Weißbuch „Digitale Daseinsvorsorge stärken“ – Wer profitiert von den Daten kommunaler Betriebe?

Weißbuch „Digitale Daseinsvorsorge stärken“ – Wer profitiert von den Daten kommunaler Betriebe?

Wenn Bürger den öffentlichen Nahverkehr nutzen, oder zuhause das Licht anmachen, entstehen Daten. Anonymisiert werden sie von kommunalen Unternehmen für innovative Leistungsangebote, automatisierte Geschäftsprozesse oder die Errichtung von Smart Regions  genutzt. Künftig sollen nach EU-Vorgaben Daten des öffentlichen Sektors verpflichtend mit privaten Unternehmen geteilt werden. Sollen diese Daten per Datengesetz bei Google landen oder von kommunalen Stadtwerken vertrauensbildend bewirtschaftet werden? Wer soll von Daten kommunaler Unternehmen profitieren?  Die Quadriga Hochschule ist dieser Frage in Kooperation mit dem Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) nachgegangen.

Die Datenwirtschaft boomt

Daten entwickeln sich zu einem wichtigen und wertvollen Wirtschaftsgut. Die Menge an ihnen erfährt durch Internet der Dinge (IoT) und Smart City einen deutlichen Zuwachs und wird sich weiter steigern. Bis zu 739 Milliarden Euro sollen innerhalb der europäischen Datenwirtschaft umgesetzt werden, erwartet die Europäische Kommission für dieses Jahr. Das würde mehr als drei Prozent des europäischen Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Um diese Entwicklung zu fördern, strebt die EU eine europäische Datenwirtschaft als wichtigen Binnenmarktgedanken an.

Öffentliche Betriebe sollen Daten kostenlos veröffentlichen, fordert die PSI-Richtlinie der EU

Mit der „Richtlinie über Open Data und zur Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors“ (PSI-Richtlinie) hat die EU im vergangenen Jahr dafür den Grundstein auf europäischer Ebene gelegt. Öffentliche Betriebe sollen Daten kostenlos veröffentlichen und Potenziale gehoben werden. Aktuell sieht die Umsetzung der PSI-Richtlinie lediglich Regelungen und Pflichten für öffentliche Stellen vor. Bis Juli 2021 muss diese Novellierung in Deutschland in nationales Recht überführt werden und erhöht den Druck auf öffentliche Betriebe, ihre Daten zu teilen. Bisher waren diese ausgenommen und konnten sie nutzen, um im Wettbewerb mit privaten Akteuren zu bestehen.

Sollen Amazon und Google von der PSI-Richtlinie profitieren?

Kommunale Unternehmen verfügen über unzählige Daten, die für ihre Aufgabenerfüllung wesentlich sind. Sie werden für innovative Leistungsangebote und die Digitalisierung der Daseinsvorsorge am Bürger genutzt. Doch der gegenwärtige Rechtsraum für kommunale Unternehmen ist unsicher, teils widersprüchlich und steht einer modernen, datenbasierten Daseinsvorsorge entgegen. Neben dem Gemeindewirtschaftsrecht, ist die Richtlinie für die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (PSI-Richtlinie) Hauptgrund dafür. Im Wettbewerb mit privaten Akteuren sehen sich die öffentlichen Unternehmen benachteiligt, da sie zur einseitigen Weitergabe von Daten verpflichtet werden könnten. Entwicklungen wie in Berlin, wo der US-Konzern Google Verkehrsdaten der BVG gegenleistungslos für die Anreicherung von Verkehrsdaten bezieht, werden dann zum Regelfall für eine Füllen an Sektoren und Daten.

Die Erhebung und Bewirtschaftung von Daten ist für öffentliche Unternehmen kostspielig. Eine verpflichtende kostenlose Weitergabe hemmt daher die Anreize öffentlicher Unternehmen innovativ voranzuschreiten und die Daten überhaupt zu erheben. Die digitale Transformation der Daseinsvorsorge anzugehen wird dadurch ebenso gefährdet wie eine Reihe von bestehenden Geschäftsmodellen öffentlicher Unternehmen.

