Zwei Trends für Public Affairs 2018

Zwei Trends für Public Affairs 2018

Vier Monate nach dem Wahltag und immer noch keine Klarheit. Doch selbst wenn sich die Regierung findet, zeigen die Verhandlungen um Groko und Jamaika wie wankelmütig und disruptiv Politik in Deutschland geworden ist. Doch was heißt das für die Zukunft von Public Affairs?

Unternehmen, Gewerkschaften, Agenturen und NGOs können sich nicht mehr sicher sein, was gilt. Heute gefeierte Kanzlerin schon morgen Auslaufmodell, heute einstimmiges Sondierungsergebnis und morgen schon wieder Verhandlungssache. Wer will da eigentlich noch auf sachbezogene Interessenvertretung setzen? Es bleibt nur der beständige, öffentliche kommunikative Dauerdruck. Ab 2018 gilt: Herzlich willkommen im deutschen Zeitalter der Permanent-Kampagne. Always On!

Wer in diesem Umfeld bestehen will, den werden zwei Trends in 2018 beschäftigen:

1. Digital Campaigning und Stakeholder-Kommunikation: Echtzeit und Transparenz

Die digitale Kampagnefähigkeit wird deutlich wachsen. In der Hochgeschwindigkeit des Internet-Zeitalters beschleunigt sich die Kommunikation: Inhaltliche Reaktionen erfolgen in Echtzeit, Veranstaltungen werden live gestreamt und Kommentierungen geschehen in kurzen Videobeiträgen. Communities vermischen sich im Digitalen – Youtube Influencer interviewen Politiker, steigen in die politische Debatte ein und erweitern so ehemals unterschiedliche Fanbases. Twitter wird nicht der alleinige King der deutschen Public Affairs Community bleiben.

Die Wendung der politischen Kommunikation und deren Akteure hin zur Echtzeitkommunikation auf unterschiedlichen Plattformen führt zu einer wachsenden Sichtbarkeit von politischen Debatten und Inhalten. Nun wird man beobachtet – nicht nur von den Wettbewerbern, sondern auch von den Medien. Das Zwischenstände aus Sondierungsrunden getwittert werden, kann man wahlweise als erhöhte Transparenz oder als undichte Vertraulichkeit sehen. Public Affairs Arbeit wird diesen digitalen Marktplatz nicht mehr verlassen können.

Das führt zu größerem öffentlichen Diskurs über Meinungen und Positionen, Facts und Figures. Gut gemachte Inhalte als Sharepics, Bewegtbild oder synthetisierte Informationen gewinnen an Macht, da sie schnelle Verbreitung in der Community finden. Events und Briefings werden in Echtzeit oder kuratiert an die Nutzer weitergegeben. Die Inhalten und Kommunikationsstrategien werden sich der Darstellungs- und Hierarchisierungslogik der Algorithmen anpassen, der Videos und Live begünstigt. Dabei ändert sich auch die klassische Narrativlogik. Botschaften müssen frühzeitig platziert werden, bevor der Nutzer schon wieder weiterklickt.

Wirkmächtiger werde die Public Affairs Akteure, die aus der Anonymität der Kommunikation in die Mitte des digitalen Marktplatzes treten. Es kommt zu einer Personalisierung auf den wichtigen digitalen Plattformen, wo man Gesicht zeigen muss, um an der politischen Diskussion langfristig mitwirken zu können. Gelingt dies, ist einem die Gewinnung einer eigenen Fanbase und erhöhter Reichweite aka Einfluss gewiss. Daher entstehen neue Instrumente der Zusammenarbeit und Interaktion.

In dieser erweiterten Transparenz gewinnen das Denken in Campaigning und neue Allianzen an Bedeutung. Durch die öffentliche Debatte entstehen bei bestimmten Themen neue Ad hoc Allianzen und teils unfertige Positionen werden unter Einbeziehung der politischen Akteure vervollständigt. Dem Kritiker an der eigenen Position wird man Platz auf der eigenen Plattform einräumen, um Glaubwürdigkeit für die eigene Sichtweise zu gewinnen. Die strategische Planung solcher Prozesse wird enorm zunehmen, will man nicht gegen kleinste Nische-Spieler mit aggressiven und kontrastierenden Botschaften unterliegen. Es ist auf dem digitalen wie auf dem analogen Marktplatz gleich – manchmal weiß man ohne genauen Einkaufszettel nicht, womit man nachhause kommt.

2. Motivation und Mobilisierung der Fanbase: Betroffene zu Beteiligten machen

In der digitalen Transformation gewinnt die Aktivierung von Kunden, Mitarbeitern und Freiwilligen. Für die zukünftige kommunikative Deutungshoheit ist die Einbindung der Fanbase bedeutend. Die Themen sind vielfältig: ob als Metallindustrie gegen die 28-Stunden-Woche zu streiten,  als NGO für mehr Klimaschutz zu werben oder sich als Patienten für einen Nationalen Diabetes Plan zu engagieren – Betroffene suchen transparente Beteiligungsformen. Aktive Teilhabe, direkte Bürgerbeteiligung, stärkere Interaktion und einen Call-to-Action: es geht um orts-, zeitungebundenes und virtuelles Engagement. Doch dafür müssen sich Public Affairs Akteure und Kommunikatoren mehr einfallen lassen als nur die Webseite und das Großflächen-Plakat. Der BDI bekam die fehlende Kampagnefähigkeit bei ihrer Werbekampagne für TTIP zu spüren, die nichts gegen mehr als 100.000 Demonstranten in Berlin ausrichten konnte. Doc Morris probte schon mal das Aktivierungspotential chronisch Kranker im Vorfeld der Bundestagswahl 2017, wo über 100.000 Postkarten an Mitglieder des Bundestages gingen.

In Zeiten kampagnenmäßiger Kommunikation sind moderne Ansätze von Aktivierung, Motivation und Gamification die Antwort. Connect17 mit seinen 1,1 Mio. Tür-zu-Tür-Kontakten war erst der Anfang.

Doch dafür müssen Unternehmen, Gewerkschaften, Verbände und Parteien besser die Motivation Mitarbeiter, Freiwillige oder Kunden verstehen. Dort schlummert die Kraft der Überzeugung. Wer die Betroffenen zu Beteiligten macht, wird eine kommunikative Stärke ausspielen können. Im Zeitalter der digitalen Transformation bedeutet dies, auf die Kraft von Motivation und Gamification zu setzen. Mit der Anwendung der Psychologie des Spiels in realen Kampagnen werden Mitarbeiter, Freiwillige oder Kunden aktiviert. Das kontinuierliche Mobilisierungssignal wird weiter wachsen und findet seine Unterstützung in Gamification-Elementen, die eine spielerische Verbindung zwischen Kampagnen und der Fanbase aufbaut. Wenn Mitglieder und Unterstützer für analoge oder digitale Aktivitäten wie Tür-zu-Tür oder Social Media Posts mehr Status, Punkte oder Prämien erhalten, beginnt ein individueller Wettbewerb, der mehr Teilhabe und Engagement schafft. Die Fanbase wächst und steigert langfristig die Kampagnenfähigkeit und den Public Affairs Erfolg.

Digitales Deutschland? Drei Empfehlungen für digitale Infrastruktur

Digitales Deutschland? Drei Empfehlungen für digitale Infrastruktur

Kann die Koalition auf die Zukunftsfragen der digitalen Infrastruktur überzeugende Antworten geben? Deutschland steht für höchsten Technologiestandard. Beim Internet sind wir löchrig wie ein Schweizer Käse.

Digitales Entwicklungsland

Unsere Infrastruktur- und Kompetenzbasis ist eine der besten der Welt. Dennoch landet die Bundesrepublik wenn es um die digitale Entwicklung geht beim Network Readiness Index des World Economic Forum nur hinter Ländern wie Singapur, Finnland, Schweiz, Schweden, Israel, den Niederlanden oder den Vereinigten Staaten auf Platz 15 von 139 verglichenen Ländern.

Deutschlands digitale Infrastruktur besteht aus einer Vielzahl von Netzwerken und Technologien. Den Aufbau prägt ein Mix aus fester und drahtloser digitaler Infrastruktur. Der Bedarf an Bandbreiten im Gigabit-Bereich für Unternehmen und Bürger wächst beständig. Beim Ausbau moderner Glasfaserverbindungen liegt Deutschland mit knapp 1 Prozent schneller Glasfaserverbindungen an allen Breitbandanschlüssen deutlich zurück. Gerade der geringe Anteil ist auch Grund dafür, dass Deutschland im internationalen Vergleich beim Ausbau der Internetgeschwindigkeit zurückfällt. Nach Berechnungen des TÜV Rheinland sind ungefähr 90 Milliarden Euro erforderlich, um Deutschland flächendeckend mit Glasfaser zu verkabeln.

