Die Gesellschaft dürstet nach Orientierung. Doch die Politik liefert ein chaotisches Bild ab: Die SPD versinkt im Ämter-Chaos, die Liberale sind schön geschniegelte Verantwortungslosigkeit, die Grüne konservieren linksliberale Spiesbürgerlichkeit, während die AfD die nationale Isolation zelebriert. Statt dem Ende der Volkspartei CDU das Wort zu reden, sollte die Union die Chance ergreifen: Wir sind die politische Kraft, die ordnet, deutet und die Probleme der Bürger löst.

Noch eine Woche bis zum Parteitag. Die CDU hat eine riesige Chance, wenn sie sich als Partei des Grundsätzlichen und Unterscheidbaren, als soziale Bewegung mit einer Vision für Deutschland und das Leben der Bürger beweist. Viel wird über Richtung gesprochen. Doch mindestens genauso wichtig erscheint die Haltung, mit der sich die Union auf dem Weg macht, den Augurengesängen nach dem Ende der Volkspartei entgegenzutreten. Dabei geht es um inhaltliche Klarheit, kommunikatives Neuland und ein strategisches Zielfoto.

1. CDU als Partei des Grundsätzlichen und Unterscheidbaren

Die Gesellschaft dürstet nach Orientierung. Doch die Politik liefert ein chaotisches Bild ab: Die SPD versinkt im Ämter-Chaos, die Liberale sind schön geschniegelte Verantwortungslosigkeit, die Grüne konservieren linksliberale Spiesbürgerlichkeit, während die AfD die nationale Isolation zelebriert. Statt dem Ende der Volkspartei CDU das Wort zu reden, sollte die Union die Chance ergreifen: Wir sind die politische Kraft, die ordnet, deutet und die Probleme der Bürger löst. Deutschland hat Chance, den Standard für die Welt zu setzen und die CDU hat die Chance, Deutschlands Gesicht des Wandels zu prägen. Die Union schärft in einem neuen Grundsatzprogramm das gesellschaftliche Zielfoto, indem sie Grundsätzliches und auch Unterscheidbares anspricht.

Einerseits ist offensichtlich, Deutschland und seinen Bürgern geht es gut. Es haben soviele Menschen Arbeit wie nie zuvor, die Steuereinnahmen sprudeln, die Wirtschaft wächst und der Staatshaushalt ist ausgeglichen. Die ältere Generation erhält für ihre Lebensleistung den höchsten Rentenzuwachs seit Jahren und junge Menschen finden fast alle einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz. Deutschland genießt hohen Respekt in der Welt und die deutsche Staatsbürgerschaft ist eine der gefragtesten der Welt.

Doch andererseits ist irgendetwas gesellschaftlich ins Rutschen und die Welt scheint fast über Nacht aus den Fugen geraten. Ein Großteil der Deutschen lebt und arbeitet in den heimatlichen Bezügen, in denen sie geboren sind. Sie sind sozial eher konservativ und dennoch nicht reaktionär. Sie setzen auf Bindung und regionale Identitäten. Doch diejenigen betrachten sich heute mehr oder weniger bewusst als die Vergessenen. Sie sind nicht homogen, aber sie eint das Gefühl, politisch keine wirklichen Fürsprecher mehr zu haben. Vielmehr noch: sie fühlen, das die urbanen gesellschaftlichen und kosmopolitischen Eliten auf sie und ihren Lebensstil herabblicken. Kulturellen Milieus, welche die Gesellschaft vor wenigen Jahren noch prägten, empfinden, nicht mehr respektiert und kulturell abgewertet zu werden. Sie werfen den gesellschaftlichen Eliten aus Politik, Medien und Wirtschaft vor, taub für ihre echten Probleme zusein, angefangen von Mieten, über Ärztemangel im ländlichen Raum bis zu Integration von Flüchtlingen.

In dieser – quasi aus heiterem Himmel über uns gekommene – kulturelle Spaltung hilft auch kein Gerede über abgedroschene Gegensatzpaare wie konservativ vs. progressiv. Sie erfassen die geistige Situation der Zeit nicht ausreichend. Wir brauchen mehr Präzision in den entscheidenden Fragen. Einige lauten:

  • Welche Rolle kommt dem Staat, der Gesellschaft und dem Bürger in einer Welt des globalen und technologischen Wandels zu?
  • Wie stärken wir Bindungen in Familien, in der Heimat und in der Erziehung?
  • Was macht eine deutsche Identität in Zeiten der Globalisierung aus?
  • Welche Rolle trauen wir Deutschland in Europa und der Welt zu, wo eine stetig größer werdende Gruppe von Staaten, Organisationen und Individuen (With Elon to Mars) die Weltpolitik gestaltet?
  • Welche Antworten finden wir auf die digitalen Disruptionen und künstlichen Intelligenz?
  • Wie sieht eine Ordnung für die Arbeitswelt der Zukunft aus?
  • Wie schaffen wir es, die individuellen, kollektiven und nationalen Talente zusammenzubringen, die nachhaltig Sicherheit, Wohlstand und Hoffnung entstehen lässt?

