlagen für den digitalen Wandel aus eigener Kraft schafft, sind andere Regionen strukturell schwächer entwickelt und benötigen mehr Unterstützung. Mehr als die Hälfte aller Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland besitzen eher schlechte Digitalisierungschancen (Wiechmann/Terfrüchte, 2017).

Aktuelle Breitbandverfügbarkeit in Deutschland – TÜV Rheinland (Stand Mitte 2017)
Die Lücke bei der digitalen Infrastruktur bleibt eine hartnäckige Herausforderung. Zumal der Rechtsrahmen den Ausbau in unterversorgten Gebieten erschwert, weil veraltete technologische Standards (Kupfer, Vectoring) und die Möglichkeit des Überbaus von neuen Technologien Investitionen in flächendeckende moderne Infrastruktur hemmen. Deutschlands feste Breitbandpreise sind dadurch im internationalen Vergleich zu hoch und steigen (World Economic Forum, 2016; Baller, Dutta und Lanvin, 2016). Die Bundesregierung hat erst spät mit dem DigiNetz-Gesetz versucht, gegenzusteuern.
Deutschlands zukünftige technologische Marktführerschaft wird auch davon abhängen, den erfolgreichen Einstieg in die Gigabitgesellschaft zu erreichen. Die bisherigen Ausbauphasen offenbarten mangelnde Koordination, technologische Klarheit, wettbewerbsrechtliche Hürden und eine finanzielle Unwucht.
Handlungsempfehlung für eine digitale Infrastruktur
Investitionen in die Infrastruktur verringern Unterschiede zwischen den Regionen. Anspruch einer Smart Nation sollte sein, dass jede Gemeinde eine Ausfahrt von der Datenautobahn erhält.
Unser Ziel ist eine bundesweit flächendeckende Gigabitinfrastruktur aus Glasfaser und 5G.
Der Breitbandausbau ist das wichtigste Infrastrukturprojekt der nächsten Legislatur. Deutschland setzt als modernes Land auf Glasfaser. Lediglich Netze auf Glasfaserbasis vermögen langfristig den wachsenden Bedarf nach sehr hohen Bandbreiten jenseits der 50 Mbit/s befriedigen zu können (Deist u.a. 2016). Es sollte überall in Deutschland bis zu jeder Haustür reichen und das in der „Digitale Strategie 2025“ des Bundeswirtschaftsministeriums formulierte Ziel bis 2025 nur ein Mindestziel sein. Die Bundesregierung sollte konkrete Ausbauziele und Maßnahmen für die Legislaturperiode bis 2021 formulieren. Die öffentlichen Förderprogramme sind entsprechend des notwendigen Investitionsvolumen eines flächendeckenden Glasfaserausbau Fiber to the Home (FTTH) anzupassen (BMWi 2016) oder durch die (Teil-) Privatisierung der Deutschen Telekom ko-zufinanzieren.
Echte Potentiale ergeben sich durch die Einführung der fünften Mobilfunkgeneration (5G). Deutschland hat die Chance, als Innovationsführer bis 2025 ein hochleistungsfähiges 5G-Netz bereitzustellen und zum Leitmarkt für 5G-Anwendungen werden (BVMI, 2017c). Dazu sind zügig weitere Frequenzen auf dem Markt bereitzustellen und die Erlöse aus deren Versteigerung in den Glasfaserausbau fließen zu lassen. Mobilfunk-Basisstationen sind mit leistungsfähiger Glasfaser anzubinden und Best Practice in den Kommunen zu schaffen.
Wir sprechen uns für eine zentrale Koordination der Kompetenzen für den Breitbandausbau und dessen Finanzierung aus. Der Breitbandausbau vollzieht sich grundsätzlich im Wettbewerb, worin kommunale Unternehmen gleichberechtigte Marktteilnehmer sind. Häufig engagieren sie sich über eine rein marktwirtschaftliche Motivation hinaus für die Region. So investierten allein 2016 rund 150 kommunale Unternehmen im Breitbandausbau über 1 Mrd. Euro. Die Wettbewerbskonzeption des Bundes ist daher stärker als bisher auf Investitionen, Innovation und Wachstum auszurichten (Bundesregierung, 2017). Kommunale Unternehmen sollten im gleichen Umfang wie andere Marktteilnehmer auf Förderprogramme des Breitbandausbaus zurückgreifen können.