Deutschland im Network Readiness Index (Quelle: WEF, 2016)

Bis zum Jahr 2021 wird der weltweite Internet-Traffic 127-mal größer sein als im Jahr 2005. In den nächsten fünf Jahren wird er sich im Verhältnis zu 2017 verdreifachen. Das Volumen der mobilen Breitbanddaten wächst ebenso rasant an und steigerte sich in den OECD-Ländern zwischen 2014 und 2015 um 71 Prozent. Die Nutzer wechseln nahtlos zwischen festen und mobilen Verbindungen hin und her. Da die festinstallierte Breitbandinfrastruktur das Rückgrat für die mobilen Angebote darstellt, müssen beide Technologien gemeinsam entwickelt werden.

Digitale Spaltung muss Koalition beenden

Eine zentrale Gelingensbedingung für die digitale Transformation ist der flächendeckende Ausbau mit schnellem Internet in allen Landesteilen Deutschlands, das für alle zugänglich ist und dies zu wettbewerbsfähigen Preisen. Die Versorgung mit Hochgeschwindigkeitsinternet in allen Landesbereichen ist die zentrale Frage bei der Entwicklung der Gigabit-Gesellschaft. Gerade hier mangelt es Deutschland.

Häufig sehen private Unternehmen Investitionen im ländlichen Raum als weniger attraktiv an. Lange Leitungswege, eine geringe Siedlungsdichte und mangelnde Verfügbarkeit von nutzbarer Infrastruktur können zu einem negativen Deckungsbeitrag führen und erklären die derzeitigen „weißen Flecken“ auf der deutschen Breitbandkarte . So ist aktuell eine Breitbandverfügbarkeit mit mehr als 50 Mbit/s im ländlichen Raum nur mit 36,2% gewährleistet. Im Vergleich ist ähnlich schnelles Breitband mit 90,3% in städtischen Gebieten vorhanden . Während eine Reihe von Regionen die technischen Grundlagen für den digitalen Wandel aus eigener Kraft schafft, sind andere Regionen strukturell schwächer entwickelt und benötigen mehr Unterstützung. Mehr als die Hälfte aller Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland besitzen eher schlechte Digitalisierungschancen.

Aktuelle Breitbandverfügbarkeit in Deutschland – TÜV Rheinland (Stand Mitte 2017)

Die Lücke bei der digitalen Infrastruktur bleibt eine hartnäckige Herausforderung. Zumal der Rechtsrahmen den Ausbau in unterversorgten Gebieten erschwert, weil veraltete technologische Standards (Kupfer, Vectoring) und die Möglichkeit des Überbaus von neuen Technologien Investitionen in flächendeckende moderne Infrastruktur hemmen. Deutschlands feste Breitbandpreise sind dadurch im internationalen Vergleich zu hoch und steigen. Die Bundesregierung hat erst spät mit dem DigiNetz-Gesetz versucht, gegenzusteuern.

Deutschlands zukünftige technologische Marktführerschaft wird auch davon abhängen, den erfolgreichen Einstieg in die Gigabitgesellschaft zu erreichen. Die bisherigen Ausbauphasen offenbarten mangelnde Koordination, technologische Klarheit, wettbewerbsrechtliche Hürden und eine finanzielle Unwucht. 

Drei Handlungsempfehlung für eine digitale Infrastruktur

Investitionen in die Infrastruktur verringern Unterschiede zwischen den Regionen. Anspruch einer Smart Nation sollte sein, dass jede Gemeinde eine Ausfahrt von der Datenautobahn erhält.

Bundesweite flächendeckende Gigabitinfrastruktur aus Glasfaser und 5G.

Der Breitbandausbau ist das wichtigste Infrastrukturprojekt der nächsten Legislatur. Deutschland setzt als modernes Land auf Glasfaser. Lediglich Netze auf Glasfaserbasis vermögen langfristig den wachsenden Bedarf nach sehr hohen Bandbreiten jenseits der 50 Mbit/s befriedigen zu können  . Es sollte überall in Deutschland bis zu jeder Haustür reichen und das in der „Digitale Strategie 2025“ des Bundeswirtschaftsministeriums formulierte Ziel bis 2025 nur ein Mindestziel sein. Die Bundesregierung sollte konkrete Ausbauziele und Maßnahmen für die Legislaturperiode bis 2021 formulieren. Die öffentlichen Förderprogramme sind entsprechend des notwendigen Investitionsvolumen eines flächendeckenden Glasfaserausbau Fiber to the Home (FTTH) anzupassen (BMWi 2016) oder durch die (Teil-) Privatisierung der Deutschen Telekom ko-zufinanzieren.

Echte Potentiale ergeben sich durch die Einführung der fünften Mobilfunkgeneration (5G). Deutschland hat die Chance, als Innovationsführer bis 2025 ein hochleistungsfähiges 5G-Netz bereitzustellen und zum Leitmarkt für 5G-Anwendungen werden. Dazu sind zügig weitere Frequenzen auf dem Markt bereitzustellen und die Erlöse aus deren Versteigerung in den Glasfaserausbau fließen zu lassen. Mobilfunk-Basisstationen sind mit leistungsfähiger Glasfaser anzubinden und Best Practice in den Kommunen zu schaffen.

Wir sprechen uns für eine zentrale Koordination der Kompetenzen für den Breitbandausbau und dessen Finanzierung aus. Der Breitbandausbau vollzieht sich grundsätzlich im Wettbewerb, worin kommunale Unternehmen gleichberechtigte Marktteilnehmer sind. Häufig engagieren sie sich über eine rein marktwirtschaftliche Motivation hinaus für die Region. So investierten allein 2016 rund 150 kommunale Unternehmen im Breitbandausbau über 1 Mrd. Euro. Die Wettbewerbskonzeption des Bundes ist daher stärker als bisher auf Investitionen, Innovation und Wachstum auszurichten. Kommunale Unternehmen sollten im gleichen Umfang wie andere Marktteilnehmer auf Förderprogramme des Breitbandausbaus zurückgreifen können.

Kluge Förderpolitik und rechtliche Regeln

Vor allem in gering besiedelten, ländlichen Regionen ist die Herausforderung groß, einen leistungsfähigen und auch bezahlbaren Internetzugang sicherzustellen. Wo der Wettbewerb an seine Grenzen stößt, sollten die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen unternehmerische, volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Interessen in Einklang bringen, bspw. um Doppelausbau zu vermeiden oder interkommunale Kooperationen zu befördern. Sowohl die Bundesnetzagentur als auch das Bundeskartellamt bescheinigen dem Breitbandmarkt derzeit einen zu geringen Wettbewerb, da hohe Fixkosten und hoher Kapitalbedarf prinzipiell den Marktzugang erschweren.

Eine Zugangsregulierung seitens der Bundesnetzagentur findet zwar statt, indem die Telekom als Netzinhaber angewiesen wird, das Netz den Konkurrenten zu öffnen. Dies geschieht jedoch nur nach Prüfung im konkreten Einzelfall. Will der schnelle Breitbandausbau gelingen, muss der eigenwirtschaftliche Ausbau geschützt und der mögliche Überbau verhindert werden (von Glaserfaser durch Vectoring). Mit einem großangelegten Förderprogramm sollte in Deutschland ausschließlichen der Glasfaserausbau gefördert werden. Der vom Bund geplante Wettbewerb für Kreise, Städte und Gemeinden ist mit ausreichenden Mitteln auszustatten, um mit konkreten Ideen Smart Region zu erproben.

Mit Digital Switch Potentiale im Kabelnetz schnell heben

Deutschland nutzt nicht alle Potentiale des schnellen Aufbruchs in die Gigabit-Gesellschaft. Besonders auf Länderebene existieren in den Digitalisierungsstrategien Lücken, wenn es um den Infrastrukturausbau geht. Es reicht nicht aus, nur nach immer neuen Bundesförderprogrammen zu streben. Vielmehr gibt es im Bereich der Analog-Abschaltung in den Kabelnetzen durchaus Potentiale in den Ländern. Die Beendigung der analogen Verbreitung und den Einsatz des neuen Datenübertragungsstandards DOCSIS 3.1 würden immense Kapazitäten in den Netzen freisetzen, die für Gigabit-Internet zur Verfügung stünden. Über TV-Kabelnetze sind dann Datenübertragungsraten von bis zu 10 GBit/s im Downstream und 1 GBit/s im Upstream möglich; perspektivisch sogar mit symmetrischen Übertragungsraten im zweistelligen Gigabit-Bereich.