Digitale Daseinsvorsorge & faire Datenbewirtschaftung

Die Gestaltung des Level playing field der Datenbewirtschaftung durch die Bundesregierung bedarf eines stärkeren Fokus auf die besondere Stellung von kommunalen Unternehmen, als gemeinwohlorientierten Versorgern und gleichzeitig Akteuren im marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Drei Empfehlungen werden in der Studie für eine datenbasierte moderne Daseinsvorsorge formuliert:

  1. Schaffung eines bundesweiten Public Data Space

Es brauch ein bundesweit zugängliches System aus Konzepten, Verfahrens- und Rechtsvorschriften, Sicherheitsvorgaben, technischen Standards sowie einer Infrastruktur, um die Nutzung von Daten für die digitale Daseinsvorsorge in einem Datenraum mit klaren Standards und Gemeinsamkeiten zu strukturieren. Diese Initiative würde die besondere Rolle kommunaler Unternehmen und ihre Funktion für die digitale Daseinsvorsorge berücksichtigen und dabei helfen Potenziale zu heben. Ein bundesweiter “Public Data Space” könnte als solche Plattform und Architekturentwurf für dezentralen Datenaustausch zwischen vertrauenswürdigen kommunalen Akteuren und möglichen privatwirtschaftlichen Unternehmen dienen, welche bereits auf kommunaler (Urban Data Spaces) oder sektoraler (z. B. International Data Spaces) Ebene digital miteinander vernetzt sind.

  1. „Public Data German Standard“ als Qualitätssiegel und moderner, kommunaler „Daten-TÜV“

In einem solchen Datenraum, könnte ein Qualitätssiegel „Public Data German Standard“ den konzeptionellen Rahmen geben, um urbane Datenräume in der deutschen und europäischen Datenwirtschaft, strategisch effektiv zu positionieren. Unter „Public Data German Standard“ ist eine grundlegende, genormte digitale Architektur zu verstehen, inklusive technischer, ökonomischer und rechtlicher Anforderungen. Einheitliche Standards „Public Data German Standard“ könnten vor allem auch kommunalen und mittelständischen Unternehmen einen Rahmen geben, in die sie ihrer Rolle als Rückgrat der Wirtschaft gerecht werden können. Einheitliche Standards senken zudem Transaktionskosten, in dem sie Unsicherheit bezüglich gesetzlicher Rahmenbedingungen und zukünftiger Investitionen in datenbasierte Projekte beseitigen.

  1. Ausgestaltung der PSI-Richtlinie in Europa und Deutschland aktiv angehen

Die Interpretation und weitere Ausgestaltung der PSI-Richtlinie durch die Bundesregierung ist zentral, damit die aktuelle Dynamik im Wettbewerb verwendet werden kann, um Standards zu nutzen und Konkretisierung des Regulierungsrahmens aktiv mitzugestalten. Daten, die die Daseinsvorsorge erschließen und den kommunalen Unternehmen wirtschaftliche Betätigung in digitalen Geschäftsfelder ermöglichen, rücken dabei in den Fokus. Eine enge Auslegung des Anwendungsbereichs der Richtlinie, in Bezug auf öffentliche Unternehmen auf europäischer Ebene, ist dabei zentral, um die konsequente Nutzung von Daten in einem gestuften Verfahren auf nationaler Ebene zu ermöglichen.

Die Studie

Die Studie „Digitale Daseinsvorsorge“ wurde von der Quadriga Hochschule Berlin im Jahr 2019 unter Leitung von Prof. Dr. Mario Voigt durchgeführt und untersucht die sinnvolle Nutzung und Hebung kommunaler Datenbestände. Sie basiert auf Analyse von Best Practice in Europa, Desk Research und Interviews mit Unternehmen, Institutionen und Verbänden in Deutschland. Im Forschungsbereich für Digital Public Affairs steht die Studie für Sie für kurze Zeit kostenlos zum Download bereit.