Deutschland fördert den Ausbau mit schnellem Internet durch genügend Ressourcen und eine kluge Förderpolitik.
Vor allem in gering besiedelten, ländlichen Regionen ist die Herausforderung groß, einen leistungsfähigen und auch bezahlbaren Internetzugang sicherzustellen. Wo der Wettbewerb an seine Grenzen stößt, sollten die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen unternehmerische, volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Interessen in Einklang bringen, bspw. um Doppelausbau zu vermeiden oder interkommunale Kooperationen zu befördern. Sowohl die Bundesnetzagentur als auch das Bundeskartellamt bescheinigen dem Breitbandmarkt derzeit einen zu geringen Wettbewerb, da hohe Fixkosten und hoher Kapitalbedarf prinzipiell den Marktzugang erschweren (Bundesnetzagentur, 2017).
Eine Zugangsregulierung seitens der Bundesnetzagentur findet zwar statt, indem die Telekom als Netzinhaber angewiesen wird, das Netz den Konkurrenten zu öffnen. Dies geschieht jedoch nur nach Prüfung im konkreten Einzelfall. Will der schnelle Breitbandausbau gelingen, muss der eigenwirtschaftliche Ausbau geschützt und der mögliche Überbau verhindert werden (von Glaserfaser durch Vectoring). Mit einem großangelegten Förderprogramm sollte in Deutschland ausschließlichen der Glasfaserausbau gefördert werden. Der vom Bund geplante Wettbewerb für Kreise, Städte und Gemeinden ist mit ausreichenden Mitteln auszustatten, um mit konkreten Ideen Smart Region zu erproben (BVMI, 2017c).
Mit einem Digital Switch werden Potentiale im Kabelnetz schnell gehoben.
Deutschland nutzt nicht alle Potentiale des schnellen Aufbruchs in die Gigabit-Gesellschaft. Besonders auf Länderebene existieren in den Digitalisierungsstrategien Lücken, wenn es um den Infrastrukturausbau geht. Es reicht nicht aus, nur nach immer neuen Bundesförderprogrammen zu streben. Vielmehr gibt es im Bereich der Analog-Abschaltung in den Kabelnetzen durchaus Potentiale in den Ländern. Die Beendigung der analogen Verbreitung und den Einsatz des neuen Datenübertragungsstandards DOCSIS 3.1 würden immense Kapazitäten in den Netzen freisetzen, die für Gigabit-Internet zur Verfügung stünden. Über TV-Kabelnetze sind dann Datenübertragungsraten von bis zu 10 GBit/s im Downstream und 1 GBit/s im Upstream möglich; perspektivisch sogar mit symmetrischen Übertragungsraten im zweistelligen Gigabit-Bereich (ANGA, 2016).
Der Beitrag ist Teil der Studie „Digital. Kommunal. Deutschland. Smart Nation durch Smart Regions.“ von Christian Thorun, Kristina Sinemus und mir.
von Mario Voigt | Sep. 14, 2017 | Bund, CDU, Digital, Digitalisierung, Politik, SPD, Wahlkampf
Der Bundestagswahlkampf 2017 ist der erste echte Wahlkampf mit digital campaigning. Die Parteien kümmern sich in einem unerbittlichen Kampf um Mehrheiten im Netz und experimentieren mit Facebook, Twitter und Co. Was ist in den letzten vier Wochen auf Twitter passiert? Wie haben sich die Parteien verhalten?
Tweets: Knapp 50 Prozent gehen auf SPD und AfD