 

Der Beitrag ist Teil der Studie „Digital. Kommunal. Deutschland. Smart Nation durch Smart Regions.“

Koalition der digitalen Mutlosigkeit oder Zukunftskoalition? Fünf Punkte

Koalition der digitalen Mutlosigkeit oder Zukunftskoalition? Fünf Punkte

Jetzt gehen sie los die Koalitionsverhandlungen. Doch besitzen die Koalitionäre die Kraft, die Zukunftsfragen Deutschlands anzugehen? Besonders die Antworten auf die digitale Disruption wird entscheiden, ob wir eine Koalition der Mutlosigkeit oder Zukunftskoalition sehen. Fünf Punkte sind wichtig.

Was wollen Union und SPD eigentlich?

Während in Seattle gerade der erste Amazon Go Store eröffnete und Menschen vollkommen autonom shoppen, in Estland mit seiner X-Road der Bürger über 2000 Dienstleistungen direkt digital erledigen kann oder in Saudi-Arabien gerade der Roboter „Sophia“ mit KI zum Staatsbürger wurde, begrenzen sich die Wahlprogramme von Union und SPD in ihrer Phantasie:

Konkret fordert die Union:

  • Die Schaffung der Position eines „Staatsministers für Digitalpolitik“ im Bundeskanzleramt und eines „Nationalen Digitalrats“
  • Die Errichtung einen „Gigabit-Gesellschaft“ mit flächendeckend modernem Glasfasernetz bis 2025 und die Etablierung Deutschlands als Leitmarkt für den neuen 5G-Mobilfunk (als Schlüsseltechnologie der digitalen Transformation)
  • E-Gouvernement um Behördengänge vereinfachen (elektronisches Bürgerportal und elektronisches Bürgerkonto)
  • Ausbau Industrie 4.0: Start-Ups unterstützen, neue Technologien und Produktionsverfahren, neue Arbeitsplätze und Arbeitszeitmodellen (bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf), Verabschiedung eines Datengesetzes
  • Digitaler Verkehr: Vernetzung des Verkehrs (Staureduzierung), autonomes Fahren
  • Bildungspolitik: erforderliche Ausstattung der Schulen, Vermittlung digitaler Kompetenzen
  • E-Health: Telemedizin (kürzere Wartezeiten in Arztpraxen, verbesserte und schnellere medizinische Versorgung im ländlichen Raum und gezieltere Diagnosen des Krankheitsbildes sowie optimierter Therapieansätzen)

Bei der SPD heißt es:

  • Bildungspolitik: Digitale Bildung muss Gegenstand von Schul- und Unterrichtsentwicklung sein, qualitativ hochwertige Online-Lernangebote an den Hochschulen entstehen, damit das Studium zunehmend orts- und zeitflexibel möglich wird, Ausstattung der Hochschulen, offenen Kanäle für wissenschaftliche Kommunikation und Publikation fördern (Open Access)
  • Arbeitsmarkt: Forderung einer Ausbildungsstrategie für die Arbeitswelt 4.0, Weiterentwicklung des Berufsbildungsgesetzes, regelmäßige Weiterbildung, mehr selbstbestimmte Arbeitszeitgestaltung
  • Datenschutz: Schaffung eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes, Situation der Urheber verbessern
  • Flächendeckendes schnelles Internet (Glasfaser): „Breitband für alle“ => bis 2025 eine der modernsten digitalen Infrastrukturen in Deutschland
  • Für digitale Ausrüstung sollen kleine und mittlere Unternehmen einen Zuschuss erhalten
  • Digitalisierung in der Verwaltung
  • E-Health: Telemedizin

Die digitalen Zukunftsfelder liegen bei Digitaler Bildung, wo es Anspruch sein muss, jede Schule ans schnelle Internet anzuschließen und die Lehrpläne deutschlandweit digital fit zu machen. Sie liegen in der Gesundheitspolitik, wo wir verbesserte und schnellere medizinische Versorgung im ländlichen Raum und gezieltere Diagnosen des Krankheitsbildes sowie optimierter Therapieansätzen schaffen können. Auch der Ausbau von Industrie 4.0 mit neuen Technologien und Produktionsverfahren, veränderten Arbeitsplätze und Arbeitszeitmodellen diskutieren wir.

Doch will Deutschland im internationalen Vergleich aufholen und soll der digitale Aufbruch gelingen, sind fünf Punkte Voraussetzung:

Deutschland wird Gigabit-Gesellschaft

Deutschland steht für höchsten Technologiestandard. Beim Ausbau moderner Glasfaserverbindungen liegt Deutschland jedoch mit knapp 1 Prozent schneller Glasfaserverbindungen an allen Breitbandanschlüssen deutlich zurück. Anspruch einer Smart Nation sollte sein, dass jede Gemeinde eine gut ausgebaute Ausfahrt von der Datenautobahn erhält. Deutschland wird Gigabit-Gesellschaft durch Glasfaser und 5G mit einer erstklassigen und leistungsstarken Infrastruktur. 

Lediglich Netze auf Glasfaserbasis vermögen langfristig den wachsenden Bedarf nach sehr hohen Bandbreiten jenseits der 50 Mbit/s befriedigen zu können. Der Breitbandausbau ist das wichtigste Infrastrukturprojekt der nächsten Legislaturperiode: Ein echtes Infrastrukturziel Glasfaser. Alle rechtlichen und regulatorischen Maßnahmen und auch Förderprogramme müssen auf dieses Ziel hinwirken und Investitionen in den Glasfaserausbau bis in die Wohnung und bis in die Unternehmen forcieren. Auch für ein leistungsfähiges 5G-Netz, das die Glasfaseranschlüsse bei mobiler Nutzung ergänzt, ist eine Glasfaseranbindung der Antennen unabdingbar.

Nationale Digital-Strategie statt Klein-Klein.

Internationale digitale Spitzenreiter machen es vor; man braucht einen Gesamtansatz, damit alle in die gleiche Richtung ziehen. Deutschland ist ein Land der unterschiedlichen Geschwindigkeiten: Es gibt Champions in ländlichen Regionen und städtische Schlafmützen, wie auch Smart Cities und weiße Flecken im ländlichen Raum. Es gibt wirtschaftlich starke und schwache, demographisch wachsende und schrumpfende Regionen, die munter nebeneinander existieren.

Der Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse bleibt auch in Zeiten des Megatrends Digitalisierung. Deswegen sollten wir auch nicht vergessen, wo Bürger den Staat häufig als erstes erleben – in ihrem unmittelbaren Wohn- und Arbeitsumfeld. Ob Wasser fließt, es Strom gibt, der Müll abgeholt wird, der Bus fährt – 24/7 Zuständigkeit findet in der Daseinsvorsorge statt. Die Bundesregierung sollte eine kohärente Vision für eine Smart Nation-Strategie entwickeln, die als Schwerpunkt eine Smart Region-Strategie mit Beteiligung wesentlicher Stakeholder und Fokus auf Daseinsvorsorge 4.0 enthält. Die Kompetenzen für die Digitalisierung sind sowohl bei den Bundesministerien als auch bei den Bundesbehörden zu bündeln. Überdies ist eine Verzahnung mit der lokalen Ebene zu gewährleisten. Sie kann eingebettet sein in eine fortgeschriebene digitale Agenda als Fahrplan der Bundesregierung im Bereich des digitalen Wandels.

Klare Kompetenzen und Digitalisierung ist Chefsache.

Es gibt kein digitales Spitzenland ohne klare Zuständigkeiten. Ein Chief Digital Officer koordiniert und bündelt nationale wie regionale Aktivitäten. Ausgestattet mit einem eigenen Haushalt und Ressourcen lassen sich wesentliche Maßnahmen vorantreiben. Alle Bundesministerien und entsprechend auch alle nachgelagerten Behörden, die Bundesländer und Kommunen müssen ihre Prozesse und Projekte koordiniert digitalisieren. Ein nationales CDO-Gremium tauscht sich über Fortschritte aus und ermöglicht ein kontinuierliches Monitoring und Lernen.

Digitale Standards und Datengesetz einführen.

Daten sind der Rohstoff der Zukunft. Studien sehen das volkswirtschaftliche Potenzial im Umgang damit zwischen 12,1 und 131,1 Milliarden Euro pro Jahr – je nach aktiver oder reaktiver Nutzung. Doch Deutschland fehlt es an rechtlicher und technischer Klarheit. Eine Referenzarchitektur für Vernetzung von Daten ist notwendig, die Schnittstellen, Sicherheitsanforderungen und Protokolle definiert. Damit dies nach fest definierten Standards auf einem deutschlandweit einheitlichen Markt verläuft, sollte die Bundesregierung eine Initiative unterstützen, die Deutschland zum Land eines öffentlichen Datenraums (Public Data Space) profiliert. Ziel ist es, die Daten als Bindeglied zwischen öffentlichen Leistungen, moderner Daseinsvorsorge und neuen Leistungsangeboten über Smart Services zu profilieren.