 

 

 

 

Die digitalste Partei Deutschlands

Die digitalste Partei Deutschlands

Digitale Kommunikation und die Zukunft der Union als Volkspartei

Die Rezo-Erfahrung schmerzt. Die Volkspartei CDU und das Internet. Eigentlich kein Neuland, da Digitalisierung in aller Munde ist. Doch wer in der digitalen Kommunikation nicht den Erfordernissen der Zeit gerecht wird, dem wird schnell die Kompetenz für die Zukunft abgesprochen. Parteien neigen zu den klassischen Wegen, allerdings muss ein Nachdenken einsetzen, wenn täglich in Deutschland rund 15 Mio. Tageszeitungen gekauft, jedoch über 44 Mio. Menschen in Social Media aktiv sind. Rund 63 Millionen Menschen nutzten 2018 in Deutschland das Internet, 2005 waren es erst 37,5 Millionen.[1]Männer und Frauen zu ungefähr gleichen Anteilen. Am Internet führt kein Weg vorbei, es ist allgegenwärtig. Denn es gilt: Alles was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert. Die Digitalisierung führt zur kommunikativen Waffengleichheit zwischen den Parteien. Wir erleben die digitale Disruption des Politischen: in der Mitgliederkommunikation, bei Wahlkämpfen oder in der politischen Kommunikation. Anspruch der CDU muss es sein, die digitalste Partei Deutschlands zu sein.

Vier Erfolgsfunktionen digitaler Kommunikation

Die Digitalisierung ändert Politik nicht, aber sie stärkt die Möglichkeiten politischer Kommunikation. Es ist viel einfacher und schneller für die Bürger Informationen zu suchen, Kontakt aufzunehmen oder zu spenden. Inhaltliche Nischen und detaillierte politischen Interessen finden genauso ihren Platz wie Netzwerkangebote auf sozialen Plattformen. Durch soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook oder Instagram eröffnen sich Bürgern, Parteien und Kampagnen neue Möglichkeiten sich politisch auszudrücken und ihre Inhalte mit der ganzen Welt, Freunden oder Nachbarn zu teilen. Parteimitglieder und Freiwillige können sich vernetzen und sich wohnortunabhängig finden. Daraus ergeben sich vier wesentliche Erfolgsfunktionen für die politische Kommunikation: mehr Informationen über Politikschaffen, politische Teilhabedurch Likes oder Views erlauben, die Vernetzung mit den Anhängern und Interessentenvertiefen und die direkte Mobilisierung und aktive Einbindungder Bürger durch digitale Kampagnen ermöglichen.[2]Alle vier Funktionen erwarten die Bürger von politischer Kommunikation.

Doch welcher Social-Media-Kanal ist der Richtige?

Keine einfache Frage. Gegenfragen: Wer ist ihre Zielgruppe und was wollen sie erreichen? Für Deutschland gilt, dass Facebook mit über 32 Mio. Nutzern immer noch der Reichweitenchampion ist, der für alle Parteien eine gewichtige Rolle im Dialog mit dem Bürger spielt. Auf Youtube und Instagramengagierten sich die Parteien, um mit guten Fotos und spannenden Videos zu experimentieren und auf visuelle Art für die eigenen Inhalte zu werben. Dabei ist Instagram als Ästhetikkanal die schnellst wachsende Social Media Plattform im deutschsprachigen Raum. Twitter ist in Deutschland ein Elitenkanal der politischen Junkies. Täglich nutzen es rund 1 Mio. Menschen, um Meinungen zu machen, Unterstützer zu aktivieren oder Journalisten von der eigenen politischen Haltung zu überzeugen. WhatsApp hilft dagegen, interne Nachrichten an eine Vielzahl von Gruppen und Unterstützern schnell zu verteilen oder diese zu organisieren. Es entscheiden also Ziel und Zielgruppe, welcher der richtige Kanal ist. Und im Übrigen gilt auch, Inhalte, die auf Facebook funktionieren, erzielen auf Instagram eine ganz andere Wirkung. Apropos, Inhalte.

