Timing is everything. Doch wann entscheiden eigentlich die Deutschen ihre Wahl? Zwei Trends lassen sich ablesen: frühe Wähler und späte Entscheider.
Timing der Entscheidung
Das Timing der Wahlentscheidung ist für die Wahlkampfanstrengungen der Kampagnen erheblich. Es ist die landläufige Ansicht, dass die Kampagnen zum Schluss hin steigern, um dann am Wahltag erfolgreich zu sein. Darauf konzentrieren sich die Parteien in der heißen Wahlkampfphase, die üblicherweise sechs Wochen dauert. Die Kampagnen wollen eine Geschichte erzählen. Mit Broschüren, mehr Großflächen, mehr Online, mehr Veranstaltungen. Doch entscheiden sich die Deutschen erst am Wahltag?
Frühe Wähler: Kleine Parteien profitieren
Ein größerer und wachsender Teil gibt seine Stimme bereits deutlich vorher – manchmal schon vier Wochen vor dem Wahltag ab. Dies sind meist die früh festgelegten Wähler. Bei der Bundestagswahl 2013 gaben 14 % an, dass sie immer dieselbe Partei wählen würden. Zudem entschieden sich 33 % der Wähler bereits „vor längerer Zeit“. Diese Wählergruppen nutzen ihr Wahlrecht häufig sehr frühzeitig.
Die Bürger dürfen ab sechs Wochen vor dem Wahltag ihre Stimme abgeben, also per Briefwahl oder Voraus-Wahl. Davon machen immer mehr Wähler Gebrauch. Bei den Bundestagswahlen ist schon jeder vierte Wähler Briefwähler. 2013 beantragten 11,3 Millionen Bürger den Wahlschein, 10,8 Millionen gaben ihn tatsächlich auch ab. Briefwählen ist ein wachsender Trend, 2013 lag der Briefwähleranteil bei 24 Prozent – ein Rekord. Er lag fast drei Prozent höher als 2009. Bei der Wahl 2017 wird der Anteil wohl noch weiter steigen.
Für CSU, Grüne und FDP ist die frühe Wahl ein wichtiger Seismograph. Ein Drittel ihrer Wähler stimmt nicht am Wahltag ab. Champion der frühen Wähler ist die CSU, bei der mehr als jeder dritte Wähler (34,7%) postalisch oder vorher auf dem Amt abstimmt. Auch FDP (31,1 %) und GRÜNEN (28,9 %) erhalten ihre Stimmen mit dem Wahlbrief. Erstmals lagen 2013 die Volksparteien CDU und SPD im Briefwahlverhalten gleichauf. Fast jeder vierte Wähler (23,1%) gab ihnen seine Stimme per Brief. Blickt man auf die Union, dann wird die Bedeutung der frühen Wähler augenscheinlich: Am Wahltag 2013 gaben 13.597.199 Deutsche ihre Stimme der Union. Bereits in den Wochen zuvor wählten 4.568.247 Deutsche die CDU/CSU.
Im Vergleich zur Bundestagwahl 2009 wuchs der Anteil der frühen Wähler für die Union um mehr als 1 Mio. Bürger an. Zudem vergrößerte sich der Abstand zur SPD von 1,5 Mio. (2009) auf fast 2 Mio. mehr Briefwähler.
Unter ihnen gibt es recht viele, die von vorherein wissen, dass sie per Brief wählen werden. Es gibt für sie also keinen Grund zu warten – vor allem dann nicht, wenn sie zu diesem Zeitpunkt schon sicher sind, wen sie wählen wollen. Sie beantragen ihren Wahlschein sofort. Deshalb gibt es zu Anfang der Frist, in der eine Briefwahl möglich ist, gleich eine Spitze in der Teilnahme. Das Problem für die Parteien ist: Wenn die Zeit der konventionellen Wahlwerbung beginnt, haben die Wähler schon ihre Wahlbenachrichtigungskarten bekommen und fangen an zu wählen, ohne dass sie von der Wahlkampfkommunikation erreicht werden. Nach zwei Wochen flacht die Kurve der Briefabstimmungen ab. In den letzten ein, zwei Wochen vor dem Wahltag steigt sie wieder steil an. Das sind diejenigen Wähler, die am Wahltag kurzfristig etwas anderes vorhaben.
Späte Entscheider
Der große Bruder der frühen Wähler sind die späten Entscheider.
Aus Wahlverhaltensstudien über Spätentscheider wissen wir: Mehr als jeder dritte Wähler ist Spätentscheider. Er entscheidet sich in den letzten zehn Tagen vor der Wahl. Darunter sind klassische Parteiwechsler: tendenziell politisch interessierte Bürger, die im Laufe des Wahlkampfs die bevorzugte Partei wechseln. Wen sie wählen, hängt davon ab, wie die Kommunikation verläuft. Gut die Hälfte der Spätentscheider entscheidet sich erst am Wahltag. Dies sind sehr Unentschlossene, tendenziell Menschen, die kaum Interesse an Politik haben. Sie entscheiden darüber, ob sie überhaupt wählen – sie können also schnell zum Nichtwähler werden – und wen sie wählen.
Bei der Bundestagswahl 2013 fällten insgesamt 32 % der Wahlberechtigten erst in den letzten Tagen vor der Wahl eine Entscheidung über ihre Stimmabgabe. Diese rund 20 Millionen Spätentscheider sind für die Parteien ein hochinteressanter und starkumkämpfter Wählerpool, der über Sieg und Niederlage entscheiden kann.
Gründe für die späte Wahlentscheidung liegen bspw. bei den zahlreichen Erstwählern, die sich bis zum Wahltag noch eine eigene Meinung bilden und bei den taktischen Wählern, die abhängig von der letzten Prognose ihre präferierte Koalitionsoption zum Wahlsieg verhelfen wollen.
Gelänge es einer Partei die gesamte Gruppe der Spätentscheider für sich zu gewinnen, sei es mit inhaltlichen Argumenten oder durch äußere Einflüsse, würde man mit Abstand die stärkste Fraktion im neuen Bundestag stellen.
2013 konnte die CDU den größten Teil der Spätentscheider von den eigenen Inhalten überzeugen. Mit 34 % gelang ihr jedoch weitaus weniger Stimmen zu holen als beim Gesamtergebnis. Auf dem zweiten Platz folgt die SPD mit 26 %. Betrachtet man die Ergebnisse der anderen Parteien (Linke 10 %, Grüne 9 %, FDP 5 %) ergibt das ein vom amtlichen Endergebnis kaum abweichendes Bild. Wenig überraschend, handelt es sich doch um ein Drittel der Wahlberechtigten.
Der Wahlkampf und vor allem das richtige Timing werden durch Briefwähler, Nichtwähler und vor allem Spätentscheider immer komplexer. 2013 haben 47 % der Wähler ihre Entscheidung schon vor der heißen Phase des Wahlkampfes getroffen. 32 % trafen sie erst in den letzten Tagen bis zum Wahlsonntag während der Zeit von Tür-zu-Tür, Plakaten und Wahlkampfständen. Die Parteien und Kandidaten müssen bis zuletzt um jede Stimme kämpfen.
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