Die EU hat mit der Datenschutzgrundverordnung bisherige Konzepte der Datensouveränität und -sicherheit grenzübergreifend im europäischen und internationalen Kontext weiterentwickelt. Prägend für die deutsche Datenhoheit und deren Rechtsrahmen sind Fragmentierung vor allem im Verfassungs-, Datenschutz-, Urheber- und Strafrecht. In einer digitalen Gesellschaft haben Daten einen Wert. Und ihr Mehrwert muss vor Ort sichtbar werden – sonst schwinden Akzeptanz und Vertrauen.

Nur Open Data alleinig zum Nulltarif übersieht bspw. investive Kosten in Infrastrukturen wie der Energie-, Wasser- oder Breitbandversorgung. Aus diesen Infrastrukturen entstehen vor Ort eine ungeheure Menge von Daten, deren Mehrwert auch lokal sichtbar werden sollte. Deutschland wird seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wenn wir keine Geschäftsmodelle nutzen können, die auf hochentwickelten Datenanalysen basieren. Wir sollten auf die Kraft der intelligenten Daten setzen. Aber das Potential des Datenschatzes, die Verfügbarkeit und die Anforderungen an den Datenschutz müssen zusammengebracht werden. Dafür braucht es ein Datengesetz. Deshalb brauchen wir ein Datengesetz, das Rechtssicherheit gewährleistet und die wirtschaftliche Nutzung von Daten regelt.

Smarte Gesetzgebung und Experimentierräume ermöglichen.

Die Regulatorik in Deutschland gehört auf auf den Prüfstand. Die hohe Innovationsgeschwindigkeit digitaler Geschäftsmodelle und Technologien, ihr grenzüberschreitender Charakter sowie immer stärker divergierende Nutzererwartungen stellen eine Herausforderung für klassische Regulierungs- und Rechtsdurchsetzungsansätze dar. In der Vergangenheit haben die europäischen und nationalen Gesetzgeber hierauf oft damit reagiert, dass sie entweder sehr spezifische Regelungen erlassen haben, die schnell durch technologische Entwicklungen überholt waren oder sie haben abstrakte und technikneutrale Regelungen verabschiedet. Allerdings haben diese den Nachteil, dass sie mit rechtlichen Grauzonen und Rechtsunsicherheit einhergehen. Diese sind sowohl für die Unternehmen als auch für Bürger problematisch. Auch wurde nicht immer die richtige Balance zwischen einer europäischen bzw. nationalen Rahmengesetzgebung und einer mikro-Steuerung über Bundesbehörden gefunden. In der neuen Legislaturperiode sollte verstärkt auf einen smarten Mix von Regulierungsansätzen gesetzt werden.

Diese fünf Gelingensbedingungen setzen einen Rahmen für erfolgreiche Digitalisierung und damit für eine Zukunftskoalition. Mehr dazu gibt es in unserer Studie Smart Nation.

Smart Region: Digitale Infrastruktur für Deutschland

Smart Region: Digitale Infrastruktur für Deutschland

Deutschland steht für höchsten Technologiestandard. Eine beständig verfügbare digitale Infrastruktur bildet die Basis für viele neue Dienstleistungen, Anwendungen und Geschäftsmodelle. Darüber hinaus erhöht der Zugang zu einer modernen Internet-Infrastruktur die gesellschaftliche Teilhabe, ermöglicht neue wissenschaftliche und soziale Netzwerke und den freien Informationsfluss. Moderner Internetzugang ist eine kritische Komponente für eine demokratische Gesellschaft und kulturelle Vielfalt (OECD, 2017b).

Technologische Fragen

Unsere Infrastruktur- und Kompetenzbasis ist eine der besten der Welt. Dennoch landet die Bundesrepublik wenn es um die digitale Entwicklung geht beim Network Readiness Index des World Economic Forum nur hinter Ländern wie Singapur, Finnland, Schweiz, Schweden, Israel, den Niederlanden oder den Vereinigten Staaten auf Platz 15 von 139 verglichenen Ländern (World Economic Forum, 2016).

Deutschlands digitale Infrastruktur besteht aus einer Vielzahl von Netzwerken und Technologien. Den Aufbau prägt ein Mix aus fester und drahtloser digitaler Infrastruktur. Der Bedarf an Bandbreiten im Gigabit-Bereich für Unternehmen und Bürger wächst beständig. Beim Ausbau moderner Glasfaserverbindungen liegt Deutschland mit knapp 1 Prozent schneller Glasfaserverbindungen an allen Breitbandanschlüssen deutlich zurück. Gerade der geringe Anteil ist auch Grund dafür, dass Deutschland im internationalen Vergleich beim Ausbau der Internetgeschwindigkeit zurückfällt (Belson, 2016). Nach Berechnungen des TÜV Rheinland sind ungefähr 90 Milliarden Euro erforderlich, um Deutschland flächendeckend mit Glasfaser zu verkabeln (Parsons u.a., 2016).

Deutschland im Network Readiness Index (Quelle: WEF, 2016)

Bis zum Jahr 2021 wird der weltweite Internet-Traffic 127-mal größer sein als im Jahr 2005 (Cisco, 2017). In den nächsten fünf Jahren wird er sich im Verhältnis zu 2017 verdreifachen. Das Volumen der mobilen Breitbanddaten wächst ebenso rasant an und steigerte sich in den OECD-Ländern zwischen 2014 und 2015 um 71 Prozent (OECD, 2017a). Die Nutzer wechseln nahtlos zwischen festen und mobilen Verbindungen hin und her. Da die festinstallierte Breitbandinfrastruktur das Rückgrat für die mobilen Angebote darstellt, müssen beide Technologien gemeinsam entwickelt werden.

Nationale Unterschiede und Digitale Spaltung

Eine zentrale Gelingensbedingung für die digitale Transformation ist der flächendeckende Ausbau mit schnellem Internet in allen Landesteilen Deutschlands, das für alle zugänglich ist und dies zu wettbewerbsfähigen Preisen. Die Versorgung mit Hochgeschwindigkeitsinternet in allen Landesbereichen ist die zentrale Frage bei der Entwicklung der Gigabit-Gesellschaft. Gerade hier mangelt es Deutschland.

Häufig sehen private Unternehmen Investitionen im ländlichen Raum als weniger attraktiv an. Lange Leitungswege, eine geringe Siedlungsdichte und mangelnde Verfügbarkeit von nutzbarer Infrastruktur können zu einem negativen Deckungsbeitrag führen und erklären die derzeitigen „weißen Flecken“ auf der deutschen Breitbandkarte (Deist u.a., 2016). So ist aktuell eine Breitbandverfügbarkeit mit mehr als 50 Mbit/s im ländlichen Raum nur mit 36,2% gewährleistet. Im Vergleich ist ähnlich schnelles Breitband mit 90,3% in städtischen Gebieten vorhanden (BMVI, 2017a). Während eine Reihe von Regionen die technischen Grundlagen für den digitalen Wandel aus eigener Kraft schafft, sind andere Regionen strukturell schwächer entwickelt und benötigen mehr Unterstützung. Mehr als die Hälfte aller Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland besitzen eher schlechte Digitalisierungschancen (Wiechmann/Terfrüchte, 2017).

Aktuelle Breitbandverfügbarkeit in Deutschland – TÜV Rheinland (Stand Mitte 2017)

Die Lücke bei der digitalen Infrastruktur bleibt eine hartnäckige Herausforderung. Zumal der Rechtsrahmen den Ausbau in unterversorgten Gebieten erschwert, weil veraltete technologische Standards (Kupfer, Vectoring) und die Möglichkeit des Überbaus von neuen Technologien Investitionen in flächendeckende moderne Infrastruktur hemmen. Deutschlands feste Breitbandpreise sind dadurch im internationalen Vergleich zu hoch und steigen (World Economic Forum, 2016; Baller, Dutta und Lanvin, 2016). Die Bundesregierung hat erst spät mit dem DigiNetz-Gesetz versucht, gegenzusteuern.

Deutschlands zukünftige technologische Marktführerschaft wird auch davon abhängen, den erfolgreichen Einstieg in die Gigabitgesellschaft zu erreichen. Die bisherigen Ausbauphasen offenbarten mangelnde Koordination, technologische Klarheit, wettbewerbsrechtliche Hürden und eine finanzielle Unwucht. 

