Wie tickt das digitale Deutschland 2018?

Wie tickt das digitale Deutschland 2018?

Jeder zweite Mensch auf der Welt ist mittlerweile online. Auch die Deutschen lieben das Internet. Die Digitalisierung greift um sich, vernetzt und führt zu täglicher Onlinekommunikation. Täglich verbringt ein Deutscher fünf Stunden, oder – zieht man den Schlaf ab – rund ein Drittel seiner Tageszeit dort zu. Doch die Deutschen bleiben Skeptiker und sehen die Digitalisierung risikoreich. Ein ambivalentes Bild für das digitale Deutschland.

Im „Online-Deutschland“ verbringen über 75 Millionen Bürger täglich 365 Millionen Stunden im Netz. Während die neue GroKo die Digitalisierung voranbringen will, zeichnet der Global Digital Report 2018 von We Are Social und Hootsuite ein faszinierendes Bild der digitalen Kommunikation in Deutschland. Fünf wesentliche Erkenntnisse lassen sich zusammenfassen.

1. Deutschland ist ein digitales Skeptikerland

Die Studie zeigt, dass die Deutschen eines der aktivsten Internetvölker sind: kommunizieren, shoppen und arbeiten. Dennoch bleiben sie digitale Skeptiker. Nur ein Drittel der Bevölkerung schätzt die Chancen der Digitalisierung größer als die Risiken ein. Im Ranking des digitalen Optimismus‘ stehen ganze 37 Länder vor Deutschland, darunter nicht nur Entwicklung- sondern Spitzenländer! Während die Arbeit immer digitaler wird, sorgen sich die Deutschen um Datenschutz und Privatsphäre. So setzt fast jeder zweite Deutsche auf auf Ad-Blocker und löscht Cookies.

Standpunkt zu digitalen Technologien in Deutschland

Der digitale Optimismus ist in anderen Ländern deutlich höher ausgeprägt.

Die deutsche Skepsis verwundert, tickt Deutschland in seiner Nutzung doch digital.

2. Mobile First: Internet geht übers Handy

Mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung besitzen ein Handy, und die meisten Menschen nutzen mittlerweile ein Smartphone. Das Smartphone entwickelt sich auch in Deutschland zunehmend zum primären Online Device: 60 Millionen Deutsche nutzen mobiles Internet und 30 Millionen Deutsche Social Media via Mobile! Im letzten Jahr nahm der Webtraffic um 27% zu und steigerte sich auf 37% insgesamt. Im weltweiten Vergleich, hat das Smartphone (52%) den Laptop (43%) als online device bereits abgelöst.

Der Anteil von Handys am Internet dürfte wahrscheinlich sogar noch höher liegen, da Nutzer im Vergleich zu mobilen Webbrowsern jetzt sieben Mal länger mit mobilen Apps unterwegs sind. Die neuesten Daten von Facebook bestätigen das Ergebnis: Nur 5 Prozent der weltweiten Nutzer der Plattform greifen nicht über ein mobiles Gerät auf die Plattform zu.

Internationaler Digital-Vergleich

3. Connected world: Alle zehn Minuten startet ein Deutscher sein Social Media Leben

Weltweit nutzten im letzten Jahr fast 1 Million Menschen jeden Tag zum ersten Mal soziale Medien – das entspricht mehr als 11 neuen Nutzern pro Sekunde. Auch die Deutschen lieben Social Media. Mit 38 Millionen aktiven User ist fast jeder zweite Deutsche in Social Media aktiv. Und die Anzahl der Nutzer wächst an. Im vergangenen Jahr konnten sich 5 Millionen Deutsche erstmals für Social Media begeistern, was alle zehn Minuten ein neues Social Media Profil bedeutet.

4. Youtube, Messenger und Facebook: Digitale Kommunikation auf dem Marktplatz und im Hinterzimmer

Je stärker die Kommunikation sich digitalisiert, umso ausgefeilter werden die Wege. Die dominierende Plattformen in Deutschland sind Youtube, Messenger und Facebook. Während „Facebook“ weltweit die meisten Social Media Nutzer verzeichnet, ist „YouTube“ die Nr. 1 in Deutschland. Knapp 70% der befragten 16-64jährigen nutzen diese Plattform noch vor WhatsApp (65%), Facebook (60%), Facebook Messenger (35%). Gerade bei Youtube und Facebook geht es um öffentliche Sichtbarkeit. Allerdings gehen Direktheit und Reichweite verloren. Bereits 41% der deutschen Facebookpages nutzen Paid Media. Insgesamt ist ein Drittel der Reichweite auf Facebook erkauft! Es verwundert also nicht, dass direkte Kommunikationswege und digitale Hinterzimmer zunehmen. Beleg dafür ist das schnelle Wachstum der Messenger. WhatsApp und Facebook Messenger im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent zulegten und die Messengisierung wird weiter gehen.