Tweets aller Parteien
Die SPD und AfD sind die eifrigsten Twitterer unter den deutschen Parteien. Gemeinsam kommen sie auf fast 50 Prozent aller Tweets der Parteien. In den vergangenen 4 Wochen Wahlkampf waren die Sozialdemokraten am intensivsten auf Twitter unterwegs. Sie setzen insgesamt 1396 Tweets ab. Damit sind sie für knapp 24% aller Tweets der relevanten Parteien verantwortlich. Die SPD twitterte erstmal mehr als die AfD, die mit 1365 für 23% aller Tweets verantwortlich sind. Im gleichen Zeitraum erhöhten auch alle anderen Parteien ihre Twitterfrequenz. Die CDU ist mit 912 abgesetzten Tweets die Drittstärkste Kraft.
Die AfD (761), Grünen (480) und FDP (463) erhielten in den vergangenen vier Wochen die meisten

Retweets der Parteien seit Mitte Augus
Retweets pro Tweet. Zwar wächst bei allen Parteien die Anzahl der Retweets und damit auch die Verbreitung ihrer Botschaften und Inhalte. Aber die AfD liegt hier deutlich vorne. Ihre Tweets werden bis zu 700-800mal weiterverbreitet. Die Volksparteien CDU, CSU und SPD erreichen gerademal die Hälfte. Ihre Tweets werden im Durchschnitt zwischen 200-300mal retweetet.
Anwachsen der Follower: FDP legt am stärksten zu
Zwar mag es um die SPD und die Grünen in den Umfragen nicht so rosig bestellt sein. Dennoch genießen sie als debattenfreudige Parteien die meisten Follower beim 140-Zeichen-Kurznachrichtendienst Twitter: Die Grünen (355.000) und die SPD (323.000) haben die größte Followerschaft. Das Mittelfeld wird von der FDP (243.000), CDU, Linken und CSU (180.000) gebildet. In der Gesamtbetrachtung wird deutlich, dass die FDP in der Anzahl der Follower die CDU zur Beginn der intensiven Wahlkampfphase Mitte August überholte. Seitdem steigert sie kontinuierlich ihre Anhängerschaft auf Twitter. Mit 75.000 Followern bildet die AfD abgeschlagen das Schlusslicht. Im Vergleich zur Vorwahlkampfphase haben alle Parteien teilweise deutlich zugelegt.

Wachstum der Parteien auf Twitter seit Mitte August
Blickt man auf das Wachstum der Parteien in den vergangenen vier Wochen des intensiven Wahlkampfes, so gewinnen besonders FDP, CDU und Grüne hinzu. Die FDP konnte in den vergangenen 4 Wochen über neue 26.000 Follower gewinnen. CDU (17.000) und Grüne (14.000) können ebenfalls bedeutend wachsen. Die übrigen Parteien verbleiben bei Zuwächsen um die 10.000 und bei der AfD von über 8.000 Followern. Angesichts ihrer vergleichsweise geringen Anhängerschaft auf dem Kurzmitteilungsdienst entspricht dies jedoch einem Anstieg um über 10 Prozent.
Hashtag: #TVDuell dominiert in den letzten zehn Tagen

Hashtags der letzten zehn Tage
In den letzten zehn Tagen dominierte bei Twitter das TV-Duell. #TVDuell ist der Top-Hashtag mit 475 Nennungen bei allen Parteien. Es verwundert nicht, dass er auch der meistgenutzte Hashtag mit den höchsten Reaktionen ist. Die Debatte um die Äußerung und Performance der Kandidaten entspann die größte Zahl an Reaktionen.
Ähnlich verhält es sich mit den Hashtags der Kandidaten. #Merkel liegt bei den Nennungen der Parteien doppelt so hoch wie #Schulz (216-91). #traudichdeutschland, von der AfD erhielt ähnlich viele Erwähnungen (102) wie das #fedidwgugl der CDU (93) in den letzten zehn Tagen. #ZeitfürMartin kommt auf 78 Erwähnungen.
Was heißt das für den Schlussspurt auf Twitter?
Das Digitale Campaigning nimmt an Fahrt auf. Twitter bleibt das Zielgruppenmedium für Politiker, Journalisten und Interessierte. Die Parteien reagieren schnell, tauschen und agitieren sich auf Twitter. Unter ständiger Beobachtung der Meinungsmacher, Interessierten und Wähler.
Der Austausch wird in den verbleibenden zehn Tagen zunehmen. Noch 30 Prozent Spätentscheider wollen erreicht werden. Ingesamt haben die Parteien vom 1.9 bis zum 10.9.2017 über 40.000 neue Follower gewonnen. Das Interesse wird noch steigen.
Der Trend an Bewegtbild, Infografiken und sharepics nimmt zu. Kurz und prägnant sollen Fakten und Positionen präsentiert werden. Im Schlussspurt wird die virale Zuspitzung mit dem Ziel zunehmen, letzte Aufmerksamkeit auf die Partei und den Kandidaten zu ziehen.
Und zur Mobilisierung ihrer Anhänger werden die Parteien Get-out-the-vote Aktivitäten unternehmen, die gezielt die eigenen Follower zum Wählen gehen aktiviert.
Das nächste Update erfolgt hier auf dem Blog. Um nichts zu verpassen, einfach der Mini-Serie als Newsletter folgen.
[offer-box href=“http://mario-voigt.us7.list-manage.com/subscribe/post?u=32fd2aefa585ab7aa5bf1f280&id=bb6766f11e“ linktext=“Miniserie: Trends im Wahlkampf“ securecheckout=“false“]
von Mario Voigt | Aug. 29, 2017 | Bund, CDU, Digital, Digitalisierung, Politik, SPD, Wahlkampf
Tür-zu-Tür und App – der Wahlkampf ist High Tech mit High touch. Ob aus dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf oder asiatischen Kampagnen sind sie bekannt: Die kleinen technischen Hilfsmittel, die Informationen zu potentiellen Wählern geben, Laufrouten optimieren oder die Kontaktaufnahme erfassen. Doch was bieten die Parteien an neuen Applikationen auf, um ihre Wahlkämpfer Tür-zu-Tür zu unterstützen?!
Praktisch alle Parteien greifen auf Apps zurück, um ihre inhaltlichen Positionen zu verbreiten. Es gibt im Bundestagswahlkampf bisher nur drei Parteien, die ihre Tür-zu-Tür Wahlkämpfer mit einer App unterstützen. Damit wird der Wahlkampf vor Ort organisiert, Zwischenstände und Anfragen zentral zurückgemeldet oder einfach nur die Botschaft des Tages in den sozialen Medien verbreitet.
-
SPD: „Tür-zu-Tür-App“
Bei der SPD dominiert der laufende Fragebogen. Sie bietet Wahlkämpfern die Möglichkeit, einen Fragebogen jeweils zu Politikthemen und Kandidaten aufzurufen. Die Antworten des Bürgers können direkt an der Tür oder später eingetragen werden. Es geht nach thematischen Interessen, der SPD-Wahl-Wahrscheinlichkeit oder der Absicht, am 24.9. seine Stimme abzugeben. Es gibt zwei Möglichkeiten (Kandidaten oder Themen) mit jeweils drei Fragen. So entstehen einfache Handlungsanleitungen für das Türgespräch – ein kleiner Leitfaden.