Handlungsempfehlung für eine digitale Infrastruktur

Investitionen in die Infrastruktur verringern Unterschiede zwischen den Regionen. Anspruch einer Smart Nation sollte sein, dass jede Gemeinde eine Ausfahrt von der Datenautobahn erhält.

Unser Ziel ist eine bundesweit flächendeckende Gigabitinfrastruktur aus Glasfaser und 5G.

Der Breitbandausbau ist das wichtigste Infrastrukturprojekt der nächsten Legislatur. Deutschland setzt als modernes Land auf Glasfaser. Lediglich Netze auf Glasfaserbasis vermögen langfristig den wachsenden Bedarf nach sehr hohen Bandbreiten jenseits der 50 Mbit/s befriedigen zu können (Deist u.a. 2016). Es sollte überall in Deutschland bis zu jeder Haustür reichen und das in der „Digitale Strategie 2025“ des Bundeswirtschaftsministeriums formulierte Ziel bis 2025 nur ein Mindestziel sein. Die Bundesregierung sollte konkrete Ausbauziele und Maßnahmen für die Legislaturperiode bis 2021 formulieren. Die öffentlichen Förderprogramme sind entsprechend des notwendigen Investitionsvolumen eines flächendeckenden Glasfaserausbau Fiber to the Home (FTTH) anzupassen (BMWi 2016) oder durch die (Teil-) Privatisierung der Deutschen Telekom ko-zufinanzieren.

Echte Potentiale ergeben sich durch die Einführung der fünften Mobilfunkgeneration (5G). Deutschland hat die Chance, als Innovationsführer bis 2025 ein hochleistungsfähiges 5G-Netz bereitzustellen und zum Leitmarkt für 5G-Anwendungen werden (BVMI, 2017c). Dazu sind zügig weitere Frequenzen auf dem Markt bereitzustellen und die Erlöse aus deren Versteigerung in den Glasfaserausbau fließen zu lassen. Mobilfunk-Basisstationen sind mit leistungsfähiger Glasfaser anzubinden und Best Practice in den Kommunen zu schaffen.

Wir sprechen uns für eine zentrale Koordination der Kompetenzen für den Breitbandausbau und dessen Finanzierung aus. Der Breitbandausbau vollzieht sich grundsätzlich im Wettbewerb, worin kommunale Unternehmen gleichberechtigte Marktteilnehmer sind. Häufig engagieren sie sich über eine rein marktwirtschaftliche Motivation hinaus für die Region. So investierten allein 2016 rund 150 kommunale Unternehmen im Breitbandausbau über 1 Mrd. Euro. Die Wettbewerbskonzeption des Bundes ist daher stärker als bisher auf Investitionen, Innovation und Wachstum auszurichten (Bundesregierung, 2017). Kommunale Unternehmen sollten im gleichen Umfang wie andere Marktteilnehmer auf Förderprogramme des Breitbandausbaus zurückgreifen können.

Deutschland fördert den Ausbau mit schnellem Internet durch genügend Ressourcen und eine kluge Förderpolitik.

Vor allem in gering besiedelten, ländlichen Regionen ist die Herausforderung groß, einen leistungsfähigen und auch bezahlbaren Internetzugang sicherzustellen. Wo der Wettbewerb an seine Grenzen stößt, sollten die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen unternehmerische, volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Interessen in Einklang bringen, bspw. um Doppelausbau zu vermeiden oder interkommunale Kooperationen zu befördern. Sowohl die Bundesnetzagentur als auch das Bundeskartellamt bescheinigen dem Breitbandmarkt derzeit einen zu geringen Wettbewerb, da hohe Fixkosten und hoher Kapitalbedarf prinzipiell den Marktzugang erschweren (Bundesnetzagentur, 2017).

Eine Zugangsregulierung seitens der Bundesnetzagentur findet zwar statt, indem die Telekom als Netzinhaber angewiesen wird, das Netz den Konkurrenten zu öffnen. Dies geschieht jedoch nur nach Prüfung im konkreten Einzelfall. Will der schnelle Breitbandausbau gelingen, muss der eigenwirtschaftliche Ausbau geschützt und der mögliche Überbau verhindert werden (von Glaserfaser durch Vectoring). Mit einem großangelegten Förderprogramm sollte in Deutschland ausschließlichen der Glasfaserausbau gefördert werden. Der vom Bund geplante Wettbewerb für Kreise, Städte und Gemeinden ist mit ausreichenden Mitteln auszustatten, um mit konkreten Ideen Smart Region zu erproben (BVMI, 2017c).

Mit einem Digital Switch werden Potentiale im Kabelnetz schnell gehoben.

Deutschland nutzt nicht alle Potentiale des schnellen Aufbruchs in die Gigabit-Gesellschaft. Besonders auf Länderebene existieren in den Digitalisierungsstrategien Lücken, wenn es um den Infrastrukturausbau geht. Es reicht nicht aus, nur nach immer neuen Bundesförderprogrammen zu streben. Vielmehr gibt es im Bereich der Analog-Abschaltung in den Kabelnetzen durchaus Potentiale in den Ländern. Die Beendigung der analogen Verbreitung und den Einsatz des neuen Datenübertragungsstandards DOCSIS 3.1 würden immense Kapazitäten in den Netzen freisetzen, die für Gigabit-Internet zur Verfügung stünden. Über TV-Kabelnetze sind dann Datenübertragungsraten von bis zu 10 GBit/s im Downstream und 1 GBit/s im Upstream möglich; perspektivisch sogar mit symmetrischen Übertragungsraten im zweistelligen Gigabit-Bereich (ANGA, 2016).

 

Der Beitrag ist Teil der Studie „Digital. Kommunal. Deutschland. Smart Nation durch Smart Regions.“ von Christian Thorun, Kristina Sinemus und mir.

 

Wahlanalyse 2017: Wenn die Politik an der Haustür klingelt

Wahlanalyse 2017: Wenn die Politik an der Haustür klingelt

Der folgende Artikel wurde von Conrad Clemens und mir verfasst. Er ist Teil des Buchprojektes „Wahlanalyse 2017“.

Politik ist Kontaktsport. Im Bundestagswahlkampf 2017 besannen sich die Parteien auf die direkte Ansprache des Wahlvolkes. Dies verwundert nicht, nimmt doch die Parteibindung ab, steigt die Medienvielfalt und verbreitert sich das politische Meinungsspektrum. Wer in Zeiten von maximaler und permanenter digitaler Aufregung das Herz der Wähler gewinnen will, muss den direkten Draht zum Wähler suchen.

Die direkte Wähleransprache liegt im internationalen Trend. Beim US- Präsidentschaftswahlkampf 2016 setzten sowohl Donald Trump als auch Hillary Clinton auf eine ausdifferenzierte Infrastruktur aus Freiwilligen, Daten und Technologie für die Mobilisierung. Die Republikaner klopften an 24 Millionen Haustüren und schafften 26 Millionen Telefonanrufe (Voigt 2018). In Großbritannien überraschte die Labour Party bei der Unterhauswahl mit großen Zugewinnen, weil das „Doorstep Game“ neu organisiert wurde (Hancox 2017). Und auch in Frankreich setzte Macrons Bewegungspartei „En Marche!“ in der Aufbauphase aber auch im Wahlkampf um die Präsidentschaft kräftig auf Tür-zu-Tür-Wahlkampf (Robins-Early 2017).

In Deutschland befeuern neben dem geänderten Mediennutzungsverhalten der Bürger zwei Trends das Engagement der Parteien, auf die Bürger direkt zuzugehen: frühe Wähler und späte Entscheider. Bereits bei der Bundestagswahl 2013 beantragten 10,8 Millionen Deutsche ihre Stimme per Brief ab. Briefwählen ist ein wachsender Trend, 2017 lag der Briefwähleranteil bei 28,6 Prozent – ein Rekord. Das Problem für die Parteien ist: Wenn die Zeit der konventionellen Wahlwerbung beginnt, fangen die Wähler bereits per Brief an zu wählen, ohne dass sie von der Wahlkampfkommunikation erreicht werden. Bei den späten Entscheidern verkehrt sich die kommunikative Aufmerksamkeit ins Gegenteil. Aus Wahlverhaltensstudien über Spätentscheider ist bekannt, dass mehr als jeder dritte Wähler sich in den letzten zehn Tagen vor der Wahl ein abschließendes Urteil bildet (Reinemann et al. 2013). Trotz wochenlangen Werbedrucks der Parteien kommt es also auf die direkte Kommunikation und Mobilisierung in den letzten Tagen an.

Im Wahljahr rieben sich Journalisten und manche Beobachter verwundert die Augen als besonders die CDU auf die Ansprache von Tür zu Tür setzte. Die Union verband darin den Anspruch, einen modernen Wahlkampf mit klassischer Wähleransprache zu verbinden. Es ging um eine Haltung, auf die Menschen zuzugehen und sich den Fragen der Bürger zu stellen.