Meistbenutzte Social Media Plattformen in Deutschland

 

 

 

 

 

5. Deutschland: 2/3 shoppen online 

Die Digitalisierung belebt E-Commerce und deren Werbung. Fast zwei Drittel der Deutschen kaufen regelmäßig online ein (insgesamt knapp 51 Millionen). Sie setzten dabei Waren im Wert von 63,45 Milliarden Dollar um. Dies entspricht jährlichen Steigerungsraten von um die 10%. Insgesamt kauft jeder Deutsche jährlich für 1.250 Dollar Online Konsumgüter ein. Und das hat Auswirkungen auf die Werbung: Noch vor Plakat und Print ist die Onlinewerbung das zweiteffektivste Werbemittel.

E-Commerce Details Deutschland

 

 

 

 

 

Die gesamte Studie mit dem Schwerpunkt auf Europa finden Sie hier.

Zwei Trends für Public Affairs 2018

Zwei Trends für Public Affairs 2018

Vier Monate nach dem Wahltag und immer noch keine Klarheit. Doch selbst wenn sich die Regierung findet, zeigen die Verhandlungen um Groko und Jamaika wie wankelmütig und disruptiv Politik in Deutschland geworden ist. Doch was heißt das für die Zukunft von Public Affairs?

Unternehmen, Gewerkschaften, Agenturen und NGOs können sich nicht mehr sicher sein, was gilt. Heute gefeierte Kanzlerin schon morgen Auslaufmodell, heute einstimmiges Sondierungsergebnis und morgen schon wieder Verhandlungssache. Wer will da eigentlich noch auf sachbezogene Interessenvertretung setzen? Es bleibt nur der beständige, öffentliche kommunikative Dauerdruck. Ab 2018 gilt: Herzlich willkommen im deutschen Zeitalter der Permanent-Kampagne. Always On!

Wer in diesem Umfeld bestehen will, den werden zwei Trends in 2018 beschäftigen:

1. Digital Campaigning und Stakeholder-Kommunikation: Echtzeit und Transparenz

Die digitale Kampagnefähigkeit wird deutlich wachsen. In der Hochgeschwindigkeit des Internet-Zeitalters beschleunigt sich die Kommunikation: Inhaltliche Reaktionen erfolgen in Echtzeit, Veranstaltungen werden live gestreamt und Kommentierungen geschehen in kurzen Videobeiträgen. Communities vermischen sich im Digitalen – Youtube Influencer interviewen Politiker, steigen in die politische Debatte ein und erweitern so ehemals unterschiedliche Fanbases. Twitter wird nicht der alleinige King der deutschen Public Affairs Community bleiben.

Die Wendung der politischen Kommunikation und deren Akteure hin zur Echtzeitkommunikation auf unterschiedlichen Plattformen führt zu einer wachsenden Sichtbarkeit von politischen Debatten und Inhalten. Nun wird man beobachtet – nicht nur von den Wettbewerbern, sondern auch von den Medien. Das Zwischenstände aus Sondierungsrunden getwittert werden, kann man wahlweise als erhöhte Transparenz oder als undichte Vertraulichkeit sehen. Public Affairs Arbeit wird diesen digitalen Marktplatz nicht mehr verlassen können.

Das führt zu größerem öffentlichen Diskurs über Meinungen und Positionen, Facts und Figures. Gut gemachte Inhalte als Sharepics, Bewegtbild oder synthetisierte Informationen gewinnen an Macht, da sie schnelle Verbreitung in der Community finden. Events und Briefings werden in Echtzeit oder kuratiert an die Nutzer weitergegeben. Die Inhalten und Kommunikationsstrategien werden sich der Darstellungs- und Hierarchisierungslogik der Algorithmen anpassen, der Videos und Live begünstigt. Dabei ändert sich auch die klassische Narrativlogik. Botschaften müssen frühzeitig platziert werden, bevor der Nutzer schon wieder weiterklickt.