Frage in der SPD-App
Die App ist eine responsive Internetseite; quasi „ein Online-Formular“ durch welches dann der Kandidat Informationen über den politischen Puls seiner Wahlkreisregion erhält. Im SPD-eigenen Vorwärts heißt es dazu: „Und sie werden über die Bundestagswahl hinaus gespeichert. So kann auch in künftigen Wahlkämpfen auf bestehende Informationen zurückgegriffen werden.“
-
Linke: App „Partisanin“

App der Linken
Bei der Linken geht es mit der App „Partisanin“ um den Häuserkampf. Sie ist nur als Web-App verfügbar und last minute für den Bundestagswahlkampf fertig geworden. Eine native Smartphone-App soll mittelfristig in Planung sein. Herzstück ist eine Karte, wo Nutzer ihre Aktionen eintragen. So markiert man bspw. wo Wahlkampfplakate hängen oder bewertet mit Schulnoten einzelne Häuserblöcke, um die Empfänglichkeit der dort lebenden Wähler für Tür-zu-Tür-Wahlkampf zu erfassen. Perspektivisch sollen sich die Nutzer untereinander messen können und dafür Punkte erhalten.

Strassenmarkierung in der App
Der Zugang ist limitiert und erfolgt über QR-Code Scan im Wahlkampfbüro oder bei einem User, der die App schon hat. Interessant ist der OpenSource-Gedanke: der Quellcode wird veröffentlicht.
-
CDU: „connect17-App“
Die CDU verknüpft in ihrer Connect17-App den Haustürwahlkampf mit digitalen Anspracheformen. Über ein Facebook-Login bedienen die Nutzer eine App, die für die TzT-Ansprache und für die Social Media Mobilisierung gedacht ist. Nutzer erfassen ihre Tür-zu-Tür Aktionen und geben Rückmeldung über positive oder reservierte Wählerkontakte. Zudem können sie datenschutzrechtlich validiert, Unterstützer erfassen oder Nachfragen von Bürgern aufnehmen. Gleichzeitig können die Nutzer Nachrichten an ihre Freunde in die relevanten sozialen Netzwerke pushen.