Folgender Beitrag beleuchtet den Aufbau des Mobilisierungsprojekts der CDU, connect17, ordnet es in die wissenschaftliche Forschung zum Thema Tür-zu-Tür ein und gibt einen Ausblick über die zukünftige Entwicklung der direkten Wähleransprache.

connect17 für die direkte Wähleransprache

Die CDU setzte konsequent auf Tür-zu-Tür-Ansprache. Die organisatorischen Vorarbeiten starteten bereits im Herbst 2015 unter Führung des Bundesgeschäftsführers Klaus Schüler. Rund zwei Jahre vor dem eigentlichen Wahltag standen Themen und Debattenlagen noch nicht fest, aber es war offensichtlich, dass die direkte Wähleransprache eine wesentliche Rolle für den Erfolg ausmachen würde. Für die direkte Mobilisierung galt es drei wesentliche Aspekte zu adressieren. Erstens stand der organisatorische Projektaufbau im Mittelpunkt. Im September 2016 gründet man offiziell die Kampagneneinheit connect17. Sie verknüpfte die Parteigliederungen, die Vereinigungen der CDU und das Freiwilligenprogramm teAM aus den vorherigen Wahlkämpfen zu einem eigenständigen Direktansprache-Projekt. Um Reibungsverluste zu vermeiden und eine synchrone Kampagnenarbeit sicherzustellen, gab es eine enge Verzahnung mit der Jugendorganisation JU und eine Anbindung an die CDU- Landesverbände. Für die jeweiligen Landesverbände und deren Kandidaten gab es bei connect17 Ansprechpartner. Berichtet wurde an Klaus Schüler als Bundesgeschäftsführer und Stefan Hennewig als Leiter des Bereichs Kampagne.

Zweitens galt es, die Partei für die direkte Wähleransprache Tür zu Tür zu gewinnen. Hierbei wirkte die Überzeugungskraft von Angela Merkel und Peter Tauber. Bundeskanzlerin und Parteivorsitzende Angela Merkel startete den Wahlkampf mit der Aussage: Dieser Wahlkampf wird wie kein anderer. Sie verwies darauf, auf die Wähler direkt zuzugehen. Generalsekretär Peter Tauber absolvierte unzählige Tür-zu-Tür-Besuche mit Kandidaten in den Landtags- und im Bundestagswahlkampf im Wahljahr 2017. Zudem bezog man die Landesverbände frühzeitig mit ein und erklärte auf Konferenzen, Schulungen und in Einzelpräsentationen die Bedeutung für den Bundestagswahlkampf. Wesentlich waren jedoch die Beta-Tests und Erfolge bei den Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Hierbei sticht besonders das Saarland als Initialzündung für das Wahljahr 2017 heraus, wo bei 217.000 Wählern für die CDU 75.000 Haushalte direkt per Tür- zu-Tür angesprochen wurden.

Drittens ging es um die gezielte Steuerung zum Bundestagswahltag. In Trainings mit allen Kandidatenkampagnen der CDU, durch eine Wahlkampf-App connect17, welche den Tür-zu-Tür-Wahlkampf unterstützte, und Anreizinstrumente durch neuartige Gamification- Elemente gewann man knapp 12.000 Teilnehmer für das Programm connect17. Es standen zwei Zeitfenster der Kampagne im besonderen Fokus: der Beginn der Briefwahlphase und die Schlussmobilisierung in den letzten 14 Tagen. Aber auch zu herausgehobenen Kampagnenevents wie dem TV-Duell unterstützte connect17 durch Tür-zu-Tür und digital die Kommunikation. Ein wesentlicher Erfolgsindikator für connect17 war die Anzahl der erreichten Haushalte. Durch das Programm connect17 erreichte die CDU über 1,1 Mio. Bürger direkt.

Vier wissenschaftliche Argumente aus dem Blickwinkel von Connect17

In der Wissenschaft gibt es ein wachsendes Interesse an der direkten Wählerkommunikation und besonders die Bürgeransprache Tür-zu-Tür steht im Mittelpunkt (Green/Gerber 2015). Vier Argumente kristallisieren sich heraus: Tür-zu-Tür-Wahlkampf wirkt, wird von den Bürgern begrüßt, aktiviert die Partei und findet seine Verbesserung in neuer Datenvielfalt.

  1. Effektivitäts-Argument: Tür-zu-Tür wirkt

Zahlreiche Studien belegen die positiven Effekte von Tür-zu-Tür für die Wahlbeteiligung und den Wahlerfolg. Von Harold F. Gosnells Studie „An experiment in the stimulating at voting“ aus dem Jahr 1926, über Eldersveld in den 1950er bis Rosenstone und Hansen in den 1990ern kommen alle zum Ergebnis: Tür-zu-Tür ist das effektivste Wahlkampfinstrument. Zum modernen Standard der Wahlkampfwirkungsforschung sind die verschiedene Studien von Gerber, Green und Nickerson geworden (Green/Gerber 2016). Sie fanden bspw. das Tür-zu-Tür die Wahlbeteiligung um 8 Prozentpunkte steigert, während die postalische Ansprache sie nur um einen halben Prozentpunkt erhöhte und Telefonanrufe keine Effekte auf die Wahlbeteiligung hat (Green/Gerber 2015). Zwar ist die Forschung in Europa noch ein zartes Pflänzchen, aber vergleichbare experimentelle Feld- Studien finden fast ähnliche Effekte. Allerdings schlagen diese im Vereinigten Königreich etwas stärker aus wie Studien von John und Brannan für die Britischen
Unterhauswahl belegen (John/Brannan 2008). Bei der Mobilisierung in Frankreich (Pons. 2014) oder Spanien (Ramiro et al. 2012) sind die Effekte etwas kleiner, aber immer noch besser als mit anderen Wahlkampfinstrumenten. In Deutschland fehlen Studien weitgehend, aber Tests vergleichbar denen von Green und Gerber zeigten der CDU bei Landtagswahlen oder bei Oberbürgermeisterwahlen von 2014-2016 Zugewinne von 2 bis zu 4 Prozentpunkten.

Blickt man auf das Wahljahr 2017 und connect17 sticht besonders die Landtagswahl im Saarland heraus, wo die CDU 48.000 neue Wähler hinzugewann und die Wahlbeteiligung um mehr als 8 Prozentpunkte anstieg. Erste vorsichtige Analysen für die Bundestagswahl legen nahe, dass das CDU-Ergebnis in den besonders engagierten Tür-zu-Tür Regionen zwischen 1-2 Prozentpunkten besser abschnitt als im Durchschnitt. Bei aller Sorgfalt legt dies doch nahe, dass Tür zu Tür auch in Deutschland wirkt.

  1. Vertrauens-Argument: Auge in Auge funktioniert es

Menschen vertrauen Menschen, wenn sie ihnen gegenüberstehen. Bereits in den vierziger Jahren arbeitete die Forschungsgruppe um Paul Lazarsfeld die Vorteile der interpersonellen Kommunikation heraus: Sie wird als zweckfreier wahrgenommen, der Kommunikator kann flexibler auf Widerstände reagieren und sein Gegenüber überreden, ohne voll überzeugen zu müssen. Es hilft, interpersonell zu kommunizieren, weil das Vertrauen der Wähler steigt, wenn sie jemanden menschlich erleben (Lazarsfeld 1968). Das hat viel mit sozialen Normen und Psychologie zu tun. Der Kodex des respektvollen Umgangs wird Auge-in-Auge nicht verlassen (Goffman 1982). Face-to-Face akzeptieren Wähler sogar den Haustürwahlkämpfer, selbst wenn die vorgetragene Meinung nicht ganz mit der eigenen übereinstimmt. Dies hat sicherlich auch damit zu tun, dass bei der zunehmenden Diversifikation elektronischer Medien und der Zerfransung der Mediennutzung die Ansprache des eigenen Wählerpotentials größere Bedeutung gewinnt. Auch im Digitalzeitalter soll es menscheln.

Die Erfahrungen bei connect17 zeigen, dass die Bürger sehr positiv auf die Ansprache Mensch zu Mensch reagieren. Nur ein verschwindend geringer Bruchteil reagierte ablehnend. Vielmehr begrüßte ein Großteil die direkte Ansprache und das Zugehen durch die Politik. Die Tür-zur-Tür Wahlkämpfer stießen auf Vertrauen und die Bürger begrüßten die direkte Ansprache durch die Politik. Dabei war es irrelevant, ob der Kandidat selbst oder ein Freiwilliger Kontakt aufnahm.

