OTZ- Interview mit Mario Voigt. Er ist zutiefst überzeugt, dass die geplante Gebietsreform schlecht ist für Thüringen. „Als CDU brauchen wir einen kühlen Kopf und ein heißes Herz für unser Gesamthandeln: Im Landtag politische Alternativen aufzeigen, die juristische Prüfung der Koalitionsschritte, und als drittes der intensive Dialog mit den Bürgern im Land, der ihnen von der Landesregierung verweigert wird.“

Ihre Abgeordneten-Kollegen von Rot-Rot-Grün haben diese Woche im Landtag ein Gesetz vorgestellt, das direkte Mitbestimmung in Kommunen erleichtern soll. Wird es helfen, das Interesse der Bürger an kommunalen Angelegenheiten auch in künftigen Großgemeinden wachzuhalten?
Nein, und ich wundere mich, dass die Verbindung zur beabsichtigten Gebietsreform überhaupt gezogen wird. Vermutlich geht es der Koalition um etwas ganz anderes.

Nämlich worum?
Wer die Abwahl von Bürgermeistern vor Ende einer Wahlperiode erleichtert, der will mehr Unruhe und politische Instabilität in unseren Dörfern und Städten. Aus meiner Sicht ist das ein weiterer Angriff von Rot-Rot-Grün auf den ländlichen Raum. So wie es schon der geplante Wassercent war, die Erhöhung der Grunderwerbsteuer oder eben die Gebietsreform. Nichts davon ist gut für den zum großen Teil ländlich geprägten Freistaat. 

Wenn Thüringen aber immer weniger Geld vom Bund und von der EU bekommt und vermutlich weiter Einwohner verliert, kann dann alles so bleiben, wie es ist?
Niemand bestreitet, dass wir die Verwaltung reformieren müssen. Das betrifft aber vor allem die des Landes. Bis heute hat die Koalition nicht vorrechnen können, welche Einsparungen es durch Großkreise und die Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften geben soll. Ich sage, eine Gebietsreform wird erhebliche Mehrkosten verursachen und das Ehrenamt schwächen. Welches ehrenamtliche Kreistagsmitglied wird sich zwei Stunden ins Auto setzen, nur um zu einer Ausschusssitzung zu kommen? Und wer wird sich noch in einem Ortschaftsrat engagieren, wenn er dort zwar den Ärger der Bürger abbekommt für alles, was nicht klappt, aber nichts ändern kann, weil er so gut wie nichts entscheiden darf?

Im Saale-Holzland-Kreis, wo Sie Ihren Wahlkreis haben, gründete sich unlängst der Verein „Selbstverwaltung für Thüringen“. Er will, sollte der Landtag das Vorschaltgesetz zur Gebietsreform beschließen, ein Volksbegehren dagegen starten. Eine gute Idee?
Ich finde ja. Der Unmut in der Bevölkerung wegen der beabsichtigten Gebiets-Zentralisierung ist mit Händen zu greifen. Fast täglich schicken mir Leute E-Mails und fragen, was man dagegen tun könnte. Und deshalb bin ich davon überzeugt, dass man für diesen Protest ein Angebot machen muss. Sollte es zu einem Volksbegehren kommen, dann werde ich persönlich die Unterschriftensammlungen unterstützen. Der CDU-Kreisverband Saale-Holzland sieht das genauso und hat sogar formell einen Beschluss dazu gefasst.

Müsste das nicht der Landesvorstand der Partei machen?
Das wird der CDU-Landesvorstand zum richtigen Zeitpunkt entscheiden und hält sich diesen Weg offen. Klar ist, die Mitglieder werden an der Basis aktiv, also in ihren Heimatorten. Und da unterstütze ich alle ausdrücklich. Im Landtag hat meine Fraktion bereits angekündigt, die Beschlüsse von Rot-Rot-Grün zur Gebietsreform gegebenenfalls verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen. Als CDU brauchen wir einen kühlen Kopf und ein heißes Herz für unser Gesamthandeln: Im Landtag politische Alternativen aufzeigen, die juristische Prüfung der Koalitionsschritte, und als drittes der intensive Dialog mit den Bürgern im Land, der ihnen von der Landesregierung verweigert wird. Ich bleibe dabei: Politik ist Kontaktsport, also ganz nah dran an den Leuten. Ein Volksbegehren ist eine gute Gelegenheit, von den Menschen zu erfahren, was sie wollen. Wenn Rot-Rot-Grün Mut hätte, würden sie die Initiative unterstützen.

Für solche direktdemokratischen Übungen gibt es genau regulierte Abläufe. Käme das Volksbegehren noch zur rechten Zeit, oder ist die Gebietsreform dann schon gelaufen?
Es wird zeitlich ziemlich eng. Dass Linke, SPD und Grüne eine so tiefgreifende Veränderung geradezu im Schweinsgalopp über die Bühne jagen, wäre allein schon Grund genug, dagegen vorzugehen. Zunächst muss freilich abgewartet werden, bis das Vorschaltgesetz verabschiedet ist und in welcher Form. Das bildet ja die Grundlage für alles, was folgen soll. Das Volksbegehren könnte dann, alle Schrittfolgen und Einspruchsfristen eingerechnet, frühestens im Frühjahr 2017 mit der eigentlichen Sammlung beginnen. Dann sind vier Monate Zeit, die nötigen Unterstützerunterschriften beizubringen. Nach Aussagen der Koalition will sie die Landrats- und Bürgermeisterwahlen 2018 schon in der zentralisierten Gebietsstruktur stattfinden lassen. 

Rund 195 000 gültige Unterschriften, das ist ordentlich viel Holz. Wäre die CDU nicht beschädigt, wenn die Sache schief geht?
Zunächst mal glaube ich nicht, dass die Sache schief geht. Aber es wird schwer. Für seine Überzeugungen muss man kämpfen. Ich bin vom Erfolg eines Volksbegehrens so überzeugt wie davon, dass die rot-rot-grünen Pläne für Thüringen falsch und schädlich sind. Und eine große Zahl von Unterschriften kann die Ramelow-Regierung auch dann nur schwerlich ignorieren, wenn das Quorum für den Erfolg eines Volksbegehrens nicht ganz erreicht würde.

Die Thüringer AfD hat ihre Unterstützung bereits zugesagt. Wollen Sie mit der zusammen um die Häuser ziehen?
Ich halte die AfD auf der einen und die Linke auf der anderen Seite für die politischen Hauptgegner der CDU. Gleichwohl kann ich die AfD nicht daran hindern, wenn sie ein Volksbegehren unterstützt. Das heißt aber nicht, dass man gemeinsam Unterschriften sammelt. Wichtig ist, dass wir den Menschen erklären, was unsere Motive dafür sind.

Manche unterstellen kritischen Bürgermeistern und VG-Chefs als Motiv, sie würden vor allem ihren Job retten wollen. Ihre Mutter ist VG-Vorsitzende und im Verein „Selbstverwaltung für Thüringen“ aktiv. Ist das für Sie erklärungsbedürftig?
Für mich nicht, aber wer es gern erklärt haben möchte: Meine Mutter steht für viele Mitarbeiter und Bürgermeister in den Verwaltungsgemeinschaften, die in unserem Land einen guten Job machen. Und so, wie ich ihr nicht versuchen würde vorzuschreiben, womit sie sich in ihrer Freizeit beschäftigen sollte, so gut hat sie andererseits mich dazu erzogen, ein selbstständig denkender Mensch zu sein.

Volkhardt Paczulla / 12.03.16 / OTZ

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