Die Inhalte entscheiden

Content ist King. In der digitalen Kommunikation entscheiden außergewöhnliche und authentische Inhalte, da sie im digitalen Kommunikationsdickicht durchdringen. Eine Minute im Internet produziert jedes Jahr sehr viel mehr Inhalte als im Vorjahr. Das Wachstum ist exponentiell, nicht linear.60 Sekunden digitale Kommunikation bedeuten: über 187 Millionen versendete Emails, 38 Millionen Nachrichten bei WhatsApp, 4,3 Millionen angeschaute Videos bei Youtube und 3,7 Millionen Suchanfragen bei Google.

Macht das die politische Kommunikation einfacher? Nein, denn inhaltliche Reaktionen erfolgen in Echtzeit, Veranstaltungen und Wahlkampfauftritte werden live gestreamt, Kommentierungen geschehen in kurzen Videobeiträgen und Events wie das TV-Duell werden auf unterschiedlichen Social-Media-Kanälen begleitet. Gleichzeitig schwindet die Aufmerksamkeit, der Feed wird unübersichtlicher, die Viralität der organischen Reichweite schrumpft und Parteien müssen sich Aufmerksamkeit und Penetranz ihrer Botschaft mit Geld erkaufen.

Muss man dann mehr polarisieren, um gehört zu werden? Nein, aber man muss gegenhalten. Auch in Zeiten des Wandels gilt es, Politik aus der bürgerlichen Mitte und nicht von den Rändern her zu denken. Gesellschaftlichen Eliten wird vorgeworfen, taub für echte Probleme und Sorgen zu sein. Menschen demonstrieren, in sozialen Medien radikalisieren sich Meinungen und Stimmen – ein Unbehagen greift Platz, befeuert durch digitale „Echokammern“ und „Filterblasen“. Will die Volkspartei CDU für ihre Vorstellungen von Staat und Gesellschaft eine Mehrheit gewinnen, darf sie sich bei den Diskussionen in der digitalen Welt nicht wegducken, sondern muss im gesellschaftlichen Diskurs den Kopf oben halten und den Anspruch verfolgen, modernste Partei Deutschlands zu sein. Das heißt auch optimistisch, zukunftsoffen und inspirierend zu sein. Die Sehnsucht nach einer politischen Kraft, die ordnet, deutet und löst ist groß. Diese Kraft muss die Union sein.

Die bürgernahe und moderne Volkspartei: Bierzelt 4.0

Die Bürgernähe der CDU beweist sich nicht nur am Stammtisch, sondern daran ob sich ihre Politik an entscheidenden Verbündeten orientiert, um deren Treue und Hilfe es mehr zu werben gilt: die Leistungsträger des Alltags. Menschen, die jeden Tag früh aufstehen, sich um die gute Schulbildung ihrer Kinder sorgen und nicht nach dem Staat fragen, wenn sie durch ihren Fleiß, ihrer Arbeit, ihre Ideen und ihren Einsatz unser Land voranbringen. Um deren Ideen und Vorstellungen aufzunehmen, findet der Bürgerdialog nicht nur auf der Straße, sondern auch im digitalen Raum statt.

Die Wendung der politischen Kommunikation und deren Akteure hin zur Echtzeitkommunikation auf unterschiedlichen digitalen Plattformen führt zu einer wachsenden Sichtbarkeit von politischen Debatten und Inhalten. Parteien experimentieren mit Newsroom-Konzepten, um modernes Themen- und Kommunikationsmanagement zu erreichen. Als Partei gilt es, eine vernetzte digitale Infrastruktur und Personal aufzubauen, Mitglieder und Führungsmannschaft auf die politische Kommunikation in Echtzeit einzustellen. Das Digitale wird sich zu einem nahezu synchronen Feedbackkanal entwickeln, um künftig noch stärker Stimmungen zu messen, Argumente, Positionen und Auftritte zu prüfen. Will die CDU auch zukünftig Volkspartei bleiben, müssen deren Mitglieder und die Bürger eine kommunikative Erlebniswelt (Journey) der CDU erfahren, die möglichst viele Berührungspunkte mit deren Inhalten durch möglichst viele Kommunikationskanäle wie soziale Plattformen, per Mail, auf der Großfläche oder bei der Veranstaltung beinhaltet.