  1. Revitalisierungs-Argument: Gib der Partei was zu tun

In der Wählerschaft herrscht Unsicherheit und die Kompetenzzuweisung zu den klassischen Medien sinkt. Genauso erreichen klassische Wahlkampfinstrumente von der Großveranstaltung, dem Wahlkampfstand, bis zur Parteizeitung fast ausschließlich nur den politisch interessierten Wähler. Politik ist gezwungen auf die potentiellen Wähler im wahrsten Sinne des Wortes zuzugehen. Schließlich sind Parteien keine „civic charity“ (Foos/John 2016). Bei den Praktikern setzt sich zugleich die Einsicht durch, dass die Haustürkampagne organisatorische Stärke benötigt, die nur eine Parteibasis liefern kann. Dem Ortsverband kommt endlich wieder eine wichtigere Rolle zu. Ob in den USA mit schwachen Parteistrukturen oder in den organisatorisch gut verfassten kontinentaleuropäischen Parteien man folgt dem Leitsatz, Parteiarbeit von jung bis alt hat wieder Gewicht. Den traditionellen Strukturen und Mitglieder werden mehr Aufgaben und Verantwortung übertragen.

Tür-zu-Tür verbindet also Kandidat, Parteistrukturen und befreundete Vereinigungen. Und es hinterlässt einen bleibenden Effekt bei den Bürgern für nachfolgende Wahlen: Einmal angesprochen steigt die Wahrscheinlichkeit des Wählers auch beim nächsten Mal zu gehen (Coppock/Green 2016). Ein guter Anreiz für die kommunalen Parteistrukturen bei nationalen Programmen und Angeboten mit zu machen.

Die Parteibasis reagiert sehr positiv auf connect17 und die direkte Ansprache Tür-zu- Tür. Insgesamt fanden über 250 Trainings statt und nahmen rund 12.000 Mitglieder an connect17 teil. Bereits die Angebote an Konferenzen und Trainings erwiesen sich als wesentlicher Teil der innerparteilichen Überzeugungsarbeit. Der Binnenmobilisierung folgte die Ansprache der Wähler. Bemerkenswert ist, dass es der CDU mit connect17 gelang, über 1,1 Mio. Bürger direkt anzusprechen. Das sind fast 10 Prozent ihrer Wähler.

Mit neuen technologischen Möglichkeiten wie der App connect17 zum Erfassen des eigenen Engagements und der aktiven Teilnahmen an Rankings entstand ein Wettbewerb, der jeden einzelnen Wahlkämpfer zum Teil der größeren Kampagne werden ließ. Die Reaktionen aus der Partei zu connect17 – von Funktionsträgern bis zu einzelnen Mitgliedern verliefen sehr positiv. Tür-zu-Tür erreichte somit ein größeres Engagement innerhalb der Partei und gab der Basis konkrete Handlungsoptionen, aktiv am Wahlkampf teilzunehmen.

  1. Big-Data-Argument: Mit dem Wissen über den Wähler was anfangen

Je mehr man über den Wähler weiß, umso leichter ist er aktivierbar. Neuere Studien konzentrieren sich auf den Einsatz von Big Data und Digitale Technologien, die die herkömmlichen Wählerpotenzialanalysen massiv aufwerten und das (Geo-)Targeting verfeinern (Hersh 2015). „Big Data“ ermöglicht es, viel gezielter auf die Interessen und das online sicht- und messbare Verhalten der Wähler einzugehen. Komplexe Modellierung helfen den Freiwilligen an der Haustür genau jene Botschaft beim Wähler zu platzieren, die er gerne hören möchte (Kreiss 2016).

Seit 2004 verfeinern Kampagnen weltweit die Verwendung von wählerrelevanten Daten (Issenberg 2013, Güldenzopf/Voigt 2017). Mit neuen technischen Innovationen, Apps und Kampagne-Dashboards rücken die fernen Tür- zu-Tür-Besuche ins Zentrum des Kampagnenhauptquartiers. So verheiraten sich zentralisierte Kampagnenführung von oben mit sozialen Bewegungen von unten (Speth 2013). Manche Studien legen ähnliche Anspracheformen durch Big Data in Deutschland wie in den USA nahe. Dies gehen jedoch an den Wirklichkeiten des deutschen Datenschutzes weit vorbei. Sie unterschätzen die Notwendigkeit auf die wesentlichen Prediktoren wie Parteineigung und Wahlgeschichte zurückgreifen zu können wie es in den USA möglich ist (Hersh 2015).

connect17 setzte auf die Kenntnis der Parteibasis vor Ort, öffentlich zugängliche Daten von Landesämtern für Statistik oder aus anderen öffentlich zugänglichen Quellen. Dadurch wurde eine etwas genauere Eingrenzung der Wählerpotentiale auf geographischer Basis möglich. Dies nutzten die Kandidatenteams, um das Vorgehen in den Wahlkreisen zu priorisieren. Gleichzeitig vertraute man auf die Kenntnis der lokalen Gegebenheit und hinderte auch niemanden daran, auch dort zu Tür-zu-Tür zu gehen, wo nach Potentialanalyse geringere Chancen vermutet wurden. Die Möglichkeiten, zielgenau durch Daten Wähler anzusprechen, sind in Deutschland sehr eingeschränkt. Die verfügbaren Daten geben Sicherheit und Orientierung. Sie erlauben aber nicht die personengenaue Ansprache und damit auch bei weitem nicht die Kommunikation wie bspw. in den USA.

Einschätzung und zukünftige Entwicklung

War die Tür-zu-Tür-Kampagne connect17 im Wahljahr 2017 hilfreich? Angesichts des Verlusts von Stimmen und Prozenten zum herausragenden Wahlergebnis der CDU bei der Bundestagswahl 2013 kann diese Frage aufkommen. Ohne die Rolle von einzelnen Wahlkampfinstrumenten innerhalb eines Gesamtwahlkampfes überbewerten zu wollen, sprechen zwei wesentliche Punkte für einen positiven Effekt:

  • 1)  Betroffene zu Beteiligten machen: Es gelang die Parteibasis mit konkreten Aufgabenstellungen aktiv in die Kampagne einzubinden. Kandidaten- und Bundeskampagne arbeiteten eng zusammen. Dadurch erreichte man eine Binnenmobilisierung für die Landtags- und Bundestagswahlen. Mit über 12.000 Teilnehmern an Tür-zu-Tür-Aktionen und über 250 lokalen Trainings wird die direkte Ansprache auch bei den nächsten Landtags- und Kommunalwahlen eine Rolle spielen.
  • 2)  Tür-zu-Tür wirkt: Durch diese Form der Wählerkommunikation erreichte man die Bürger unmittelbar und direkt. Insgesamt wurden über 1,1 Mio. direkte Bürgerkontakte gemessen. Dies entspricht fast 10 Prozent der Wähler der CDU. Erste vorsichtige Analysen legen ein verbessertes Ergebnis von 1-2 Prozentpunkten in Wahlkreisen mit hoher Direktansprache nahe.

Ob der Bundestagswahlkampf 2017 einen Trend zur direkten Wählerkommunikation 
darstellt, werden die nächsten Wahlkämpfe beweisen. Klar ist jedoch, dass Parteien zukünftig genauer nach Effekten und Wirkungen ihrer Wählerkommunikation fragen werden. Was wird mit den eingesetzten finanziellen Mitteln erreicht? Dabei scheint sicher, dass die direkte Ansprache auf digitalem Weg und durch Tür-zu-Tür wachsen wird. Sie versprechen einen Dialog Mensch-zu-Mensch. In Zeiten schnell wechselnder Parteisympathien kommt es für die Parteien darauf an, Wege zu finden, mit dem Bürger direkt zu kommunizieren. Im digitalen Informationsdickicht erweist sich der Direktkontakt als effektiver Weg zum Wähler, und die Haustürkampagne ganz besonders.

(Anmerkung: Die Autoren sind den zahlreichen Freiwilligen und engagierten Wahlkämpfern vor Ort für die spannenden Erlebnisse dankbar. Die Bundeskanzlerin und Parteivorsitzende Angela Merkel unterstützte das Projekt mit großer Leidenschaft und ausdauerndem Interesse. Besonderer Dank gebühren Peter Tauber, Klaus Schüler und Stefan Hennewig, die connect17 zu einer inspirierenden, anstrengenden und interessanten Erfahrung für die Autoren und das Team gemacht haben. Ihnen allen ist der Artikel gewidmet.)

Literatur

Coppock, A. & Green, D. (2016). Is Voting Habit Forming? New Evidence from Experiments and Regression Discontinuities, American Journal of Political Science, 60 (4), S.1044–1062.