Wirkmächtiger werde die Public Affairs Akteure, die aus der Anonymität der Kommunikation in die Mitte des digitalen Marktplatzes treten. Es kommt zu einer Personalisierung auf den wichtigen digitalen Plattformen, wo man Gesicht zeigen muss, um an der politischen Diskussion langfristig mitwirken zu können. Gelingt dies, ist einem die Gewinnung einer eigenen Fanbase und erhöhter Reichweite aka Einfluss gewiss. Daher entstehen neue Instrumente der Zusammenarbeit und Interaktion.

In dieser erweiterten Transparenz gewinnen das Denken in Campaigning und neue Allianzen an Bedeutung. Durch die öffentliche Debatte entstehen bei bestimmten Themen neue Ad hoc Allianzen und teils unfertige Positionen werden unter Einbeziehung der politischen Akteure vervollständigt. Dem Kritiker an der eigenen Position wird man Platz auf der eigenen Plattform einräumen, um Glaubwürdigkeit für die eigene Sichtweise zu gewinnen. Die strategische Planung solcher Prozesse wird enorm zunehmen, will man nicht gegen kleinste Nische-Spieler mit aggressiven und kontrastierenden Botschaften unterliegen. Es ist auf dem digitalen wie auf dem analogen Marktplatz gleich – manchmal weiß man ohne genauen Einkaufszettel nicht, womit man nachhause kommt.

2. Motivation und Mobilisierung der Fanbase: Betroffene zu Beteiligten machen

In der digitalen Transformation gewinnt die Aktivierung von Kunden, Mitarbeitern und Freiwilligen. Für die zukünftige kommunikative Deutungshoheit ist die Einbindung der Fanbase bedeutend. Die Themen sind vielfältig: ob als Metallindustrie gegen die 28-Stunden-Woche zu streiten,  als NGO für mehr Klimaschutz zu werben oder sich als Patienten für einen Nationalen Diabetes Plan zu engagieren – Betroffene suchen transparente Beteiligungsformen. Aktive Teilhabe, direkte Bürgerbeteiligung, stärkere Interaktion und einen Call-to-Action: es geht um orts-, zeitungebundenes und virtuelles Engagement. Doch dafür müssen sich Public Affairs Akteure und Kommunikatoren mehr einfallen lassen als nur die Webseite und das Großflächen-Plakat. Der BDI bekam die fehlende Kampagnefähigkeit bei ihrer Werbekampagne für TTIP zu spüren, die nichts gegen mehr als 100.000 Demonstranten in Berlin ausrichten konnte. Doc Morris probte schon mal das Aktivierungspotential chronisch Kranker im Vorfeld der Bundestagswahl 2017, wo über 100.000 Postkarten an Mitglieder des Bundestages gingen.

In Zeiten kampagnenmäßiger Kommunikation sind moderne Ansätze von Aktivierung, Motivation und Gamification die Antwort. Connect17 mit seinen 1,1 Mio. Tür-zu-Tür-Kontakten war erst der Anfang.

Doch dafür müssen Unternehmen, Gewerkschaften, Verbände und Parteien besser die Motivation Mitarbeiter, Freiwillige oder Kunden verstehen. Dort schlummert die Kraft der Überzeugung. Wer die Betroffenen zu Beteiligten macht, wird eine kommunikative Stärke ausspielen können. Im Zeitalter der digitalen Transformation bedeutet dies, auf die Kraft von Motivation und Gamification zu setzen. Mit der Anwendung der Psychologie des Spiels in realen Kampagnen werden Mitarbeiter, Freiwillige oder Kunden aktiviert. Das kontinuierliche Mobilisierungssignal wird weiter wachsen und findet seine Unterstützung in Gamification-Elementen, die eine spielerische Verbindung zwischen Kampagnen und der Fanbase aufbaut. Wenn Mitglieder und Unterstützer für analoge oder digitale Aktivitäten wie Tür-zu-Tür oder Social Media Posts mehr Status, Punkte oder Prämien erhalten, beginnt ein individueller Wettbewerb, der mehr Teilhabe und Engagement schafft. Die Fanbase wächst und steigert langfristig die Kampagnenfähigkeit und den Public Affairs Erfolg.

Newsletter abonnieren