Die Volkspartei CDU hat es immer verstanden, unterschiedliche Schichten, Gruppen und Ideen zu integrieren. Wir waren nie nur die Partei der Armen oder Reichen, der Besserverdiener oder irgendwelcher soziologischer Sonderlinge. Wir waren Querschnitt, im besten Sinne Durchschnitt der Gesellschaft. Dabei wurde unsere Politik immer von entscheidenden Verbündeten gestützt, um deren Treue und Hilfe wir uns mehr bemühen müssen: die Leistungsträger des Alltags. Menschen, die jeden Tag früh aufstehen, sich um die gute Schulbildung ihrer Kinder sorgen und nicht nach dem Staat fragen, wenn sie durch ihren Fleiß, ihrer Arbeit, ihre Ideen und ihren Einsatz unser Land voranbringen. Sie kümmern sich um ihre Familie und ihre Identität. Die Union muss sich damit beschäftigen, wie in unserem Land wirklich gelebt wird – und nicht wie der Einzelne leben sollte. Für Union geht es mit einem neuen Grundsatzprogramm um ein zentrales Versprechen: Wir sind realistischer Schutzpatron der Bürger und machen Deutschland zum besten Land der Welt, wo Sicherheit und Wohlstand für alle Menschen herrscht. In der Heimat stark und in der Welt führend.

2. CDU als Partei der direkten soziale Bewegung

Eine solche Politik lebt von der Legitimation durch das Volk. Auch außerhalb von Wahlen. Doch nicht jeder Wähler muss gleichzeitig Parteimitglied werden. Die Partei muss ihm aber auch zwischen den Wahlen ein Angebot unterbreiten. Mit dem Aufstieg populistischer Gefühle kehrt die politische Polarisierung und ein konfrontativer Politikstil zurück. Das fordert die Dialog- und Kommunikationsfähigkeit von Politik, muss für die CDU aber nicht nachteilig sein. Während aus den meisten Parteien im Lauf der Zeit alles Leben wich, bewies die CDU bei den Wahlen im Jahr 2017 ihre Nähe zum Bürger durch direkten Kontakt: im unmittelbaren Gespräch an der Tür oder über den Gartenzaun.

Moderne Parteien machen Betroffene zu Beteiligten, bei Themen, Abstimmungen und öffentlichen Diskussionen. Für die Union haben über 12.000 Mitglieder und Freiwillige an über 1,1 Mio. Türen geklopft. Dies entspricht rund 10 Prozent der Wähler der CDU.

In Zeiten schnell wechselnder Parteisympathien kommt es für die Parteien darauf an, Wege zu finden, mit dem Bürger direkt zu kommunizieren. Im digitalen Informationsdickicht erweist sich der Direktkontakt als effektiver Weg zum Wähler. Annegret Kramp-Karrenbauer hat im Saarland vorgemacht wie das geht.

Während die Union bei TzT Vorreiter ist, muss sie im Digitalen noch mutiger sein. Die Wendung der politischen Kommunikation und deren Akteure hin zur digitalen Echtzeitkommunikation führt zu einer wachsenden Sichtbarkeit von politischen Debatten und Inhalten. Auf dem digitalen Marktplatz kommt es zu größerem öffentlichen Diskurs über Meinungen und Positionen, Facts und Figures. Dort muss man Gesicht, um an der politischen Diskussion langfristig mitwirken zu können. In dieser erweiterten Transparenz gewinnen das Denken in Campaigning und neue Allianzen an Bedeutung. Durch die öffentliche Debatte entstehen bei bestimmten Themen neue Ad hoc Allianzen und teils unfertige Positionen werden unter Einbeziehung der politischen Akteure vervollständigt. Dem Kritiker an der eigenen Position wird man Platz auf der eigenen Plattform einräumen, um Glaubwürdigkeit für die eigene Sichtweise zu gewinnen. Die strategische Planung solcher Prozesse wird enorm zunehmen, will man nicht gegen kleinste Nische-Spieler mit aggressiven und kontrastierenden Botschaften unterliegen. Momentan ist die CDU zu häufig Sender ohne echten Diskurs.

Für diesen Wandlungsprozess der Partei als Kampagnen- und Dialogbewegung braucht die CDU eine Taskforce, welche aus Digital, Daten und direkter Bürgeransprache die moderne Parteiarbeit der Zukunft beschreibt.

3. CDU als Partei der dauerhaften Mehrheit

In der Kritik an Angela Merkel und dem Modernisierungskurs geht eine wesentliche Fragestellung unter: die Union ist mittlerweile die einzige Partei, die wechselseitig mit allen demokratischen Parteien mehrheits- und koalitionsfähig ist. Es gibt Koalitionen mit der SPD, der FDP und den Grünen. Das ist in Zeiten der Unsicherheit ein politisches Pfund.  

Das war vor 20 Jahren noch anders als die Union nur mit der FDP Regierungen bilden konnte. Nun mögen das manche wegwischen und als zu pragmatisch ansehen. Aber gerade in Zeiten, wo durch die Bedrohung durch die Ränder in vielen Ländern man an den Rand der Unregierbarkeit gerät, ist die strategische Option besonders wichtig. Was bringt denn mehr konservativ oder mehr liberal, wenn einem am Ende die Mehrheit fehlt?

Das Zielfoto der Union bleibt eine Volkspartei mit wechselseitigen Koalitionsfähigkeiten und – optionen. Hierfür braucht es ein unterscheidbares politisches Programm, eine mobilisierungsfähige Parteiarbeit und – kommunikation sowie eine personelle gesellschaftliche Breite.
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