Der direkte Dialog Mensch-zu-Mensch wird im Digitalen nicht verloren gehen. Doch der monatliche Stand in der Fußgängerzone, das Hinterzimmertreffen oder die Großkundgebungen in Bierzelten wird nicht mehr alleinig ausreichen. Vom Haustür-Gespräch mit Livebildern in Echtzeit und App bis zur digitalen Mitgliedersprechstunde oder dem CDU-Chatbot werden die Formate und Instrumente vielfältiger. Die Tauglichkeit im Bierzelt 4.0 ist nicht mehr nur die Nehmerqualitäten beim Maßkrugstemmen, sondern es geht um eine Art Volksnähe via Social Media. Parteiarbeit gewinnt so an Beteiligungsmöglichkeiten und öffnet sich für den dialogischen Bürgerkontakt. Das Digitale ist Teil des Politischen geworden und die CDU sollte auch die erste digitale Volkspartei sein.

[1]https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36146/umfrage/anzahl-der-internetnutzer-in-deutschland-seit-1997/

[2]Voigt und Seidenglanz (2017): Trendstudie Digital Campaigning in der Bundestagswahl 2017 – Implikationen für Politik und Public Affairs, Berlin.

 

Political Campaign Festival: Change to Change

Political Campaign Festival: Change to Change

Political Campaign Festival

#PolCampFestival

#PCF19

Teilnehmer

Länder

Die Welt verändert sich. Die Polarisierung nimmt zu. Weltpolitische Ereignisse und neue Technologien stellen Kommunikatoren und Kampagnenprofis vor enorme Herausforderungen. Sie setzen gleichzeitig eine neue Dynamik frei und verändern Politik und Wirtschaft rasant. Parteien, Unternehmen und NGOs stellen sich deshalb die Frage, wie sie mit diesen gesellschaftlichen Veränderungen schritthalten können.

Das Political Campaign Festival war das internationale Event für Kommunikatoren, Campaigner und Public-Affairs-Experten Ende Januar 2019 in Berlin. Es hat Spaß gemacht, die Veranstaltung zu hosten und zu moderieren. 

Political Campaign Festival 2019

 

Europas erstes Kampagnenfestival mit Teilnehmern aus Politischen Parteien, NGOs und Unternehmen

 

AKK eröffnet Konferenz

Annegret Kramp-Karrenbauer eröffnete die Konferenz mit einer Keynote zum Thema: „Politics in challenging times“.

Parteien müssen sich und ihre politische Kommunikation ändern. Politik erkläre sich heute nicht von selbst, sie muss erzählt werden. Kampagnen werden jetzt zuerst um Begriffe geführt. Parteien müssen es schaffen, die großen Geschichten selber zu erzählen. Positionen haben einen größeren Erklärungsbedarf, Begriffsklärung und Storytelling sind daher zentral.

Mit Blick auf die neuen Medien gilt: Twitter ist heute für manchen die diplomatische Depesche des 19. Jahrhunderts.

Wir brauchen einen kommunikativen Häuserkampf – gegen Fake News und Desinformationen.

„People like people. That’s why we also have to focus on bringing people and candidates together.“

Tom Pitfield, Chief Digital Strategist Justin Trudeau

Das digitale Mastermind von Justin Trudeaus Kampagne sah als Erfolgsrezept für digitale politische Kommunikation: „Sagen, was man denkt, echt sein“. Aber eben nicht wie Trump, sondern mit einer positiven und dynamisierenden Botschaft.

„Campaigns have to win the content wars.“

The future will be a battle over mobilization.