Apps helfen beim Wahlkampf
Die CDU setzt auf Gamification: für jedes Gespräch gibt es virtuelle Punkte. Man kann eine Ladder of Engagement erklimmen – vom Neuling zum Kanzlerinnenmacher. Der Wettbewerbscharakter wird durch unterschiedliche Missionen angespornt. Ob „Hans Dampf in allen Gassen“ (60 Türen) bis zu „Netzwerker“ (20 Social Media Shares) – jede kann entsprechend mithelfen, Angela Merkel zur Kanzlerin zu machen. Apropos, den zehn fleißigsten Helfer winkt ein Gespräch mit der Kanzlerin.
Die App kam bereits bei den Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zum Einsatz und ist somit schon wahlkampferprobt.
High tech für high touch
Big Data Wahlkampf oder Microtargeting? Viel wird über die Möglichkeiten in den USA oder UK geschrieben. In Deutschland kommen die Parteien mit den harten Datenschutz-Regeln aus und entwickeln dabei ihre eigenen Lösungsansätze. Sie identifizieren Potentialregionen (SPD, CDU), motivieren ihre Unterstützer mit App Fragen zu stellen (SPD), Wahlplakate zu erfassen (Linke) oder für die Wahl an der Tür oder in Social Media (CDU) zu werben.
Allen wahlkämpfenden Parteien ist der langfristige Ansatz klar. Die Bundestagswahl ist der Beginn des intensiven, direkten Wählerdialogs. Potentiale erkennen und pflegen. Technologische Lösungen wie Apps helfen zu strukturieren, Hilfestellungen zu geben oder auch durch Gamefication die Unterstützer anzuspornen. Ein App bleibt aber ein Instrument. Sie ersetzt nicht das persönliche Gespräch, den überzeugenden Kandidaten und den gewinnenden inhaltlichen Standpunkt.
Um nichts zu verpassen, einfach der Mini-Serie als Newsletter folgen.
[offer-box href=“http://mario-voigt.us7.list-manage.com/subscribe/post?u=32fd2aefa585ab7aa5bf1f280&id=bb6766f11e“ linktext=“Miniserie: Trends im Wahlkampf“ securecheckout=“false“]
von Mario Voigt | Aug. 1, 2017 | Bund, Digital, Digitalisierung, Ohne Kategorie, Politik, Wahlkampf
Der Bundestagswahlkampf 2017 ist der erste echte digitale Wahlkampf. Die Parteien kümmern sich in einem unerbittlichen Kampf um Mehrheiten im Netz und experimentieren mit Facebook, Twitter und Co. Der Trend ist klar erkennbar, die politische Kommunikation wird zum digital campaigning. Doch was sind die ersten Erkenntnisse über den Wahlkampf im Netz?
Content ist King – oder was passiert in einer Minute online
Die direkte digitale Kommunikation produziert immer schneller neue Inhalte. Sie macht das Kommunikationsdickicht immer undurchdringlicher. Eine Internet-Minute produziert jedes Jahr sehr viel mehr Inhalte als im Vorjahr. Das Wachstum ist exponentiell, nicht linear. In 60 Sekunden gehen 150 Millionen E-Mails rund um den Globus und 21 Millionen WhatsApp-Nachrichten versandt, 2,8 Millionen YouTube-Videos angeschaut, und Google erhielt 2,4 Millionen Suchanfragen. Auf Twitter wurde 350.000-mal gezwitschert, 700.000-mal logte sich jemand bei Facebook ein, und auf Snapchat wurden 530.000 Fotos geteilt. Macht das die politische Kommunikation für Parteien einfacher?
Wo stehen die Parteien bei Facebook und Twitter zum Beginn des Wahlkampfes?
Digital Campaigning ist mehr als Social Media. Social Media ist aber auch ein guter Test, wo die Parteien momentan stehen. Die Meinungsumfragen spiegeln sich nicht bei den Fans der Parteien auf Facebook wider. Die Spitzenreiter mit den meisten Facebook-Fans kommen von den politischen Rändern: Die AfD kommt auf rund 330.000 Facebookfans, deutlich vor der Linken mit knapp 200.000. Die CSU blickt als drittstärkster Akteur auf circa 185.000 Facebookfans und kommt mit der Schwesterpartei CDU (137.000) dennoch nicht an der AfD vorbei. Die SPD (147.000) liegt vor der CDU und gleichauf mit den Grünen. Die FDP landet mit knapp 100.000 Facebookfans abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Follower bei Twitter aller Parteien
Genau das gegenläufige Bild zeigt sich bei Twitter. Debattenfreudige Parteien haben auch die meisten Follower beim 140-Zeichen-Kurznachrichtendienst: Die Grünen (338.000) und die SPD (308.000) liegen deutlich vor dem Mittelfeld von FDP und CDU mit rund 200.000. Danach folgen Linken um die 180.000 und die CSU um 155.000 Follower. Abgeschlagenes Schlusslicht ist bei Twitter mit 60.000 Followern die AfD.
Zwei erste Trends zeigen sich zum Start in den Sommer des Wahlkampfes.
-
Mit Facebook-Videos: Politik erklären