Eldersveld, S. (1956). Experimental Propaganda Techniques and Voting Behavior, in: The American Political Science Review 50 (1), S.154-165.

Foos, F., & John, P. (2016). Parties are No Civic Charities: Voter Contact and the Changing Partisan Composition of the Electorate. Political Science Research and
Methods, S.1-16.

Gosnell, H. (1926). An Experiment in the Stimulation of Voting, in: The American Political Science Review 20 (4), S. 869-874.

Green, D. & Gerber, A. (2015). Get Out the Vote, Washington.
Green, D. & Gerber, A. (2016). Field Experiments on Voter Mobilization: An Overview of a Burgeoning Literature, https://www.povertyactionlab.org/sites/default/files/publications/Gerber%20Gree n%20Handbook.pdf (aufgerufen am 9.10.2017)

Goffman, E. (1982). Interaction Ritual: Essays on Face-to-Face Behavior, New York.

Güldenzopf, R., & Voigt, M. (2017). Donald Trump – ein Wahlkampf der neuen Regeln? Sonderheft der Zeitschrift für Politikberatung (ZPB), Baden-Baden.

Hancox, D. (2017). There is no unwinnable seat now, in: The Guardian,

https://www.theguardian.com/politics/2017/jun/13/there-is-no-unwinnable-seat-now-how-labour-revolutionised-its-doorstep-game (aufgerufen am 9.10.2017)

Hersh, E. (2015). Hacking the electorate: How campaigns perceive voters, Cambridge.

Issenberg, S. (2013). The Victory Lab: The Secret Science of Winning Campaigns, New York.

John, P. & Brannan, T. (2008). How Different Are Telephoning and Canvassing? Results from a ‘Get Out the Vote’ Field Experiment in the British 2005 General Election, in: British Journal of Political Science 38, S. 565–574.

Kreiss, D. (2016). Prototype Politics: Technology-Intensive Campaigning and the Data of Democracy, Oxford.

Lazarsfeld, P. (1968). People’s Choice: How the Voter Makes Up His Mind in a Presidential Campaign, New York.

Nielsen, R. (2012). Ground Wars: Personalized Communication in Political Campaigns, Princeton.

Ramiro, L. Morales, L. & Jiménez-Buedo, M. (2012). The Effects of Party Mobilization on Electoral Results. An Experimental Study of the 2011 Spanish Local Elections. IPSA Conference Juli 2012, http://people.bu.edu/tboas/ramiro.pdf (aufgerufen am 9.10.2017)

Reinemann, C., Maurer, M., Zerback, Th. & Jandura, O. (2013). Die Spätentscheider. Medieneinflüsse auf kurzfristige Wahlentscheidungen, Wiesbaden.

Robins-Early, N. (2017). How Obama Won The French Election, in: The Huffington Post, https://www.huffingtonpost.com/entry/macron-us-france- democrats_us_593ecf20e4b02402687bbd93 (aufgerufen am 9.10.2017)

Rosenstone, S. & Hansen, J. (1993). Mobilization, Participation, and Democracy in America, Minnesota und Chicago.

Speth, R. (2013). Grassroots-Campaigning: Mobilisierung von oben und unten – Einleitung, in: Speth, R. (Hrsg.) Grassroots-Campaigning, Wiesbaden.

Pons, V. (2014). Does Door-to-door Canvassing Affect Vote Shares? Evidence from a Countrywide Field Experiment in France, http://www.hbs.edu/faculty/Publication%20Files/Pons_Hollandecanvassing_73ef83 dd-2966-449f-8b80-76d2006d707c.pdf (aufgerufen am 9.10.2017)

Voigt, M. (2018). Digital Trump-Card? Digitale Transformation in der Wähleransprache, in: Gärtner, C., & Heinrich, C. (Hrsg.) Fallstudien zur Digitalen Transformation, Wiesbaden, S.15

 

Der Artikel wurde von Conrad Clemens und mir verfasst. Er ist Teil des Buchprojektes „Wahlanalyse 2017“.

Is there a blueprint for victory? Campaign strategy and tactics

Is there a blueprint for victory? Campaign strategy and tactics

Mike Tyson said it best: They all have a strategy until they got hit. In today’s political environment with all its uncertainty and indifference political campaigns sometimes struggle to find the right recipe for success dealing with populism, fake news and a defragmented electorate.

Life is about choices. So are campaigns. Is the country on the right track, or do people thirst for change? Is the economy doing well off with new jobs being created, or is old labour being shipped overseas? Should Capitol insiders decide the country’s future, or should main street wits decide peoples’ prospects? At its best, campaigns offer voters something to choose, or at least try to frame it that way. Hence, unfortunately not necessarily the person we believe has the best ideas wins. It is not necessarily the person with the best experience. But certainly, the person with the best campaign and a clear and well executed plan wins. While obviously, every campaign is unique, there are some basic principles that can be applied to any election campaign. This article is about what must be taken into consideration to formulate a campaign strategy, plan tactics and communicate a message successfully.

1. In the age of permanent campaigns

The development of campaign management has been changing continuously. In general, experts see an evolutionary development of electoral campaigns, which is part of a modernisation process embedded in the technological and political changes in most post- industrial societies. This development is generally acknowledged by three phases: the pre-modern, the modern and the post-modern campaign.

Communication and the role of media were characterised by a partisan press, local posters and information brochures in the pre-modern era. The candidates spread their message through local meetings and ‘whistle-stop’ candidate trips. With the changing technical possibilities through radio and television, the demand for modern campaign communication grew, which characterised the phase from the early 1960s to the late 1980s. Especially television with its main evening news proved to be an important catalyst for a controlled news management within political campaigns with daily press conferences and controlled photo-ops. Image-related communication increased the profile of candidates and campaigns. In addition, target group-specific direct mail campaigns were added, which narrowed broad-based communication to specific target groups and niche communication. Since the 1990s campaign communications has experienced a diversification with cable emerging in strongly fragmented TV markets and the new internet outreach. The internet promoted direct communication and accelerated information cycles, and the campaigns responded with expanded message management.

Political campaigns are constantly growing, financially intensive, communicative high- performance machines whose characteristic communication style has changed from ‘mass propaganda’ to ‘media campaigning’ to ‘political marketing’, which in turn are characterised by different elements. The post-modern election campaigns are characterised by four essential aspects: (1) the ‘personalisation’ of campaign communication and the emphasis on the candidate role; (2) the scientification of campaign planning by experts (e.g. pollsters, political consultants) at the expense of traditional party of officials; (3) the ‘detachment’ of political parties from citizens by relying heavily on polling instead of civic interaction; and (4) the development of ‘autonomous communication structures’, which not only follow the interests of political campaigns, but also the logic of the media.

This has led to an overall objective in modern governance. The need to constantly communicate publicly and, conveying policies to the electorate, set the stage for the next election campaign. Successful governments use the findings of opinion research and carry out strategically planned communication campaigns. Government actions and policy-making are morphing into a recurring marketing offer – a permanent campaign, where actions and its marketing go hand-in-hand. Governing is perceived as a permanent campaign to mobilise support and public acceptance, blurring the boundaries between policy-making and news-making. Hence, political campaigning becomes an integral part of today’s politics.

2. The basic question ‘change vs. more of the same’

There is a ‘golden rule’ of campaign politics: A campaign must repeatedly communicate a persuasive message to voters. However, to know what the right message is, who my voters are and how to approach them is the magic sauce of strategy and tactics. But before diving into it one must understand the basic question every election poses. The simple but tricky question is: Change or more of the same?

Does this country need a change because the current situation, its leader or their concepts have failed? Or have the last years been successful, leaders have turned the country around, or deserve another term because there is no other alternative on the horizon? Different political parties or candidates offer different analysis or solutions to the problems a society faces. These are constant choices, which they bring before the voters. Campaigns offer voters choices, and ‘change vs. more of the same’ is the simple yet most effective one.

Usually, the opposition formulates a change argument. Obama has been the most obvious candidate doing so when he cleverly filled a void with his simple ‘Change and Hope’ slogan in 2008 which combined his youthful charm, his media freshness and the promise for better times. Ronald Reagan’s 1980 campaign masterfully championed President Carter by framing the choice with the question ‘Are you better off than you were four years ago?’.

In general, the party or candidate in government argues the opposite. They claim successful years in government or stress how risky it would be to not stay on course. In the middle of the global financial crisis Angela Merkel’s 2009 campaign urged voters to believe in the turnaround story of her government. In the words of the chancellor: ‘Germany will come out of the crisis more successful than we went into.’ Therefore, the campaign message was…

The complete article can be found as „Is there a blueprint for victory? Campaign strategy and tactics in elections“ (p.157-173), in:

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