Prof. Dr. Dirk Helbing über digitale Demokratie

Kampagnen aus der ganzen Welt

Es war ein spannender Tag mit vielen wichtigen Impulsen. Angefangen von Dara Murphy und Ulla Tuttlies, die über die Europawahlen sprachen.  Ihre Überzeugung war: „Digital street fight has two words: digital and street. Intelligently linking offline and online campaigning and connecting with the de-connected seems to be the most effective strategy in political campaigning and when it comes to promoting the EU“.

Der Kampagnenmanager von Sebastian Kurz, Philipp Maderthaner, sprach über die Trends und neuen Praktikern der Kampagnenführung in Österreich, Deutschland und der Schweiz. 

Und zwei tolle Abschlussforen. Die internationale Perspektive kam von Chris Young (USA), Camila Crescembi (Argentinien) und Radu Magnin (Rumänien). Den deutschen Wahlkampfausblick leisteten die digitalen Campaigner von CDU, SPD, FDP und den Grünen.

Political Campaign Festival 2019

 

Inspirierende Diskussion mit Annegret Kramp-Karrenbauer

 

„Trumps Chance auf Wiederwahl liegt über 50 Prozent“

„Trumps Chance auf Wiederwahl liegt über 50 Prozent“

Im Gespräch mit n-tv über Trumps Wiederwahlchancen. „Trumps Strategen gehen sehr systematisch vor“, sagt er. „Sie verquicken traditionelle Form des Wahlkampfes mit dem digitalen Zeitalter.“

n-tv.de: Die meisten Beobachter sind mit Prognosen vorsichtig geworden, nachdem Donald Trump 2016 Präsident geworden ist. Wie schätzen Sie seine Chancen für 2020 ein?

Mario Voigt: Ich glaube, seine Chancen liegen über 50 Prozent. Er hat für seine Wiederwahlkampagne bereits mehr als 100 Millionen Dollar und mehrere tausende Unterstützer gesammelt. Das Level an Enthusiasmus bei seinen Kundgebungen ist sehr hoch – er zieht mehr Menschen an als Barack Obama früher. Insgesamt erinnert sein Situation an die von Obama 2010. Damals hatten die Demokraten bei den ersten Zwischenwahlen seiner Amtszeit auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren. Er schaffte die Wiederwahl 2012 trotzdem. Insofern sprechen einige Punkte für Trump.

Aber?

Bei seiner Persönlichkeit gibt es genügend Abrisskanten und Überraschungen. Letztlich kann er nur eine Taktik richtig gut: polarisieren, in die Herzen der Menschen greifen und Emotionen auslösen – das ist Trumps Strategie, die er allerdings perfektioniert. Irgendwann könnten die Amerikaner davon genug haben.

Könnten Sie die Parallele zu Obama erläutern?

Bei Nachwahlbefragungen bei den Midterms 2010 wurden Wähler gefragt, ob sie Obama wiederwählen würden. Er lag damals bei 43 Prozent. Bei Trump waren es bei den Zwischenwahlen im vergangenen November 38 Prozent, also nicht so weit entfernt. Obama startete seinerzeit neue Initiativen, die von den Republikanern im Kongress nicht unterstützt wurden, so dass er sie als Blockierer darstellen konnte. Das ist ziemlich präzise der Weg, den Trump heute geht. Im Moment sieht es so aus, als würden der Shutdown und der Streit um die Mauer ihm schaden. Langfristig könnte es ihm eher nutzen.

In den Umfragen steht Trump derzeit unter 40 Prozent Zustimmung.

Der Anteil derjenigen, die sagen, dass sie ihn als Person mögen, ist weiterhin etwa so groß wie in den Umfragen zur Präsidentschaftswahl 2016. Seine Basis ist stabil, und die wird er bedienen. Gleichzeitig wird er versuchen, den potenziellen Kandidaten der Demokraten als unwählbar darzustellen und so unentschiedene Wähler auf seine Seite zu ziehen. So machte es Obama damals auch mit Mitt Romney.

Würde ein unabhängiger Kandidat wie der frühere Starbucks-Chef Howard Schultz Trump nutzen?

Definitiv. Sollte jemand wie Schultz antreten, ginge das auf Kosten der Demokraten. Trump würde das in die Hände spielen.