Im Juli steigt CSU deutlich bei Facebook
Früher Primus unter den Facebook-Campaignern im Juli ist die CSU. Ihre Anhängerschaft bei Facebook wächst am stärksten und sie erzielt Interaktionen mit den Fans. Wesentlicher Treiber ihres Wachstums sind Videos. Mit 38 Videos sind Anfang Juli überflügelt sie alle anderen Parteien. Die CSU gewährt Einblick hinter die Kulissen und erklärt ihre politischen Ansichten. Auf gerade Mal die Hälfte kommt die AfD gefolgt von Linke, SPD und CDU. Am Ende rangieren Grüne und FDP.
Überraschend ist, wie wenig die AfD aus ihrer großen digitalen Anhängerschaft in den sozialen Medien macht. Der Strategiewechsel in der digitalen Kommunikation führt offensichtlich nicht zum Erfolg.
-
Twittern um zu Inspirieren
Bei Twitter erwies sich die FDP im Juli als besonders erfolgreich. Trotz einer geringen Tweetanzahl erzielte sie eine hohe Anzahl von Beitragsinteraktionen. So kamen die Liberalen auf das höchste absolute Wachstum von Twitterfollowern (21.600) im Monat Juli. Ihr bester Tweet war der „Katasterfortschreibungsgebührenwiedereinführungsgesetz“. Der Launch des Dialogs zwischen Amazons Alexa und Christian Lindner vom 17.7. bekam die meisten Interaktionen. Er offenbarte auch die Strategie der FDP mit interessanten Tweets auf weiterführende Angebot hinzuweisen, die inspirieren oder lustig sind. So erhöht sich die Zeit, in den Nutzer bei der FDP verweilen („Time with Brand“).

FDP führt das Wachstum im Juli an
Das Masse nicht gleich Klasse bedeutet, sieht man an der AfD. Sie setzten fast 1000 Tweets im Juli ab und ist damit für 41% aller Tweets der Bundesparteien verantwortlich. Trotzdem landet sie nur auf dem letzten Platz aller Parteien beim Zuwachs (3516 neue Follower). SPD, Linke und CSU kamen lediglich auf je 362-285 Tweets, was jeweils etwas mehr als einem Zehntel aller Parteientweets entspricht. FDP, Grüne und CDU gingen eher sparsam mit Tweets um und setzten nur je ca 185 ab. Das entspricht je ca. 7% aller Gesamttweets. Insgesamt konnten alle Parteien zwischen 6.000-10.000 neue Follower gewinnen. Das Interesse am Wahlkampf wächst.
Erstes Fazit zum Digital Campaigning
Der Wahlkampf im Netz hat begonnen. Die Parteien probieren sich aus. Dabei sind nicht nur die Parteiseiten entscheidend, sondern auch die Kandidaten. Und hier liegen Angela Merkel bei Facebook und Martin Schulz bei Twitter deutlich vor.
Dennoch: Der Monat Juli geht an die CSU und die FDP. Doch letztlich geht es nicht um das „Noice to Action“ Verhältnis im Netz, sondern um den harten Wettbewerb der Wählerstimmen. Wenn die Briefwahl beginnt, wird interessant sein, welche Partei mit neuen Innovationen punkten kann.
In einer Miniserie „Trends im Wahlkampf: Von Tür-zu-Tür bis Digital“ gehen wir an dieser Stelle den Fragen bis zur Bundestagswahl nach.
Um nichts zu verpassen, einfach der Serie als Newsletter folgen.
[offer-box href=“http://mario-voigt.us7.list-manage.com/subscribe/post?u=32fd2aefa585ab7aa5bf1f280&id=bb6766f11e“ linktext=“Miniserie: Trends im Wahlkampf“ securecheckout=“false“]
Neueste Kommentare