Braucht Trump auch vorzeigbare Erfolge, um seine Anhänger bei der Stange zu halten? Etwa seine Mauer?

Die Mauer war sein zentrales Wahlversprechen, er muss zeigen, dass sie gebaut wird. Daran wird er gemessen. Konservative Kommentatoren wie Ann Coulter kritisieren ihn mittlerweile scharf, weil er hier noch nichts vorweisen kann. Aber Trump ist kein klassischer Republikaner, er ist seine eigene Marke, die über das Wählerpotential der Republikaner hinausreicht. Ein weiterer Vorteil für ihn: Die Demokraten sind unsicher, mit welcher Strategie sie ihn angreifen sollten. Er steht bereits als Kandidat der Republikaner fest, die Demokraten haben dagegen einen sehr langen, harten und kostenintensiven Vorwahlkampf vor sich.

Ist das nicht auch eine Chance?

Nur zum Teil. Die Polarisierung in den USA führt dazu, dass die Anhängerschaften beider Parteien sich immer stärker von der Mitte wegbewegen. Die demokratischen Kandidaten sind in den Vorwahlen daher gezwungen, sich weiter links zu positionieren als später im Präsidentschaftswahlkampf. Sie könnten 2020 in eine Situation kommen, dass sie zwar ihre eigene Basis ansprechen, aber die moderaten Wähler nicht erreichen.

Was für einen Typus Politiker müssten die Demokraten aufstellen, um gegen Trump erfolgreich zu sein?

Kamala Harris ist eine interessante Kandidatin. Als Tochter einer indischen Mutter und eines jamaikanischen Vaters repräsentiert sie den Anspruch der Demokraten, Politik für Minderheiten und Frauen zu machen. Das ist zugleich ein Risiko.

Warum?

Trump wird nicht nur an der Mauer gemessen werden, sondern auch an der Performance der Wirtschaft und im Kontrast zum demokratischen Herausforderer. Wenn die Wirtschaft halbwegs läuft und auch Jobs in den eher industriell gebeutelten Mid-West-Staaten entstehen, dann brauchen die Demokraten einen Kandidaten, der dieses Thema vernünftig repräsentiert. Eine Frau aus Kalifornien bietet da im kommunikativen Straßenkampf des digitalen Zeitalters ziemlich viel Angriffsfläche. Klick um zu Tweeten Zudem neigen die Demokraten dazu, ihren Schwerpunkt auf die Interessen von Minderheiten, auf Identitätsthemen zu legen. Das hat beim letzten Mal in den Battleground-States, die die Präsidentschaftswahlen entscheiden, nicht gereicht. Wenn sie diese Strategie wieder fahren, werden sie verlieren. Eigentlich bräuchten die Demokraten einen Kandidaten wie Joe Biden, der die eigene Basis anfeuert und zugleich einen moderaten Anspruch formuliert. Aber Biden ist schon 76 Jahre alt.

Wann hat diese extreme Polarisierung der US-Gesellschaft eigentlich begonnen?

„Blue and Red America“ ist schon lange eine Chiffre für gespaltene politische Kultur der USA. [Blau ist die Parteifarbe der Demokraten, Rot die der Republikaner, Anm.d.Red.] Es gibt eine spannende Untersuchung des Pew Research Institute, die zeigt, wie sehr die Polarisierung seit Anfang der 1990er Jahre zugenommen hat. Immer weniger Amerikaner fühlen sich der politischen Mitte zugehörig. Viele Anhänger der Demokraten und Republikaner haben ausschließlich Freunde, welche dieselbe Partei wählen. Dieser Trend hat nicht erst mit Trump begonnen, Trump hat diese Polarisierung im digitalen Zeitalter nur verstärkt. Klick um zu Tweeten Das ist auch nichts originär Amerikanisches. Wir erleben ja auch in anderen Ländern, dass ein Teil der Bevölkerung das Gefühl hat, dass die klassischen Politiker und Parteien sie nicht mehr erreichen, dass Antiglobalisierungs- und Antimodernitätstendenzen stärker werden. Deswegen geben Wähler Leuten wie Trump oder Duterte auf den Philippinen oder – positiv gewendet – auch neuen Kandidaten wie Emmanuel Macron eher das Vertrauen als klassischen Kandidaten.

Sie haben erwähnt, dass nach wie vor viele Menschen zu Trumps Kundgebungen gehen. Welche Rolle spielen solche Veranstaltungen in Wahlkämpfen in den USA?

Rally mit Donald Trump jr.

Trumps Strategen gehen da sehr systematisch vor. Sie gehen mit diesen Kundgebungen vor allem in Regionen, die nicht zu den typischen Hotspots zählen. Wenn Trump kommt, ist das dort ein kulturelles Event mit Vor- und Nachprogramm. Zugleich verquicken sie diese sehr traditionelle Form des Wahlkampfes mit dem digitalen Zeitalter. Die Reden werden nicht nur live gestreamt, sondern Trump oder seine Kinder nehmen sich dann mindestens noch einmal so viel Zeit, um Selfies zu machen. So dringt Trump in die sozialen Netzwerke ein und erzielt einen Viralitätseffekt, der um ein Vielfaches größer ist als das Event an sich. Die Kundgebungen werden genutzt, um die Basis anzufeuern, aber auch, um auf das Handy von möglichst vielen Menschen zu kommen.

Gibt es da etwas, das deutsche Parteien, beispielsweise Ihre Partei, die CDU, von dieser Art des Wahlkampfes lernen können?

Die amerikanischen Wahlkämpfe sind sehr viel teurer als ein europäischer Wahlkampf und unsere politische Kultur im Mehrparteiensystem ist anders. Das steht in keinem Verhältnis. Aber die zentrale Nutzung von Technologien oder Events sehen wir auch in Deutschland bei allen Parteien: konzentrierte Medienereignisse, über die Sie als Journalist berichten, zugleich ein Ansprechen in sozialen Netzwerken, um die Reichweite zu erhöhen. Nehmen Sie den Wahlkampf von Manfred Weber, …

… der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei für die Europawahl im Mai.

Er nutzt Instagram, Twitter und Facebook, wo er auch Teilhabeelemente einsetzt, auf eine sehr kluge Art und Weise. Da gibt es einen weltweiten Lernprozess – Trump hat das ja nicht erfunden, das kommt aus asiatischen Wahlkämpfen, deren Intensität deutlich höher ist.

Aus Asien?

Ja, klar. Dort sind viele Wähler anzusprechen und Ideen sprießen – ob 3-D Hologramme von Spitzenkandidaten in Indien oder Text-Messaging in Südkorea. Der größte Trend bei den amerikanischen Midterms im vergangenen Jahr war die Wähleransprache über groß angelegte SMS- Kampagnen. Das ist deutlich effektiver als mit E-Mails, wo die Öffnungsraten nur bei zehn Prozent liegen. SMS lesen die Leute so gut wie immer. Über 90 Prozent öffnen die Nachrichten in den ersten fünf Minuten in den USA.

In Deutschland kann so etwas wohl nicht eingesetzt werden?

Vermutlich ist das aus Gründen des Datenschutzes nicht möglich. Bei meiner Wahlkampfbeobachtung konnte ich mir anschauen, mit welcher Datenbasis die Republikaner und die Demokraten Wahlkampf machen. In deren Datenbanken finden sich über 199 Millionen Menschen, auf beiden Seiten. In den besonders umkämpften Staaten, den ungefähr 18 Battleground-States, verfügen die Parteien über bis zu 5000 Einzelinformationen zu einem Wähler. Theoretisch macht das eine maßgeschneiderte Kommunikation zu jedem Einzelnen möglich. Das können sich allerdings selbst amerikanische Kampagnen nicht leisten.

Mit Mario Voigt sprach Hubertus Volmer

Quelle: n-tv.de

https://www.n-tv.de/politik/Trumps-Chance-auf-Wiederwahl-liegt-ueber-50-Prozent-article20843987.html

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